Zum Nachdenken I


Diese Texte wären der Inhalt meiner weiteren Bücher, aber ich stelle sie hiermit jedermann zum Lesen zur Verfügung. Sie stehen ausdrücklich zum Teilen zur Verfügung, aber bitte nur unter Angabe meines Namens und meiner Webseite. Eva Windisch - www.mithundensein.de
151.
„Und als sie dann den Hundetrainer angebellt hat, hat er sich ganz groß gemacht und seinen langen Mantel nach oben gerissen.... und seitdem hat sie Angst vor Männern mit langen Mänteln", erzählte mir einst eine Kundin. (Es handelte sich übrigens um den Trainer aus meiner Nachbarschaft, der vor einigen Jahren einen Hund erdrosselt hat, nachdem er ihn nach Cesar Millan-Manier strafhängen ließ.)

Diese Praktik des Sich-groß-Machens, um den Hund einzuschüchtern bzw. ihn zu bedrohen ist auch nicht auszurotten.

Warum um alles in der Welt soll man sich vor einem Hund noch größer machen, als man es ohnehin schon ist? Hunde wissen, dass wir Menschen größer sind als sie, also was soll das Kasperletheater? Und warum sollten wir unseren Hund bedrohen?
Was lernt er daraus?
Richtig: Dass man uns fürchten muss.
Und wie ist die Beziehung zu jemandem, den man fürchtet?
Richtig: Man lernt, dass man dieser Person nie vertrauen kann, dass man sich mit Sicherheit nie im Ernstfall dieser Person hingibt, sich nie an sie wenden wird, sondern lieber im Alleingang Probleme löst.

Und im schlimmsten Fall kann der Schuß nach hinten los gehen: Der Hund fühlt sich so stark bedroht, dass er den Angriff der Flucht vorzieht. Und dann heißt es: "Dieser Hund ist aggressiv!"
Nein, das ist er nicht. Er hat sich gerade um Leib und Leben bedroht gefühlt und tut alles, um unversehrt zu bleiben.

Nie im Leben käme ich auch nur eine Sekunde auf die Idee, den Hund meiner Kunden zu bedrohen. Ich wäre ja lebensmüde.
Und natürlich würde ich ebensowenig einen Kunden anleiten, seinen Hund zu bedrohen, was leider immer noch Gang und Gäbe ist.

In diesem Sinne – Seien Sie nicht der Feind Ihres Hundes, sondern sein Freund.


150.
Silvester - und das alljährliche Gekrache und Geballere beginnt wieder. Zum Leidwesen fast aller Tiere. Und wir Hundehalter bekommen es natürlich bei unseren vierbeinigen Mitbewohnern besonders mit. Viele unserer Hunde haben Angst - Todesangst. Angst ist lebensnotwendig, denn sie bereitet den Körper darauf vor zu fliehen. Oder zu kämpfen. Wer keine Angst hat, stirbt bei Gefahr. Angst hat einen Grund, und Angst zu haben ist das Natürlichste der Welt.

Wie sollen wir nun mit der Angst unserer Hunde umgehen?
"Auf keinen Fall trösten - das verstärkt seine Angst!" ist ein Spruch, den mit Sicherheit jeder schon mal gehört hat. Entgegen dem eigenen Bauchgefühl hat man dann schön artig den eigenen Hund und dessen Befindlichkeiten ignoriert. Und sich dabei gut gefühlt? Mit Sicherheit nicht.

Mal von vorne: Da haben wir uns einen vierbeinigen Mitbewohner ins Haus geholt mit dem Anliegen, eine Freund zu haben. Durch Dick und Dünn. Dieser Vierbeiner ist dem Menschen so ähnlich wie kein anderes Haustier. 15.000 Jahre Domestizierung haben ihr Übriges dazu beigetragen. Unser Hund liest uns so gut wie kaum ein Mensch, spürt unsere Befindlichkeiten, hat die selben Emotionen wie wir und liebt uns abgöttisch. Und er ist komplett von uns abhängig wie ein Kind. Er hat niemanden außer uns. Wir teilen Freud und Leid mit ihm, Kummer und Sorgen. Möchten seinen Trost wenn es uns schlecht geht. Und ausgerechnet, wenn es ihm mal schlecht geht, sollen wir das ignorieren? Andere Tiere dann auch? Kinder auch? Mitmenschen auch?

Sorry, liebe Hundehalter, aber wie bitte verkaufen wir uns denn vor unserem Hund, wenn wir seine Befindlichkeiten einfach ignorieren? Als blind, taub und stumm. Als jemanden, der zu blöd ist, wirkliche Befindlichkeiten und auch Gefahren zu erkennen. Schließt man sich so jemandem voller Vertrauen an? So jemand führt einen geradewegs ins Verderben.

Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie Angst haben, und Ihr Sozialpartner ignoriert dies? Wäre das eine Person Ihres Vertrauens, jemand, zu dem Sie aufschauen würden?

Stellen Sie sich bitte mal eine Situation vor, bei der Sie wirklich Angst haben. Zum Beispiel ein Zahnarztbesuch, bei dem Ihnen eine langwierige, schmerzhafte Behandlung bevorsteht. Oder Sie müssten eine wacklige Hängebrücke überqueren. Oder eine fette Spinne im Haus, die gerade neben ihrem Bett die Wand hochhuscht. Mit Sicherheit hat jeder vor uns etwas, vor dem er Angst hat. Und dann Ihr Partner, der Ihre Angst ignoriert und den Auslöser der Angst ignoriert. Sammelt er in dem Moment Pluspunkte bei Ihnen? Mit Sicherheit nicht. Wäre es nicht viel schöner und hilfreicher, wenn er Sie in den Arm nehmen würde, Sie seine Sicherheit und seine Stärke, seinen Trost und seinen Zuspruch spüren dürften. Eine starke Schulter, an die Sie sich anlehnen dürften?

Nun mal das Ganze in biochemisch:
Angst erzeugt Stress. Dabei wird im Körper das Stresshormon Cortisol produziert, welches wie oben erwähnt, bereit macht zur Flucht oder zum Kampf.
Berühre ich nun aber meinen Hund, streichle ich ihn sanft und liebevoll, nehme ich ihn in den Arm (sofern es möglich ist), bereite ihm ein durchwegs gutes Gefühl, spreche ich sanft und verständnisvoll mit ihm, tröste ich ihn, indem ich ihm meine Stärke gebe, dann wird in seinem Körper (und auch in unserem) das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytozin produziert. Je höher nun dieser Oxytozinspiegel steigt, desto schneller wird das Cortisol abgebaut.

Wohlgefühl da - Angst weg - Bindung verstärkt - Vertrauen größer als zuvor. So einfach ist das. Und das gilt nicht nur für Silvesterangst.

Hätten wir doch gleich auf unser Bauchgefühl gehört, nicht wahr?

Mein Tipp für Silvester: Feiern Sie eine kleine Party bei sich zu Hause mit ein paar guten Freunden. Rollos runter, machen Sie Musik an oder lassen Sie den Fernseher laufen, beides gerne etwas lauter als sonst. Spielen Sie Gesellschaftsspiele, und haben Sie Spaß!

Und als Tipp vom prominenten und sehr kompetenten Tierarzt Dr. Ralph Rückert: Eierlikör. Wenn Ihr Hund extreme Silvesterangste hat, darf er in der Silvesternacht tatsächlich pro 10 kg Körpergewicht einen Esslöffel Eierlikör bekommen. Einmal um 21.30 Uhr und einmal und 23.30 Uhr. Das macht gelassen und löst die Angst. Alternativ dazu fahren Sie für zwei Stunden Autobahn. Da ist es bekanntlich am ruhigsten.

149.
Unsere Hunde brauchen kein/e/n

- Rudelführer
- Chef
- Leitwolf
- Dominanztrainer
- Alphawurf
- Leinenruck
- Würgehalsband
- Grundgehorsam
- Strafen
- Disziplin
- Sportprogramm
- menschlichen Ehrgeiz
- Schimpfen
- Leinenruck
- Auspowern
- Maßregeln

Aber was sie ganz dringend brauchen ist:

- unsere Liebe
- unsere Geduld
- unsere Nähe
- unser Verständnis
- unsere Bereitschaft, sie zu nehmen wie sie sind, mit all ihren Ecken und Kanten
- unsere Unterstützung, wenn sie sich nicht wohl fühlen
- unsere Empathie
- unsere Bereitschaft, sich in Sachen Hundeverhalten und Hundepsyche ständig auf einem modernen und aktuellen Stand zu halten
- unser Bauchgefühl, unser Herz und unseren logischen Menschenverstand
- einen zweibeinigen Freund mit dem sie durch Dick und Dünn gehen dürfen – und der auch mit ihnen durch Dick und Dünn geht
- einen zweibeinigen Freund, der ihre Gefühle und Emotionen ernst nimmt
- einen Menschen der ihre bedingungslose Liebe ebenso bedingungslos und ungefiltert zurückgibt

Das Leben mit dem besten Freund des Menschen ist so einfach.
148.
„Man“

Das darf man bei Hunden nicht!
Man soll den Hund nicht hochheben, wenn er Angst hat!
Man darf einen Hund nicht verwöhnen.
Man soll das Spiel mit dem Hund beginnen und beenden!
Man darf einem Hund nichts durchgehen lassen.
Man soll den Hund vor dem Füttern absitzen lassen!
Man darf den Hund nicht auf die Couch/in das Bett lassen.
Man muss einen Hund auspowern!
Man soll einen Hund nicht trösten!
Man muss für seinen Hund der Chef/Leitwolf/Alpha/ Rudelführer sein!
Man muss dem Hund Gehorsam beibringen.
Man muss einem Hund Grenzen setzen!
Man darf sich von seinem Hund nicht auf der Nase herumtanzen lassen!
Man darf einen Hund nicht bei Tisch füttern!
Man muss den Hund links führen!
und und und...

Täglich bekomme ich von verunsicherten Kunden diese man-Sätze.

Wer zum Teufel ist eigentlich dieser „man“?
Der liebe Gott, der Verfassungsschutz, der Bundespräsident? Eine höhere Macht, die ein unveröffentlichtes Hundehalter-Gesetzbuch geschrieben hat?

Was ist das für eine unbekannte Hörigkeit, die Gesetze erlässt und Ihr Zusammenleben mit Ihrem besten vierbeinigen Freund reglementiert? Braucht man einen „man“, um mit diesem uns liebenden Wesen wenige glückliche 10 – 15 Jahre zu verbringen?

Ich wurde von meinen Eltern so erzogen (68er Generation), alles im Leben zu hinterfragen. Recht hatten sie. Ich tat dies von klein auf und habe dadurch viel gelernt, und bin dadurch vielen Wahrheiten auf den Grund gekommen.

Wer? Wie? Was?
Der! – Die! – Das!
Wieso? – Weshalb? – Warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm.

Bitte lernen auch Sie, alles zu hinterfragen, und lassen Sie sich doch nicht von mysteriösen Flüsterpostregeln Ihr Leben mit Ihrem Tier vorschreiben. Würden Sie in Ihrer Ehe oder in Freundschaften auch nicht so handhaben.

Bitte lassen Sie sich nicht durch andere verunsichern. Hören Sie immer auf Ihr Herz, auf Ihr Bauchgefühl und Ihren logischen Menschenverstand. Dann machen Sie in der Regel alles richtig. Das Leben mit einem Hund ist so einfach.


147.
Haustiere rufen

Ist es nicht merkwürdig, dass man alle Haustiere (und auch Pferde, wenn man sie von der Koppel holt) freundlich-lockend ruft, nur den besten Freund des Menschen – den eigenen Hund in einem barschen Befehlston?

Warum?

Warum wird allen anderen Haustieren so viel Zärtlichkeit entgegengebracht, nur beim Hund hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er einem sonst auf der Nase herumtanzen würde? Warum nicht andere Haustiere? Warum haben die mehr Liebe, mehr Freundlichkeit und mehr Rücksicht verdient als der Hund? Warum unterstellt man denen nicht, dass sie ansonsten die Weltherrschaft übernehmen wollen? Warum gerade dem Wesen, welches uns mehr liebt, als es jemals ein Mensch tun würde? Ist das die Antwort auf unendliche und bedingungslose Liebe zu uns? Strenge? Barsche Ansagen? Kommandos? Befehle? Nicht zu vergessen: Das nicht enden wollende Repertoire an Maßregelungen und Strafen? Wovor haben Hundehalter Angst? Glauben Sie wirklich, dass diese wunderbaren Wesen den ganzen Tag hämisch in sich hineingrinsend und händereibend überlegen, wie sie wohl Chef über uns Menschen werden könnten? Ist das nicht völlig absurd? Der beste Freund des Menschen als der größte Feind, Konkurrent und Widersacher des Menschen?

Was machen Sie denn in so einem Fall bei anderen Haustieren und auch beim Pferd, wenn sie nicht kommen, wenn Sie sie rufen? Richtig: Liebevoller rufen, zärtlicher rufen oder hingehen und abholen. Eben. Mit Sicherheit würden Sie weder Pferd, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen oder Wellensittich schimpfen oder bestrafen. Warum dann Ihren Hund? Der Sie mehr liebt als alle Pferde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Wellensittiche zusammen.

Woher kommt die Erwartungshaltung an den Hund, dass er zu gehorchen hat? Warum nicht an andere Haustiere? Doch stimmt, beim Pferd ist es nicht anders, wobei auch diesem Tier oft keine Wahl bleibt. „Gehorche, oder es wird unangenehm!“ ist beim Reiten im Prinzip für viele Reiter die einzige Möglichkeit. Und sei das „Unangenehm“ noch so subtil. Pferde haben leider keine Schmerzlaute. Das wird häufig schamlos bis zum Exzess ausgenutzt. Obwohl es auch da anders geht.

Warum halten wir uns für die Krone der Schöpfung und warum erwarten wir von Tieren, dies frag- und klaglos zu akzeptieren? Sehen Tiere uns auch als die Krone der Schöpfung? Wohl kaum? Lediglich unser Hund liebt uns. Er liebt uns einfach. So wie wir sind. Mit all unseren Ecken und Kanten und unseren Macken. Und er verzeiht uns auch noch alles. Und das seit 15.000 Jahren, als er den großen Fehler begann, sich vom Wolf zum Hund, dem besten Freund des Menschen zu domestizieren.

Und wir? Lieben und akzeptieren wir ihn auch mit all seinen Ecken und Kanten und Macken?

Bedenken Sie: Es sind nur ein paar gemeinsame Jahre - dann in er für immer weg.

146.
Vorhang auf – Bühne frei

Oft wird bei einem leinenaggressiven Hund geraten, diesen in so einer Situation in SITZ! zu befördern und ihn so dieses Szenario durchstehen zu lassen.

Bitte bedenken Sie, dass die Aggression seitens Ihres Hundes begründet ist: Ihr Hund will nicht belästigt werden, und er will seinen Individualabstand in so einer Situation wahren, im Notfall mit körperlichem Einsatz. Sein gutes Recht, zumal Hunde keine Rudeltiere sind und somit ihr Leben und ihre Unversehrtheit wahren möchten, da sie ja bei dem entgegenkommenden Hund nicht einschätzen können ob er Freund oder Feind ist. Das kann man eben nicht auf einem Blick erkennen. Ist bei Katzen genauso. Haben Sie diese nachts vor Wut mal schreien gehört, wenn zwei aufeinandertreffen? „Hau ab!“

Zwingen Sie jetzt Ihren Hund in eine Körperposition, in der er in seiner Unsicherheit dazu genötigt wird, auch noch unbeweglich zu bleiben, sich klein zu machen, dann erschweren Sie ihm die Situation noch mehr. Im Prinzip demonstrieren Sie ihm damit: „Bühne frei – Vorhang auf – für Deine persönliche Horroshow!“

Das Ganze dauert durch sein erzwungenes Stillhalten noch viel länger, und er lernt dazu noch, dass Ihr Verhalten in seiner Hundewelt, in seiner Denke mehr als dumm ist. Denn er würde ausweichen, sofern die Lokalität es zuläßt und den Blick abwenden, um dem Gegenüber zu signalisieren, dass er kein Interesse an Auseinandersetzungen hat. Hunde haben kein Interesse an Konflikten. Wir sind es, die sie ständig von einem Konflikt in den Nächsten hineintreiben und uns dann über seine angeblichen "Verhaltsauffälligkeiten" wundern. Fänden Sie z.B. Spinnen erträglicher, wenn Sie diese besonders lange ansehen müssen? Wohl kaum.

Daher meine Bitte: Nehmen Sie Ihren Hund mit verkürzter Leine (IMMER mit einem Y-Brustgeschirr mit Atem- und Schulterfreiheit!) nach außen auf die reizarme Seite, so dass Sie als Puffer, als lebender Schutzwall, als sein persönlicher Bodyguard dazwischen sind. Entspannen Sie sich, Arme hängen lassen, fokussieren Sie ein Ziel in der Ferne (und bitte nicht wie sonst immer im Zick Zack zwischen eigenem und fremden Hund), spannen Sie nur soviele Muskeln an, wie Sie wirklich brauchen, plappern Sie etwas Unverbindliches und Freundliches, lächeln Sie und gehen Sie im nomalen Tempo mit größtmöglichen Abstand an dem anderen Hund vorbei. Gedanklich ein Glas Rotwein intus. Atmen nicht vergessen. Wenn Sie nicht atmen, sterben Sie.

Sollten Sie sich vor dem anderen Hundehaltern oder anderen Menschen schämen, rufen Sie denen fröhlich zu: „Entschuldigen Sie, wir sind noch in der Ausbildung!“
Und schon haben Sie allen den Wind aus den Segeln genommen, sich als Opfer anstatt als Täter verkauft und verbreiten allgemein auch noch eine unbeschwerte Stimmung. Zig Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Nimmt Ihr Hund in so einer Situation noch Futter, können Sie ihm mit der inneren Hand zusätzlich eine Leberwursttube zur Selbstbedienung hinhalten. Schlecken, schlucken und nuckeln beruhigt und schafft ein angenehmes Körpergefühl. Keine Angst, Sie bestätigen Ihn damit nicht in seiner Aggression, denn Emotionen kann man weder belohnen noch bestrafen, da diese nicht willkürlich hervorgerufen werden können. Das können auch Sie nicht. Niemand kann das.

Das geht nicht von heute auf morgen, aber je entspannter und routinierter Sie in Zukunft solche Situation hinter sich bringen, desto mehr wird Ihr Hund Ihnen glauben, dass Hundebegegenungen doch nicht so der Supergau sind. Vielleicht sogar ganz im Gegenteil: "Hundebegegnungen sind ok und lecker, und Frauchen/Herrchen ist supi!"

In diesem Sinne – wie unbedeutend ist so eine Hundebegegnungen (auch wenn sie mal schief geht) doch im Vergleich zu all dem Elend auf dieser Welt! Und geht es doch ganz schön gut, nicht wahr?

145.
„Ich habe einen ängstlichen und unsicheren Hund. Was kann ich machen, um ihm mehr Selbstbewußsein zu geben?“ fragen mich meine Kunden oft.

„Loben.“

Loben für alles, und wirklich für alles. Probieren Sie es aus. Es wirkt Wunder. Ich lobe meine Hunde (verbal) für alles was von ihnen kommt, wenn wir gemeinsam unterwegs sind: Dafür dass sie meine Freunde sind, für’s süß sein, für’s hübsch sein, für’s Schnüffeln, für’s Markieren, für’s Scharren, für’s Betrachten von Dingen, für’s Gehen, für Ihre nie endende Liebe zu mir, für’s lustig sein, für’s Unfug machen, für’s Hund sein, für ihre Existenz- eben für alles.

Loben stärkt das Selbstbewußtsein. Wer wenig gelobt wird, ist wenig wert und fühlt sich wertlos. Und ich lobe meine Hunde für alles was von ihnen kommt. So werden Hunde mutig, so werden sie kreativ, so bieten sie Dinge und Handlungen an, die ihren Ideen entspringen und nicht meinen Ideen. Das stärkt das Selbstbewußsein, das Selbstwertgefühl, das Ego.

Dies wäre bei uns Menschen nicht anders. Wird ein Nobody zum Star, wird er innerlich stark, stolz, souverän und mutig. Er ist plötzlich wer. Er stellt etwas dar. Und das will ich von meinen Hunden. Ich mache sie zu meinen Superstars in meinem Leben. Ich werde zu ihrem Fan, und das macht sie im Gegenzug zu meinen Fans. Wir nähren und beflügeln uns gegenseitig. Jede Sekunde unseres gemeinsamen Lebens. Wir sind glücklich miteinander.

Wer so ist, zu so etwas gemacht wird, zu so etwas wird, der braucht keine Ängste, keine Unsicherheiten und erst recht keine Wut, keine Aggressionen und keinen Hass.

Wozu auch, und zu wem?

Es ist so einfach – probieren Sie es einfach aus. Das Leben ist so schön.

144.
Der Hund wird im Freilauf gerufen – und in dem Moment wo er da ist muss er sich erst hinsetzen, und dann erst bekommt er sein Leckerchen.

Wie kommt man auf so etwas? Warum muss dieses wunderbare Wesen, welches gerade alles für uns hat stehen und liegen gelassen hat, auf unser Geheiß eine von uns verlangte Körperposition einnehmen?

Der Rückruf im Freilauf ist unbestreitbar wirklich wichtig, teilweise sogar lebensnotwendig und sollte so gut es geht klappen. Daher ist es wirklich notwendig vom Hundehalter, diesen nach allen Regeln der Kunst aufzubauen. Ihn so zu gestalten, dass der Hund nicht kommt weil er muss, sondern dass er kommt, weil er will. Wir müssen den Rückruf als ein Mega Event gestalten, als etwas was alles im Freilauf toppt. Party bis der Hund bei Ihnen ist – Loben – Leckerchen. Das Leckerchen ist ein Dankeschön und das finale Argument, für uns alles stehen und liegen zu lassen. Eines von drei guten Gründen immer zu kommen, wenn wir ihn rufen.
Und das soll der Hund für sich im Hinterkopf behalten. Muss das Tier sich jedoch erst mal ordentlich hinsetzen, dann gilt in seiner Welt und in seiner Denke das Leckerchen, also das Dankeschön nur der Tatsache, dass er sich hingesetzt hat. So denken, lernen und verknüpfen Hunde. Abgesehen davon ist zu uns zu kommen doch etwas Tolles – denn er liebt uns und kommt schon allein daher gerne zu uns. Sich hinzusetzen ist nicht sonderlich erstrebenswert – was hat der Hund davon sich vor uns „hinzuknien“ und sich vor uns noch kleiner zu machen, als er es ohnehin schon ist? Nur weil es unserem militärisch strukturierten Ordnungssinn nachkommt? Oder weil „man“ es so macht?
„Damit ich ihn besser anleinen kann.“ Da gebe ich Ihnen einen guten Tipp: In dem Moment wo der Hund kommt, halten Sie ihn einfach am Rückensteg des Geschirres fest und dann fröhlich loben und dann ein Leckerli geben. Dann können Sie ihn immer noch in aller Ruhe anleinen. Selbst wenn gerade eine Katze, ein Reh oder sonstwas Ihren Weg kreuzt, oder Ihre Hände steifgefroren vor Kälte sind.

Und bitte fuchteln Sie nicht mit dem Leckerchen bedeutungsschwer und oberlehrerhaft über seinem Kopf herum, sondern geben Sie es ihm von vorne direkt ins Schnäuzchen. Füttert man von oben, dann bringt man Hunde dazu zu schnappen, anstatt den Leckerbissen vorsichtig aus Ihren Fingern zu nehmen. Erinnern Sie sich an das Spiel "Würstchenschnappen" auf Ihren Kindergeburtstagen...? Eben.

143.
Ich hatte unlängst einen Kurs, in den sich zufälligerweise Teilnehmer verirrt hatten, die genau das Gegenteil von dem erwarteten was ich in meinen Kursen lehre, lebe und verkörpere: Blinden Gehorsam, Leistung, Disziplin und Unterwürfigkeit. Wir hatten unter anderem einen ganz schönen Bummel-Spaziergang bei dem die Kurshunde ganz reizend miteinander spielten. Es waren faire Spiele mit ständigem Rollentausch (mal ist einer der Jäger, mal der andere). Mittendrinnen ein kleines ganz entzückendes Pudelchen, das begeistert mitmachte. In der einen Stunde wurde der Kleine von seiner Halterin ca. 100 mal zurückgerufen, obwohl ich mehrfach erklärte, dass dieser Spaziergang FÜR unsere Hunde sei, und die Teilnehmer ihre Hunde doch bitte nur rufen sollten, wenn sie das Gefühl hatten, dass die Situation eskalieren würde oder die Hunde zu weit weg wären. Mittendrin beschloß die Halterin, dass der Kleine jetzt nicht mehr mitspielen durfte und nahm ihn an die Leine. Traurig musste er zusehen, wie seine neuen Freunde weiterhin Spaß hatten und wurde jedesmal von ihr gemaßregelt, wenn er logischerweise mitrennen wollte, wenn die anderen an ihm vorbeibretterten. Er verstand die Welt nicht mehr und wurde immer trauriger.

Eine sehr souverände Aussihündin spielte mit einem halbjährigen Akitu-Welpen. Irgendwann wurde er ein wenig zu grob, und sie zeigte ihm in Hundesprache durch ein kurzes Hinblaffen, dass sie das nicht möchte - und wurde dafür von ihrem Menschen bestraft.

Disziplin, Gehorsam, Leistung und sportlicher Ehrgeiz oder einfach nur Spaß am Leben und glückliche, kreative Hunde?

Das gemeinsame Leben ist so kurz. Bitte lernen Sie die Welt Ihres besten vierbeinigen Freundes so gut es geht kennen. Lesen Sie Literatur über Hundeverhalten, über die Hundespsyche, befassen Sie sich fachlich mit diesen wunderbaren Wesen, die uns so abgöttisch lieben und uns gefallen wollen. Lassen Sie los. Projezieren Sie Ihren Ehrgeiz auf sich und Ihr Leben und nicht auf das Ihres Schützlings. Erfreuen Sie sich an Ihm und seiner Einzigartigkeit und Sie werden jeden Tag tiefer in sein Wesen und seine Einmaligkeit eintauchen.

142.
„Das ist aber ein gut erzogenener Hund!“ oder „Ein unerzogener Hund kam auf uns zugerannt!“
Was bedeutet eigentlich „gut erzogen“ bzw. „unerzogen“?
Bedeutet unerzogen, dass Hunde ohne unsere menschliche „Erziehung“ und ohne unser Zutun asoziale Wesen sind? Dass Hunde von Natur aus schlecht sind, dass normales Hundeverhalten per se etwas Negatives ist?

Wenn man sich auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Sozialverhalten von Hunden und/oder Wölfen befasst, wird man unweigerlich feststellen, dass deren Sozialverhalten das unsrige um einiges übertrifft. Hunde und Wölfe sind eine friedliebende Spezies. Sie gehen Konflikten aus dem Weg  soweit es möglich ist und wollen einfach ein gechilltes Leben.

Wir Menschen doch eigentlich auch, aber leider sind wir trotz angeblicher Zivilisation noch meilenweit davon entfernt. Obwohl wir - die selbsternannte Krone der Schöpfung doch den Verstand und die Vernunft dazu hätten. Wir könnten uns vom Sozialverhalten der Caniden bzw. der Wölfe eine dicke Scheibe abschneiden.

In den Augen der meisten Menschen ist ein gut erzogener Hund ein Hund, der gelernt hat, Körperpositionen auf Befehl einzunehmen. Und der nicht bellt. Und der gut rückrufbar ist.
Ein angeblich schlecht erzogener Hund ist ein Hund, der bellt, der nicht kommt, wenn man ihn ruft, der aus Eigeninitiative auch mal Spaß hat.

Es sind aber nicht nicht die schlecht erzogenen Hunde die bellen, sondern es sind Hunde, die leicht erregbar sind, die unsicher sind, die gestresst sind, die negative Erfahrungen gemacht haben bei genau diesen Situationen, in denen sie jetzt bellen. Und wer so einen Hund hat, der weiß, wie schwer es ist, ihn zu beruhigen, ihm Sicherheit zu geben. Das hat nichts mit Erziehung zu tun, sondern mit unendlich viel Liebe, Geduld und Einfühlungsvermögen.

Der offensichtig „gut erzogene“ Hund ist in der Regel ein eher gelassener und souveräner Zeitgenosse. Er hat es einfach nicht nötig, ständig um Hilfe zu rufen, also zu bellen. Er läßt sich auch im Freilauf durch nichts aus der Ruhe bringen und kommt daher zuverlässig, wenn man ihn ruft.

Schließen Sie bitte keine Rückschlüsse auf die Erziehung, wenn Sie einem bellenden Hund begegnen oder sehen wie ein Halter versucht seinen Hund zurückzurufen. Dass der Rückruf zu 100% klappt ist utopisch, und je größer die Ablenkung ist, desto schwieriger wird es.

Und rennt ein unangeleinter Hund auf Sie zu, dann liegt es meist nicht am „ungezogenen“ Hund, sondern daran, dass sein Halter ihn gar nicht ruft, bzw. sichert, weil er die Notwendigkeit nicht erkennt. Also ein unerzogener Hundehalter.

Also lieber Leser, bevor sie einen Hund bewerten, den sie treffen, überlegen Sie sich vorab, ob sein Verhalten nicht einen triftigen Grund hat, anstatt ihn in erzogen und unerzogen einzukategorisieren. Es ist ein lebendes und fühlendes Wesen genau wie Sie. Mit den gleichen Emotionen, Empfindungen und Gefühlen wie Sie.

In diesem Sinne, jeder Hund ist anders, sie normen zu wollen ist nicht möglich. 

141.
Ein Hundetrainer, der Gewalt anwendet und bei angeblichen Fehlverhalten straft, sagt damit über sich selber aus: "Mir fällt nichts anders ein. Ich kann es nicht anderes. Ich weiß es nicht besser. Ich habe nie was anderes gelernt. Ich disqualifiziere mich hiermit selber vor meinen Kunden. Und das ist mir nicht mal peinlich. Ich habe mich nie mit Hundeverhalten, Hundepsyche und dem Lernverhalten von Hunden auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigt. Kynologie? - Nie gehört! Ich habe kein Interresse an Wissenschaft und Forschung. Was wirkliche Fachleute herausgefunden haben, will ich nicht wissen. Früher hat man es auch so gemacht. Leinenführigkeit ist nur mit Halsband möglich. Was ich kann, ist lediglich Hunden das Leben schwer zu machen."

Bitte bitte informieren Sie sich über moderne Verhaltenskunde, bleiben Sie immer auf dem neuesten Stand. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich fortzubilden. Und schauen Sie nie weg, wenn Schwächeren Gewalt angetan wird. Weder bei Mensch noch beim Tier. Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört. Zivilcourage sollte oberste Priorität haben. Wer wegschaut ist auch Täter.

Tagtäglich höre ich die schlimmsten Geschichten von meinen Kunden, was sie in Hundeschulen erlebt haben. Und das macht mich unendendlich traurig. Es scheint einem, dass die Menschheit sich zurück entwickelt. Es ist selbstverständlich immer möglich, mit dem besten Freund des Menschen ohne Gewalt (sei sie psychisch oder physisch) in Frieden zu leben. Es ist sogar richtig leicht. Wenn man lernt, diese wunderbaren Wesen, die uns abgöttisch lieben, hinzunehmen mit all ihren Eigenheiten, sie zu verstehen, ihre Emotionen ernst zu nehmen und ihnen Beistand zu leisten, wenn sie Probleme haben.

140.
Hund A an der Leine beschnuppert Hund B an der Leine. Dieser knurrt, weil ihn das nicht gefällt, und wird von seinem Halter fürs Knurren mit einem Leinenruck gemaßregelt. Der Halter von Hund A, reißt seinen Hund zurück, läßt aber daraufhin die Leine genauso lang wie vorher, daher geht Hund A wieder zu dem anderen, und das gesamte Szenario wiederholt sich mehrmals. Sieht man leider immer wieder.

Viele Hundehalter sind unfassbar unklar im Umgang mit Ihren Hunden, erwarten aber vollstes Verständnis und Klarheit seites ihrer Hunde für den menschlichen Kauderwelsch.

Betrachten wir das Ganze doch mal in hündisch: Hund A will Hund B beschnuppern, aber Hund B hat kein Interesse an näherem Kontakt zu dem ihm völlig fremden Hund und wahrt seinen individualbereich mit akkustischer Kommunikation durch Knurren. „Komm mir nicht zu nahe – ich möchte das nicht!“ Das ist nicht aggressiv und auch nicht dominant, sondern das gute Recht eines jeden Wesens. Und auch wir würden es nicht anders machen oder lassen Sie jeden Menschen auf Körperkontakt auf sich zukommen? Hund B wird dafür bestraft, dass er sich schützt. Wie würden Sie es bei Ihrem Kind handhaben, wenn es von einem fremden Menschen angefaßt wird und es schreit: „Fassen Sie mich nicht an!“ Würden Sie es dafür schimpfen, strafen oder maßregeln? Mit Sicherheit nicht.

Wird Ihr Hund belästigt, sei es von einem Menschen oder von einem anderen Hund, dann bitte schützen Sie ihn, und wenn es schon passiert ist, weil Sie nicht aufmerksam genug waren, dann stellen Sie sich bitte auf seine Seite und agieren Sie nicht gegen ihn. Das wäre mehr als unfair. Er hat nur Sie.

Hund A wurde die Leine zu voller Länge gewährt, dann wurde er zurückgezogen, und die gleiche Leinenlänge wurde ihm erneut gewährt, und wieder wurde er zurückgerissen. Lieber Leser, woher soll Ihr Hund denn wissen, dass er die volle Länge der Leine gar nicht nutzen darf? Dazu müsste er ein ziemlich abstraktes Verständnis für unsere Wünsche und Gedankengänge haben. Das können Sie von einem Tier nicht erwarten. Wenn Ihr Hund irgenwo nicht hin soll und Sie haben ihn an der Leine, dann verkürzen Sie doch bitte diese. Es ist so einfach und logisch, und jeder versteht es.

In diesem Sinne, nutzen Sie Ihren Verstand und Ihren IQ und handeln Sie vorrausschauen, denn Sie habe die Aufsichtspflicht.


139.
Leistung - Gegenleistung

„Darf ich ihr ein Leckerchen geben?“ – „Gerne!“
„SITZ!“ – „Sie kennt kein SITZ!“
Will man einem Hund ein Leckerchen geben, um ihm eine Freude zu machen? Eigentlich doch schon, oder?
Warum knüpft man dann sofort eine Bedingung daran? Ist es so schwer einem Wesen einfach eine Freude zu machen?

Unser Hund liebt uns bedingungslos.
Aber das was wir zurückgeben, ist geknüpft an -zig Bedingungen. Wir bekommen 100% reine, bedingungslose Liebe von unserem Hund und erwarten als Gegenleistung blinden Gehorsam, perfektes Benehmen, ja gar ein Tier, welches sich wie ein perfekter Mensch verhält, den es gar nicht gibt.

Wenn Sie jemandem ein Geschenk machen, eine Freude machen, eine kleine Aufmerksamkeit machen, knüpfen Sie dann auch eine Bedingung daran? Oder empfinden Sie hoffentlich selber Freunde beim Schenken? So sollte es doch eigentlich sein, nicht wahr?

138.
Die Kunst auf ein sogenannen Fehlverhalten des Hundes zu reagieren ist, die Ideen die Ihr Hund hat mit einer bessere Idee zu übertrumpfen, und diese dann dem Hund so zu verkaufen als wäre es seine eigene.
Also werden Sie kreativ! 


137.
Die Calming Signals, zu deutsch „Beschwichtigungssignale“ der Hunde, die Anfang 2000 von der norwegischen Kynologin Turid Rugaas aufgezeichnet wurden, bezeichnen eine Fülle von körpersprachlichen Möglichkeiten der Hunde untereinander zu signalisieren, dass sie keine Konflikte wollen.

Hunde haben kein Interesse an Aggressionen und möchten letztendlich nichts anderen als „Friede Freude Eierkuchen“. Lediglich wenn es um Ressourcen oder den eigenen Individualbereich geht, können mal kurzfristig die Fetzen fliegen. Hunde leben autark und gehen einem Streit lieber aus dem Weg. Wir Menschen sind es leider, die die Hunde oftmals unbewußt in Konfliktsituationen hineintreiben, und dann wundern wir uns, wenn der Hund aggressiv wird.

Leider kennen die wenigsten Hundehalter diese Calming Signals. Die Übersetzung „Beschwichtigunssignale“ finde ich persönlich etwas unglücklich gewählt, denn „Beschwichtigen“ würde ja bedeuten, jemandens Zorn zu dämpfen.

Hunde „beschwichtigen“ aber schon weit im Vorfeld, damit erst überhaupt kein Zorn entstehen kann. Und sie beschwichtigen nicht nur ihr Gegenüber, sondern häufig auch sich selber. „Ruhig Blut, alter Junge!“ scheinen sie zu sich selbst zu sagen. Zum Beispiel durch:

Gähnen
den Kopf abwenden
sich abwenden (ganzer Körper)
Züngeln, also sich über die Nase lecken
auf dem Boden schnüffeln (ohne erkennbaren Grund)
Pfote heben
Kratzen
im Bogen gehen
Augenlider leicht senken (kein starrer Blick)
erstarren/einfrieren
langsame Bewegungen
Vorderkörper tiefstellen (sich strecken)
sich hinsetzen oder hinlegen

Sind diese Calming Signals also nur den Hunden vorbehalten?

Nein, ganz und gar nicht. Wir Menschen machen genau das gleiche, auch wir verwenden unbewusst Calming Signals (bei uns heißen sie Verlegenheitsgesten), um uns zu beruhigen, und auch um unbewusst unserem Gegenüber zu vermitteln, dass wir kein Interesse an Aggressionen/Konflikten haben.

Auch wir praktizieren häufig das Verlegenheitsgähnen, oft wenn wir in einer vertrauten Runde Menschen sind, der Gesprächsstoff ausgeht, und um dieses peinliche Schweigen zu umgehen, gähnen wir unbewußt, aber dennoch demonstrativ.

Den Kopf wenden wir zwar eher selten ab, aber den Blick. Sie kennen sicher die Mitmenschen, die einem beim Reden nicht in die Augen sehen. Das ist keine Unhöflichkeit oder Desinteresse, sondern Unsicherheit. Ich hatte neulich ein junges Mädchen als Kundin, die aber tatsächlich so unsicher war, dass sie beim Reden ihren Kopf jedes Mal um 90° Grad wegdrehte, wie wenn sie angestrengt etwas dort in der Ferne suchen würde. Sie hat sich damit selber beruhigt.

Beobachten Sie mal, wie oft ihr Hund sich blitzschnell über die Nase leckt (nicht verwechseln mit dem Lecken über die gesamten Lefzen, was zum Beispiel kurz vor dem Füttern auftritt). Und dann beobachten Sie bitte, wie oft Ihr Hund das als Reaktion auf eine Aktion von Ihnen macht. Zum Beispiel wenn Sie ihm liebevoll den Kopf zwischen Ihren Händen wuscheln. Hunde hassen das in der Regel und beruhigen sich mit dem Lecken über die Nase. Auch wir machen das Gleiche. Ich wollte an einer Kundin, die ihren Hund immer als Lob wuschelte, dies demonstrieren, ihr zeigen, wie eklig sich das anfühlt und wuschelte ihren Kopf. Und wissen Sie, was sie machte? Sie fasste sich blitzschnell an die Nase. Und jetzt werden Sie bitte mal zum Selbstbeobachter: Wir oft fassen Sie sich aus Verlegenheit blitzschnell an die Nase?

Wir schnüffeln zwar nicht auf dem Boden, aber oft schauen wir auf den Boden, zum Beispiel, wenn uns eine Person entgegenkommt, die wir nicht kennen. Unbewußt beschwichtigen wir uns selber und auch die Person. Man schaut nach unten-außen, um auf den anderen nicht bedrohlich zu wirken.

Bogen gehen praktizieren wir ebenfalls, wenn wir einer fremden Person entgegen kommen. Wir wählen unbewußt den größtmöglichen Abstand, wenn die Lokalität es zuläßt. Im Bus, im Lokal, im Wartezimmer positionieren wir uns nie direkt neben eine andere Person, sondern wir halten unbewußt den größtmöglichen Abstand. Um Konflikte zu vermeiden.

Auch wir kratzen uns, um uns und andere zu beschwichtigen. Zum Beispiel am Kopf, auch wenn es uns gar nicht juckt oder wir gerade nicht nachdenken.

Auch wir setzen uns manchmal hin, um uns selber zu beruhigen. Genau wie Hunde. Sie machen es, um sich selber zu beruhigen. Mit einer der vielen Gründe, warum ich zum Beispiel keine Kommandos verwende oder fordere. Ein Hund setzt oder legt sich aus freien Stücken hin, um sich selber zu beruhigen. Zwinge ich ihn in so eine Position, ist das nur eine Äußerlichkeit. Seine Emotion, beispielsweise Unruhe oder Unsicherheit ändere ich damit in keinster Weise. Daher funktionieren solche Kommandos gerade in Erregung nie.

Lieber Hundehalter, ich empfehlen Ihnen dringend das Buch „Calming Signals“ von Tudrid Rugaas, das ist eine Pflichtlektüre für jeden Hundehalter und natürlich auch für jeden Hundetrainer. Ich bin immer wieder erstaunt bei meinen Vorträgen, wie viele Hundetrainer noch nie davon gehört haben.

In diesem Sinne – bleiben sie friedlich.
Ihrem Hund und Ihren Mitmenschen gegenüber.


136.
Gerne wird ein Hund als dominant bezeichnet, der sein Futter, sein Spielzeug, seinen Schlafplatz oder gar sich selber verteidigt.
Lieber Leser, das hat nichts mit Dominanz zu tun, sondern ist lediglich ein ganz normales Verteidigen von Ressourcen. Eine lebenswichtige Strategie, die dem Überleben dient. Denn wer seine Ressourcen teilt, der bleibt auf der Strecke. Wer seine Beute (Spielzeug) teilt, der könnte unter Umständen verhungern. Wer seinen Schlafplatz verliert, könnte zuwenig Schlaf bekommen.
Wer seinen Individualabstand nicht verteidigt, der könnte verletzt werden.

Wölfe sind Familientiere, Hunde nicht.

Ein Wolfsrudel besteht aus Mama, Papa und den Welpen der ersten und zweiten Generation, die jeweils bis zum zweiten/dritten  Lebensjahr, also bis zur Pubertät bei der Familie bleiben. Eine Familie hält zusammen und bildet ein Miteinander. Niemals ein Gegeneinander. Hier sorgen die Stärkeren für die Schwächeren, also die Älteren und Lebenserfahreneren für die Jüngeren. Hier wird fair geteilt.

Der Hund ist aber kein Wolf. Hunde sind keine Familientiere. Straßenhunde bilden keine Rudel, sie leben autark. Wie Katzen. Bei ihrer Suche nach Futter ist sich jeder der Nächste. Wer zuerst auf der Müllhalde einen Leckerbissen findet, der beansprucht ihn auch für sich. Der ist aber deswegen nicht dominant und erst recht nicht Chef über all die anderen Straßenhunde auf dieser Müllhalde, sondern einfach nur hungrig und hatte das Glück, dieses Futter zuerst gefunden zu haben.

Auch wir Menschen teilen nur mit denjenigen, die uns sehr sehr nahe stehen. Wären wir in Not, würde uns selbst das ein Stück Überwindung kosten. Im Prinzip teilen wir Menschen äußerst ungern. Zu groß ist die tiefliegende Angst, dass uns etwas weggenommen wird, selbst wenn wir im Wohlstand leben. Wir verteidigen unsere Nahrung, unsere Ressourcen, unser Heim, unseren Lebensraum und selbstverständlich auch unseren Individualbereich. Fühlen wir uns deswegen alle dominant? Wohl kaum. Dann müsste ja jeder dominant sein.

Daher bitte ich Sie, lieber Hundehalter: Ihr Hund handelt nicht anders, als Sie handeln würden. Daher besteht keinerlei Grund, ihn als dominant zu bezeichnen. Er legt ein völlig nomales Verhalten an den Tag. Kein Grund, ihn zu schimpfen, zu maßregeln oder zu strafen.

An Buffets bin ich gerne die Erste und häufe mir den Teller übervoll. Und ich hasse es, wenn mir dann jemand in meinen Teller mit der Gabel reinpiekt und gleichzeitig fragt: "Darf ich mal?" - "Nein!"
Bin ich deswegen dominant?

135.
Auch das ist Auslastung: Der 6 Monate alte Borderrüde Baylie betrachtet in Ruhe einen Nandu (Laufvogel).

DAS ist Kopfarbeit, und wenn man ein Hundekind (und natürlich auch einen erwachsenen Hund) in so einer Situation nicht weiterzerrt, sondern ihn in Ruhe seine Eindrücke machen lässt, dann lässt ihn das reifen, das lässt ihn erwachsen werden, das läßt ihn gelassen werden, das lässt ihn weise werden.

Und wir gehen erst dann weiter, wenn ER es will, und nicht wenn wir es wollen. Es ist SEIN Spaziergang!

Und nicht WIR zwingen in ins SITZ!, sondern ER setzt sich aus eigenen Stücken hin, um sich besser konzentrieren zu können.

Würde ihm mulmig werden, dann fordern wir ihn freundlich verbal und körpersprachlich auf, sich mit uns vom Reizauslöser zu entfernen, und schon steigen wir in seinen Augen in der Coolheitsliste, im Ranking "Bestes Frauchen/Herrchen der Welt!"


134.
Hunde bellen

Das ist ihre Sprache. Die Kuh macht muh, die Katze miau, Pferde wiehern, Vögel zwitschern, Kröten quaken.
Wir erfreuen uns an Tiergeräuschen. Nur wenn der eigene Hund bellt, werden wir wütend.

Ist es nicht verrückt, dass man allen Tieren und auch uns die eigene Spache zugesteht, nur die Sprache unseres besten vierbeinigen Freundes ertragen wir nicht? Bellen gehört zum Hund sein dazu. Und das wußten wir doch bevor wir uns einen Hund ins Haus holten. Oder war es für Sie vollkommend überraschend, als Ihr Hund das erste mal bellte?

Wann und warum bellen Hunde eigentlich?

Zum einen bellen sie, wenn sie positiv erregt sind, sprich beim Spielen, und da finden wir es ja scheinbar noch ok. Wir pushen ihn hoch, und er bellt.

Außerdem bellt er, wenn er spürt, dass es raus geht, wenn wir „Gassi“ gehen wollen. Oder wenn Futterzeit ist. Und da fängt es uns schon an zu nerven.

Vor allem aber bellt er, wenn er negativ erregt ist.
Zum Beispiel, wenn er meldet. Im Haus oder im Garten. Wenn er seinen Job als lebende Alarmanlage verrichtet. Den Job, den er seit 15.000 Jahren brav verrichtet, den Job, wegen dem unter anderem unserer Vorfahren Hunde zu sich geholt haben. Er sagt zu uns: „He, da is wer! Mach das weg!“ Er warnt uns, damit wir und unser Heim nicht in Gefahr geraten.

Außerdem bellt er, wenn er Angst hat, wenn er unsicher ist, wenn er nervös, wenn er gestresst ist, wenn es ihm nicht gut geht, wenn er sich bedroht, bedrängt oder belästigt fühlt.

Er bellt, wenn er negativ erregt ist. Und wir Hundehalter strafen ihn dafür. Wir strafen ihn dafür, dass es ihm nicht gut geht.
Wie kommt man darauf, seinen Schützling dafür zu strafen, dass es ihm nicht gut geht?
Macht man das bei seinen Mitmenschen, bei seinen Freunden, Partner, Kindern auch so? Ist denen damit geholfen?

Wäre es nicht viel naheliegender, jemanden zu beruhigen und zu trösten, der gestresst ist, der sich unwohl fühlt, der in Not, in Bedrängnis ist?

Wie würde es Ihnen gehen, wenn Ihr Partner Sie dafür strafen würde, wenn Sie gestreßt sind, wenn Sie Angst haben, wenn Sie sich unwohl fühlen?
Was macht einen guten Freund aus? Richtig – dass dieser da ist, wenn man ihn braucht, dass er einen ernst nimmt, für einen Verständnis hat.

Ist es wirklich so schwer, dies an das Wesen weiterzugeben und ebenso zu handhaben, welches Sie abgöttisch liebt, welches für Sie da ist, welches niemanden auf der Welt hat außer Ihnen?

Sind Sie in Not, haben Sie doch unendlich viele Menschen, an die Sie sich wenden können. Freunde, Bekannte, den Partner, Eltern, Verwandte, Internet-Ratgeber, Therapeuten und so weiter.

Ihr Hund hat niemanden außer Ihnen.

Bitte nehmen Sie Ihren Hund und seine Gefühle ernst. Gefühle zu bestrafen ist nicht möglich. Und Hunde haben die gleichen Gefühle und Emotionen wie wir.

Bitte beruhigen Sie Ihren Hund, wenn er seine Sprache spricht und bellt, anstatt ihn dafür zu strafen.

133.
Ich sitze im Hundehotel beim Abendessen, müde und hungrig vom Unterrichten den ganzen Tag.
Neben mir ein Paar mit einem Setter, die ihrem Hund ungelogen 30 Minuten ohne Pause SITZ!PLATZ! in der Endlosschleife befahlen, was der zunehmend gestresste Hund natürlich nicht befolgen konnte.

„Entschuldigung, könnten Sie bitte damit aufhören, ich möchte in Ruhe essen, das stört total!“ sagte ich freundlich.
Die beiden waren erstaunt, entschuldigten sich, hörten auf - und schon lag der Hund.

Warum?

Die beiden haben in dem Moment losgelassen. Innerlich. Und das getan, was sie ursprünglich im Restaurant tun wollten, nämlich sitzen und essen. Wie zu Hause.
Auch das käme niemand auf die Idee, ständig SITZ! und PLATZ! zu befehlen, denn der Hund kuschelt sich von alleine dazu, wenn die Familie am Tisch sitzt.

Sind Sie in einem Restaurant, dann setzen Sie sich doch einfach an einen ruhigen Tisch, halten Sie die Leine kurz, entspannen Sie sich und widmen Sie sich der Speisekarte, dem Essen oder Ihrem Partner, und Sie werden sehen, wie schnell ein Hund ohne menschliche Befehle zur Ruhe kommen kann.
Genau wie zuhause.

Es ist so einfach.

132.
"Ich mag seine ruhige Energie", sagte eine Hundehalterin in einem der Hundehotels in dem ich arbeite zu mir, als es im Gespräch um einen TV-Hundetrainer ging.
"Würden Sie lieber von einem eiskalten Killer bedroht werden oder von einem wütenden Killer?" war meine Antwort.

Bedrohung ist Bedrohung. Und Bedrohung macht Angst. Im schlimmsten Fall Todesangst. Können Sie unter Todesangst lernen? Nein, mit Sicherheit nicht, denn das kann niemand. Unter Todesangst kann man nicht mal mehr richtig von falsch, erwünscht von unerwünscht oder gut von schlecht unterscheiden. Das Streßhomon Cortisol macht sich im ganzen Körper breit und hat nur einen Effekt: Angriff, Flucht, Erstarren oder völlig unkontrolliert Rumhibbeln. Keiner diese Sitationen erlaubt messerscharfes Nachdenken oder Konzentration. Man ist nur noch darauf bedacht, sein Leben zu retten, bzw. so unversehrt wie möglich zu bleiben.

Wenn keine dieser 4 Möglichkeiten mehr machbar ist, dann tritt die sogenannte erlernte Hilflosigkeit ein. Man ist gebrochen. So funktioniert Folter. Unter Folter hat man im Mittelalter unschuldige Frauen dazu gebracht, dass sie zugegeben haben, Hexen zu sein. Denn der "erlösende" Tod auf dem Scheiterhaufen war erstrebenswerter als diese nicht endende Folter. Reitelefanten werden so lange gefoltert, bis sie aufhören sich zu wehren und damit wissen, dass sie keine Chance gegen den Menschen haben. Zirkustiere werden gefoltert, obwohl sie stärker sind als wir, bis sie erniedrigende Kunststücke ohne aufzumucken auf Befehl zeigen. Weil sie gebrochen sind.

Straft ein Hundehalter oder ein Hundetrainer einen Hund, indem er ihn in Todesangst versetzt (da reicht schon die "Alpharolle" oder der Nackengriff), ist dieser Hund gebrochen. Dies wird zunächst dazu führen, dass er das unerwünschte Verhalten durch Passivität nicht mehr zeigt. Aber der Schuß kann nach hinten losgehen, und der Hund könnte eines Tages mit der Faust auf den Tisch hauen und alles Erfahrene zurückgeben. Erlittene Gewalt erzeugt weitere Gewalt. Und dann müsste man noch mehr Gewalt anwenden, und diese Spirale wird nie ein Ende nehmen.

Daher bitte ich Sie: Anstatt unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, zeigen Sie doch bitte Ihrem Hund, welches Verhalten Sie statt dessen von ihm wünschen. Denn er kann nicht Ihre Gedanken lesen. Und wenn Sie das nicht schaffen, dann holen Sie sich einen Experten, der Ihnen hilft. Aber lesen Sie auf seiner Webseite zwischen den Zeilen. Selbst wenn er den Terminus "gewaltfrei" verwendet, dann lernen Sie zwischen den Zeilen zu lesen. Stehen da Schlagworte wie "Rudel", "vom Wolf abgeschaut", Hierarchie", "Leitwolf", "Chef", "Alpha", "Rangordnung", "Dominanz", "Disziplin", "Verhalten korrigieren" oder rühmt er sich gar, seine Methode von Hunden abgeschaut zu haben, dann lassen Sie besser die Finger davon. Ebenso, wenn im Training auf Halsband bestanden wird. Allein daran sehen Sie, dass er es nicht mal schafft, einen Hund ohne Zuhilfenahme von Schmerzen leinenführig zu machen.

In diesem Sinne - Seien Sie wachsam

131.
„Und wenn er dann an dem Hund vorbeigegangen ist und nicht gebellt hat, bekommt er ein Leckerli.“

Oder wahlweise: „Wenn er brav war, bekommt er ein Leckerli.“

Sind Sie sicher, dass ein Hund diese „Belohnung“ versteht? Ein Leckerli dafür, dass er nichts getan hat, dass er etwas nicht getan hat? Das möchte ich hiermit ganz schnell widerlegen:
Sie dürfen Ihrem Hund so viele Leckerlis geben wie Sie möchten, keine Frage. Aber Leckerlis fürs Nichtstun ist sicher nett gemeint, aber letztendlich nichts anderes als Hunde füttern. Ein Hund versteht eine Belohung nur, wenn sie inerhalb von ein, zwei Sekunden nach einer Handlung erfolgt, aber nicht für eine nicht vollzogene Handlung.

Da bei Mit Hunden Sein den Hunden nichts beigebracht wird, sie also nicht dressiert werden, bräuchte ich im Prinzip keine Leckerlis. Und dennoch nutze ich sie sehr häufig. Zum Beispiel für den Rückruf. Als Dankeschön dafür, dass meine fünf Hunde all ihre augenblicklichen Interessen beiseite gestellt haben und für mich alles stehen und liegen gelassen haben. Die Hunde so fröhlich wie möglich zu rufen, sie anzufeuern, bis sie bei mir sind, sie dann zu streicheln, zu kuscheln, zu verzärteln und ihnen dann als Krönung dieses Szenarios abschließend ein Leckerli direkt ins Schnäuzchen zu geben, das ist für die Hunde einfach klasse. Das verstehen sie mit Sicherheit nicht als Belohnung, aber in ihrem Kopf ist dadurch, dass ich dies IMMER so handhabe, unwiederruflich festgesetzt. „Gerufen werden ist MEGA!“
Spiel – Spaß – Spannung und Schokolade!
Das sehen meine Hunde nicht als Belohnung, sondern als einen Bestandteil einer großen Rückrufparty. Meiner Rückrufparty für sie. Meine exklusive One-Woman-Show, erste Reihe, Freikarten für meine Hunde!
Gut, ich war früher Schauspielerin... aber ich wette, das können Sie auch!

Und ich verwende Leckerlis, um Hunden unangenehme Momente zu versüßen. Um Negatives in Positives zu verwandeln. Um gute Fee für sie zu spielen.
Ein Leckerli hilft einem unsicheren Hund, seine Unsicherheit zu überwinden, sofern er in einer solchen Situation Futter nimmt. Aber da helfen Berührungen und liebevolle Worte ebenso.
Und ein Leckerli hilft, einem wütenden Hund den Wind aus den Segeln zu nehmen, seine Wutauslöser in etwas Positives zu verwandeln. Sofern er in einer solchen Situation Leckerlis nimmt. Bringt ihn beispielsweise der Anblick eines anderen Hundes in Rage, so konditionieren wir ihn um, und er erwartet beim Anblick eines Hundes etwas Positives, in dem Fall ein schmackhaftes Leckerchen bzw. ruhige, sanfte Worte. Und verknüpft somit andere Hunde mit etwas Schönem. So einfach geht das.

Seien Sie schlau – seien und werden Sie kreativ.
Das Leben mit Hunden ist so spannend und lehrreich.

130.
Lernen durch Nachahmen...

... ist die leichteste Art zu lernen. Jedes Individuum lernt unentwegt durch Nachahmen, zum Teil sogar unbewusst. Man muss nicht üben, nichts wiederholen, braucht keine Trainingseinheiten, keine Lehrstunden, kein Zuckerbrot und Peitsche, keinen Drill, kein Pauken, kein Studieren, kein Aneignen, kein Beibringen.

Lernen durch Nachahmen. Das ist mit Hunden Sein.

Will ich einen ruhigen entspannten Hund, dann muss ich lernen, ruhig und entspannt zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen freundlichen und ausgeglichenen Hund, dann muss ich lernen, freundlich und ausgeglichen zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen achtsamen Hund, dann muss ich lernen, achtsam zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen höflichen Hund, dann muss ich lernen, höflich zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen sensiblen Hund, dann muss ich lernen, sensibel zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen Hund, der gechillt an der Leine läuft, dann muss ich lernen, ebenso gechillt am anderen Ende der Leine zu laufen – in jeder Situation.

Will ich einen Hund, der bei Hundebegegnungen völlig gelassen ist, dann muss ich lernen, bei Hundebegegnungen völlig gelassen zu sein – in jeder Situation.

Will ich einen Hund, der nicht bellt, wenn er gestresst ist, dann muss ich lernen, umso leiser zu sein – in jeder Situation.

Lernen durch Nachahmen. Und schon ahmen Sie und Ihr Hund sich gegenseitig nach – in jeder Situation.

Das ist Mit Hunden Sein. Dazu braucht man keine Kommandos, keine Strafe, kein Schimpfen, kein Stimme erheben, kein NEIN!AUS!PFUI!

Und es ist so viel einfacher und logischer als man denkt.

In diesem Sinne - Nutzen Sie Ihre Weisheit, Ihre Lebenserfahrung, Ihr Vermögen, Ihre Fähigkeiten und Ihr Können.

129.
„Keine Strafe ist Lob genug!“

So dachte man früher. Und heute?
Der Trend geht genau dahin zurück. Man sieht wenige Hundehalter, die Ihren Hund loben. Befehle werden erteilt, und es wird stillschweigend zur Kenntnis genommen, wenn sie ausgeführt werden.

Werden Sie gerne gelobt? Mit Sicherheit! Jeder wird gerne gelobt. Es motiviert, sport an, stärkt das Selbstbewußtsein, macht stolz, glücklich und froh, und der Lobende wird gemocht. Der Lobende scheint plötzlich vom „Befehlshaber“ zu einem Fan zu werden. Und für seine Fans tut man doch alles, nicht wahr?
Lassen Sie doch Ihre Hunde zu ihren Fans werden. Und machen Sie sich zum Fan Ihrer Hunde. Jeder eines jeden Fan! Absurd? Ganz und gar nicht.

Ich lobe meine fünf Hunde für alles, um es mal ganz ordinär zu sagen: Für jeden Furz den sie lassen. Ich lobe sie für jedes Pipi, für jedes Häufchen, fürs Schnüffeln, fürs Markieren, fürs süß sein, fürs hübsch sein, natürlich füs in meiner Nähe sein, fürs Herkommen, wenn ich sie rufe, fürs gehen, fürs laufen, fürs rennen, fürs Anschauen, für ihre Existenz als Solche.

Und was ist der Effekt davon? Natürlich – dass sie stets in meiner Nähe sein wollen, dass sie nicht den Blick von mir ablassen wollen, dass sie mich – ihren Fan – ständig in ihrer Nähe haben wollen, dass sie stolzer werden, glücklicher, selbstbewußter und freudiger. Und dass wir eine Gemeinschaft werden, die täglich enger zusammenwächst. Und eine Gemeinschaft hält zusammen.

Ist das nicht mehr als erstrebenswert? Was will man mehr? Das ist eine perfekte Freundschaft. Und für einen Freund geht man durch Dick und Dünn.

In diesem Sinne - Probieren Sie es aus. Sie werden erstaunt sein, was sich da in Ihrer Beziehung noch zum Positiven ändert.


128.
„Man kann in Hunde nichts hineinprügeln, aber vieles herausstreicheln."

Diesen Spruch hat sicher jeder Hundehalter schon einmal auf seiner Facebookseite gepostet.

Wie so viele schöne Sprüche rund um den Hund, die in Facebook umhergehen. Romantisch, nicht?

Aber werden diese Sprüche auch wirklich nicht nur gelesen, sondern auch beherzigt?

Ist nicht gerade dieser Spruch normalerweise Stein des Anstoßes für geteilte Meinungen rund um den Umgang mit dem angeblich besten Freund des Menschen?
Dabei ist er so wahr und letztendlich nichts anderes als die Lösung für alle Probleme, die man mit seinem Hund hat.

Ja, man kann alles aus seinem Hund herausstreicheln! Man kann wirklich alle Probleme damit lösen!

Hootchie-Cootchi (das ist übrigens die korrekte Schreibweise), Wattebäuschchenwerfer, Leckerliwerfer, Gutmenschen sind dann die entsprechenden Schimpfwörter, unter denen man sich für einen liebevollen Umgang mit seinem Hund rechtfertigen muss.

Problemhunde werden nicht als Solche geboren, sie werden dazu gemacht. Und zwar immer und ausnahmslos von uns Menschen. Es gibt keine Hunde, die von Natur aus aggressiv sind, es gibt keine Hunde, die von Natur aus böse sind, es gibt keine Hunde, die von Natur aus ängstlich sind, und es gibt auch keine Red Zone Hunde. Alles ein Machwerk des Menschen, der es tatsächlich schafft, aus einem hochsozialen, denkenden, fühlenden, fröhlichen, ihn liebenden und von ihm abhängigen Tier ein Stückchen Elend zu schaffen.

Ein Hund kommt unbedarft auf die Welt und lernt in den ersten 12 Wochen von seiner Mama und in den Interaktionen mit seinen Geschwisterchen, wie so ein Hund zu sein hat. So ist es bei fast allen Tieren. Sie lernen durch Abschauen. Eine sehr leichte Art des Lernens. Eine Tiermutter braucht kein Zuckerbrot und Peitsche. Die Kinder schauen ihr Verhalten einfach ab. Und sie lernen durch die Elternliebe, was Schutz, Liebe und Obhut bedeutet.
Und dann kommt der Mensch ins Spiel. Und will aus diesem kleinen heranreifenden Wesen, welches wenn es Glück hatte, bis zum Ende der Sozialisierungsphase bei der Mama bleiben durfte, ein Ebenbild von ihm machen. Ein Ebenbild welches perfekter als er selber sein soll. Er sieht sich selber als perfekt an, aber sein Hund muss noch perfekter sein.
Und angesport von all den vielen Meinungen, die so unter Hundehaltern existieren wird mit Zuckerbrot und Peitsche gearbeitet. Und der Hund erfährt das erste Mal, wie es ist, gestraft zu werden. Er erfährt, wie der Mensch, den er über alles liebt, der eigentlich seine Elternposition einnehmen sollte, sich immer mehr gegen ihn stellt und dass dieser nie auf seiner Seite ist, wenn er ihn am meisten braucht.

Und so wird aus Unsicherheit Angst, aus Angst Wut, aus Wut Aggression, und das ganze Unheil nimmt seinen Lauf.

Der Hund wendet sich immer mehr innerlich von seinem Menschen ab, weil er weiß, dass er von diesem keinen Rückhalt bekommen wird und lernt, dass er sich selbst am nächsten ist, dass er all seine Probleme, Sorgen und Nöte selber regeln muss, denn sein einziger Sozialpartner agiert gegen ihn, anstatt mit ihm zu kooperieren, ihn zu schützen, ihn ernst zu nehmen, seine Sorgen und Nöte auf sich zu nehmen.
Denn genau das wäre unsere Aufgabe als Hundehalter.

Durch die Domestizerung haben wir Menschen bei den Hunden wirklich so etwas wie einen Elternstatus inne, und Hunde haben zu uns eine emotionale Abhängigkeit entwickelt wie kein anderes Haustier.

Lernt der Mensch endlich, die Emotionen seines Hundes ernst zu nehmen, anstatt sich über ihn zu erheben und ihn als „schlecht erzogen“ abzustempeln, wäre es der normale und natürliche Weg, ein ängstliches, wütendes und auch ein aggressives Tier zu beruhigen. Das kann man wunderbar mit Streicheln, mit Futter und mit liebevollen Worten handhaben, aber mit Sicherheit nicht mit Strafen, Schimpfen, Ignorieren oder körperlicher Gewalt.

Bitte stehen Sie Ihrem Hund bei, wenn er Probleme hat. Sie sind der einzige Sozialpartner in seinem kurzen Leben. Er hat nur Sie. Und die Lösung seiner Probleme – die letztendlich dann auch Ihre Probleme sein werden – liegt an Ihrer Fähigkeit zur Empathie, liegt an Ihrem Verstand, der für Probleme gewaltfreie Lösungswegen findet und liegt in Ihrem Herzen. Es ist so einfach.

127.
Angst

"Auf keinen Fall trösten, das bestätigt ihn in seiner Angst!"

Das denkt fast jeder Hundehalter und sehr viele Hundetrainer leider immer noch.

Wie kommt es zu diesem Irrtum? Weil es vermutlich irgend jemand gesagt hat, der immer noch an die Dominanz-Theorie glaubt und demzufolge absolut kein Wissen über Kynologie hat.

Hunde sind uns Menschen so ähnlich, sie fühlen wie wir, freuen sich wie wir, leiden wie wir, empfinden Schmerzen wie wir. Kein Wunder, dass der Hund als der beste Freund des Menschen gilt. Er liebt und liest uns Menschen wie kein anderes Haustier, ist empathisch wie kein anderes Haustier.
Wir leben mit einem Hund in einer Symbiose.
Wenn wir es wollen.
Leider will das nicht jeder.
Viele Hundehalter kennen sicherlich die Situation, dass man selber traurig ist, und der Hund dann die Nähe des Menschen sucht und ihn tröstet, wie auch immer man das auslegen will. Wie fühlt sich das an?

Nun kommt es zuweilen vor, dass ein Hund Angst hat. Wovor spielt keine Rolle. Jeder Mensch hat das Recht vor irgendetwas Angst zu haben, sei es für uns nachvollziehbar oder nicht. Was hilft einem in so einer Situation mehr, als ein guter Freund, der uns in so einer Situation beisteht. Sei es eine uns bevorstehende Operation, eine Spinne, eine wackelige Hängebrücke, eine Achterbahnfahrt, eine Gruppe betrunkener Hooligans, ein heftiges Gewitter oder sonst was. Warum um alles in der Welt sollte man dann seinem Hund nicht beistehen, ihm Kraft, Trost, Unterstützung, Ruhe und Stärke geben, wenn er Angst hat? Warum sollte es seine Angst verstärken? Wie soll das biologisch zu erklären sein? Angst verstärken und belohnen.

Was macht die Hundemami, wenn sich die Babys fürchten? Richtig - sie steht ihnen bei, gibt ihnen Schutz, Wärme, Stärke und Sicherheit. Sie nimmt sie unter "die Fittiche". Bestärkt sie sie damit in ihrer Angst? Kuscheln sich die Welpen an die Mami um ignoriert zu werden?

Bitte bitte, wenn Sie das nächste mal im Wartezimmer des Tierarztes sitzen und Ihr Hund Angst hat, unruhig ist, zittert oder winselt nützt ein barsches SITZ! oder PLATZ! oder diverse Leinenrucks mit Sicherheit nichts, und Ihr Hund wird auch kaum SITZ! oder PLATZ! machen. Berühren Sie ihn, streicheln sie ihn sanft und sagen Sie ein paar nette, ruhige Worte. Das Bindungs-und Kuschelhormon Oxytozin, das dadurch beim Hund produziert wird, ist ein wunderbares Beruhigungsmittel und das stärkt die Beziehung und schafft Vertrauen.Es ist so einfach.

Und wenn es draußen blitzt und donnert, und Sie dies und/oder den Hund ignorieren wird Ihr Hund Sie für blind, taub und stumm halten. Und für sehr inkompetent. Schließt man sich so einem Volldeppen an?
Sucht Ihr Hund Ihre Nähe, dann gewähren Sie ihm diese und verfahren wie oben. Das gibt Sicherheit und läßt Sie im Ansehen des Hundes steigen. Versteckt er sich, bleiben Sie in seiner Nähe und sagen Sie auch hier ab und zu ein nettes, ruhiges Wort. Das tut allen Beteiligten gut.

Hat Ihr Hund sich verletzt, dann trösten Sie ihn mit ruhigen, liebevollen, sicheren Worten, aber bitte fangen Sie nicht an, mit fistliger, überlüfteter, hoher Stimme an: "Ooooh, Du Armer, hast Du Dich verletzt? Hast Du ein Aua? Ohhhhhh wehhhhhhhh!" Denn so ein Tonfall zeigt dem Hund Ihre eigene Unsicherheit und Hilflosigkeit in einer solchen Situation. Er denkt, Ihnen geht es genauso schlecht. Und das ist kein Trost und keine Hilfe. Hier liegen kleine Feinheiten im Unterschied zwischen trösten und trösten. Aber auch dieses Beispiel ist für den Hund keine Bestätigung.

Wenn man nach der Meinung vieler also nicht trösten, nicht beistehen darf, wie sollte es dann nach Meinung der Ewiggestrigen sein, wenn der Hund im Sterben liegt? Ignorieren? Nicht dass er noch denkt, er würde sonst Chef sein.

Warum darf man Pferden und anderen Tieren gut zureden, wenn sie sich fürchten? Da sagt niemand was dagegen. Die großer Furcht vorm Hund, der doch noch die Weltherrschaft übernehmen möchte?

Bitte: Nehmen Sie die Angst Ihres Hundes immer ernst. Sie möchten doch auch, dass man Ihre Gefühle ernst nimmt, oder?

126.
Der Leinenruck

Ist die wohl ab häufigsten angewendete physische Strafe. Fast jeder macht ihn – den Leinenruck. Vorwiegend Hundehalter, die ihren Hund am Halsband führen. Kein Wunder, denn er soll ja wehtun. Beobachten Sie sich doch einmal selber. Wie oft am Tag kommt bei Ihnen der Leinenruck zum Einsatz? Machen Sie ihn bewußt, oder gehören Sie zu den Hundehaltern, die den Leinenruck schon unbewußt ständig machen?

Der Leinenruck wird angewendet, wenn der Hund an der Leine zieht, ja selbst wenn er nur die ihm gewährte Länge der Leine ausnutzt, wenn er an der Leine eine andere Richtung einschlägt, wenn er bellt, wenn er knurrt, wenn er an Hinterlassenschaften von Kollegen schnüffelt, wenn er vom Boden etwas aufnehmen will, wenn er nicht ständig Blickkontakt hält, wenn er zu Kollegen hin will, also eigentlich bei allem, was eben Hunde so machen, was der Hundehalter nicht will.

Es soll weh tun, daher wird der Leinenruck auch entsprechen hart vollzogen. Können Sie sich vorstellen, wie sich ein Handkantenschlag gegen Ihre Luftröhre anfühlt? Dann wissen Sie wie sich ein Leinenruck für Ihren Hund anfühlt.

Ihr Hund weiß nicht, wofür Sie ihn strafen, denn er hat im Moment des Leinenrucks -zig Assoziationen und Eindrücke. Alles könnte in Frage kommen, warum er plötzlich diese Schmerzen hat. Strafe ist für einen Hund sehr schwer zu verstehen, denn das was er in dem Moment tut, ist für ihn schlüssig und logisch. Dass ihm ein Schlag gegen die Luftröhre widerfährt, und dass dieser von seinem geliebten Menschen kommt, muss er erst mal verknüpfen. Und dann muss er auch noch erraten für was er denn eigentlich gestraft wurde, denn wie gesagt: Er handelt im besten Wissen und Gewissen. Woher soll ein Hund wissen, dass nach vorne gehen falsch ist, dass Schüffeln und Markieren falsch ist, dass seine Sprache falsch ist, dass so Vieles was er in seinem Hundeleben macht falsch ist? Ein Leinenruck bewirkt wie jede Strafe einfach nur Streß, Angst und Unsicherheit. Kann man in solch einem Stadium lernen? Strafe funktioniert nur dann, wenn man hart genug straft. Wollen Sie das wirklich? Was kommt, wenn der Leinenruck nicht wirkt? Das Würgehalsband? Der Endloswürger? Das Stachelhalsband? Das Stromhalsband? Wenn Sie nur hart genug strafen, dann haben Sie einen gebrochenen Hund. Ein Hund, der für sich gelernt hat, dass alles was er aus Eigeninitiative macht, falsch ist und bestraft wird. Ist das wirklich erstrebenswert?

Wäre es nicht viel sinnvoller als ständig zu strafen, dem Hund zu zeigen, was man denn eigentlich von ihm möchte? Hunde wollen gefallen, wollen gerne etwas richtig machen, wollen uns erfreuen, also geben wir uns doch die Mühe und zeigen ihm, was sinnvoll ist und was es alles für wunderbare Alternativen zu den Dingen gibt, die er machen möchte, die uns aber nicht gefallen. Es ist und bleibt ein Tier, dass sich gerne dem Menschen anschließt, aber niemals ein perfekter Mensch sein wird. Ein perfektes Tier ist er bereits, dafür hat die Natur gesorgt.


125.
Müssen Hunde Grenzen kennen? Müssen Sie Regeln einhalten?

Unsere Hunde haben keinerlei Vorstellungen von unseren Regeln und Grenzen. Sie leben in einer Hundewelt, und in dieser Hundewelt ist alles was sie machen perfekt und richtig. Sie haben keine Vorstellung von unserer gesellschaftlichen Moral und Gesetzesgebung, keine Vorstellung von dem was wir Menschen für richtig und falsch erachten, keine Vorstellung von Recht und Unrecht.

„Der weiß genau, dass er das nicht darf!“ prahlt der stolze Hundehalter.
Nein, er weiß es nicht, er weiß nur, dass sein Mensch ihn häufig schimpft oder straft und hat für sich den Rückschluß gezogen, dass ein Meideverhalten besser ist als unangenehme Konsequenzen.

„Dem müssen Grenzen gesetzt werden, der muss Regeln einhalten!“ Lieber Leser, bitte überschätzen Sie Ihr Tier nicht und bitte vermenschlichen Sie ihn nicht durch solche Sprüche. Es ist und bleibt ein Tier mit dem IQ eines zweijährigen Kindes (das ist nicht meine Erfindung, sondern wissenschaftlich erwiesen). Und ich setze sogar noch eines drauf: Mit dem IQ und dem Gemüt eines zweijährigen autistischen Kindes. Auch dieses lebt in seiner eigenen Welt, in der alles was es tut seine Richtigkeit hat. Aber mit zwei Jahren hat man auch noch keine Vorstellung wie ein perfekter erwachsener Mensch zu funktionieren hat, wie unsere Gesellschaft so tickt und was für Normen und Moralvorstellungen sie hat.

Die Grenzen die ein Hund einem anderen verdeutlicht ist lediglich: „Kommt mir nicht zu nahe, ich möchte nicht, dass Du meinen Individualbereich überschreitest!“ und „Dies ist meine Ressource, und ich bin bereit sie zur verteidigen!“
Nicht anders machen wir übrigens auch in unserem Leben.

Unsere Hunde erfahren einige Grenzen, nämlich dass sie gelegentlich an der Leine geführt werden, dass die Leine ein Ende hat, dass die Haustür zu ist, und dass der Garten einen Zaun hat, dass der Kühlschrank zu ist, die Futterbox nicht zu erreichen ist, und und und. Durch Try and Error lernen sie für sich, wo und wie diese Grenzen sind. Aber das sind Grenzen, die wir ihnen nicht beibringen müssen, sondern das sind Erfahrungen, die unsere Hunde machen. Solche Erfahrungen machen sie ihr ganzes Leben lang, das müssen wir weder andressieren noch beibringen, noch üben. Auch wir machen viele Erfahrungen im Leben. Jeden Tag aufs Neue.

Und die erzieherischen Grenzen, die unseren Hunden ständig gesetzt werden, werden nie nachhaltig sein. Dass ein Hund nicht jagen geht, kann der Hundehalter per Leine, per Schleppleine oder per Rückruf erreichen, aber niemals kann er von einem Hund erwarten, dass dieser sich auf seine gute Erziehung besinnt und beschließt, dass Jagen in der Menschenwelt unmoralisch ist.

Dass ein Hund keine Leute anspringt, kann man wunderbar situativ per Rückruf regeln oder indem man die Leine kurz hält, wenn man sich mit jemandem unterhält, den der Hund üblicherweise anspringen würde. Alles was ein Hund macht, was man in dem Augenblick nicht möchte ist wunderbar per Rückruf zu regeln. Setzt man dem Hund damit eine Grenze? Situativ ja, aber das ist doch keine Erziehung oder ein Regelwerk sondern normales Handling im Alltag.

Jeder Hundehalter kann entscheiden, was er mit seinem Hund gerade vorhat. Grenzen setzen? Er kann entscheiden, ob sein Hund an der Leine einen anderen angeleinten Hund beschnüffeln darf. Aber die Grenze dazu, und dass dies ein NO GO ist muss der Hundehalter wissen, bzw. regeln. Oder dass er seinen Hund anleint, wenn ein anderer angeleinter Hund entgegen kommt. Diese Grenze muss der Hundehalter lernen und der Hundehalter muss wissen, dass der Hund solche Höflichkeiten nie verstehen und von alleine umsetzen wird, vor allem, wenn er das Interesse hat, diesen Hund zu beschnüffeln.

Wir müssen uns Grenzen setzen und abschätzen: „Wie komme ich mit meinem Hund in der Gesellschaft an?“ Was kann ich meinen Mitmenschen oder Mitgeschöpfen zumuten und was nicht. Ist es nicht vielmehr so, dass wir uns über das nicht umsichtigen Verhalten der anderen Hundehalter aufregen und nicht über deren angeblich „schlecht erzogenen“ Hunde?

Daher bitte seien Sie unsichtig, wenn Sie mit Ihrem Hund hinaus gehen, achten Sie liebevoll auf ihn und auf Ihre Mitmenschen, kennen Sie Ihre Grenzen im Umgang mit Ihren Mitmenschen, aber bitte erwarten Sie nicht, dass Ihr Hund (Ihre) Grenzen samt Ihrem Regelwerk auswendig kennt und aus eigener Initiative von sich aus befolgt.

In diesem Sinne, seien Sie ein achtsamer Hundehalter und stets freundlich und umsichtig im Umgang mit anderen.
124.
In der Tierklinik in Oberhaching bei München sind die Wartebereiche getrennt: Einer für Hunde und einer für Katzen. Da ich fünf Hunde habe und bei so vielen Tieren natürlich immer irgendwas ist, halte ich mich primär im Hundebereich auf.

Meine Hunde finden Tierarzt immer cool und nutzen den Wartebereich für ein kleines Nickerchen. Die Szenen um uns herum sind immer gleich: Gestresste, nervöse und ängstliche Hunde. Kein Wunder, denn fast jeder Hund weiß aus Erfahrung, dass das was ihn gleich erwarten wird, nicht sonderlich angenehm sein wird. Und was macht fast jeder Hundehalter? Richtig: SITZ! PLATZ! mit strengem Ton in der Endlosschleife, unterbrochen von diversen Leinenrucks und Runterdrücken des Hundehinterteils.

Liebe Leser, auch wenn Ihr Hund in der Hundeschule die Kommandos für einschränkende Körperpositionen gelernt hat, so wird er diese mit Sicherheit in einem Zustand von Stress, Angst, Aufregung und Nervosität nicht ausführen. Das kann er nicht, denn sein Körper ist angefüllt vom Stresshormon Cortsol, welches ihn fluchtbereit macht. Doch die Leine hintert ihn daran, was für ihn schlimm genug ist. Anstatt, dass er bei seinem Menschen, seinem einzigen Sozialpartner Schutz, Sicherheit, Nähe und Zuspruch bzw. Trost findet, fegt dieser gnadenlos über seine Emotionen hinweg und befiehlt ihm ungeachtet dieser gefälligst bewgungslos zu bleiben, was er aber nicht kann. So schaukeln sich Mensch und Hund immer höher.

Ich gehe in solchen Situationen immer demonstrativ mit gutem Beispiel voran und beginne, meine Hunde, obwohl sie in keinster Weise aufgeregt sind, zu streicheln, zu beschmusen, zu betüddeln und liebevoll mit ihnen zu reden.

Dann erlebe ich immer etwas ganz Besonderes: Je länger und intensiver ich diese Show vor all den Wartenden abzuziehe, desto schneller sehe ich, wie die anderen Hundehalter plötzlich auch, erst schüchtern und vorsichtig und dann immer offensichtlicher es mir gleichzutun, und plötzlich werden alle Hunde immer ruhiger, und die gesamte Stimmung im Wartezimmer immer entspannter. 
So einfach ist es. Lernen durch Nachahmen. Funktioniert bei Mensch und Hund gleichermaßen gut.

Gestern war ich mit meiner Katze im Wartebereich für Katzen, wo sich ein völlig anderes Bild zeigt: Jeder Katzenbesitzer tröstet und streichelt seine kläglich maunzende Katze und legt sich ins Zeug, das ängstliche Tierchen zu beruhigen. Natürlich. Was sonst macht man, um ein nervöses Tier zu beruhigen? Da käme niemand auf die Idee, seinen Vierbeiner anzuherrschen.

In diesem Sinne - stehen Sie Ihrem Hund bei. Ob ängstlich, aufgeregt, gestresst oder nervös. Sie sind sein einziger Sozialpartner und haben eine Verantwortung.
123.
Pferdeflüsterer - Hundeflüsterer

Was für zauberhafte Bezeichnungen für Menschen, die eine scheinbar einzigartige Verbindung mit einem Tier eingehen können. Menschen, die etwas an sich haben, das einem scheinbar in die Wiege gelegt wurde. Jemand, der sich scheinbar wortlos mit Tieren unterhalten kann, in dessen Gegenwart scheinbar jede noch so wilde Bestie zum Lämmchen wird.

So viele Male das Wort „scheinbar“?

Doch genannter Schein trügt. Wer sich ein bißchen mit dem Verhalten, mit der Kommunikation, mit Kynologie, mit Hippologie, mit der Körpersprache, mit dem Wesen des Tieres beschäftigt, wird die sogenannten "Flüsterer" durchschauen und entzaubert feststellen: Hier wird gar nicht geflüstert - ganz im Gegenteil. Diese selbsternannte Art von Flüsterei basiert einzig und alleine auf das Ausüben von Druck.

Statt Peitsche und Sporen zu verwenden, man will ihm ja nicht weh tun, scheucht man das Pferd statt dessen solange auf einem eingezäunten Platz im Kreis herum, der keine Rückzugsmöglichkeit zulässt, bis das Pferd sich in seiner Auswegslosigkeit dem Menschen zuwendet und somit psychisch gebrochen ist und aufgibt. „Jetzt schließt er sich dem Menschen an“. Kennt man beim Menschen von sogenannten Stockholm-Syndrom. Durch vehementes Rückwärtsschicken kann man sich sehr schnell als der dominante Herrscher über sein Pferd aufspielen. Ist das wirklich Flüstern? Und vor allem: Wo ist der Unterschied zwischen dem physischen und dem psychischen Brechen eines Pferdes? Keiner! Gebrochen ist gebrochen. Warum ist diese Blenderei so schwer zu durchschauen? Weil Menschen sich gerne von Äußerlichkeiten blenden lassen und nicht wirklich in die Tiefe schauen können. Sehen diese „beflüsterten“ Pferde glücklich aus? Stolz? Voller Energie? Oder sehen sie so aus, wie sie sind: Arme gebrochene Wichte anstelle von wirklichen edlen Rössern? Erlernte Hilflosigkeit, und diese stellt sich bei fast allen Pferden ruckzuck ein. Wollen wir das? Ist das wirklich Flüstern? Ist das wirklich eine Fähigkeit?

Ähnlich ist es beim Hund. Das Zusammenleben mit einem Hund ist scheinbar vom ersten Tag an sehr kompliziert. Daher bestellt man schon mal ein Jahresabo bei der Hundeschule nebenan, und nach einem Jahr hat sich immer noch nicht viel getan. Da kommt der nette Herr aus dem TV gerade recht. Unglaublich, was er schafft: Menschenmeuchelnde Bestien sieht man da auf dem Bildschirm, und der Hundeflüsterer macht ein paar kleine Bewegungen, das Ganze untermalt mit Filmmusik, die in Horrorfilmen ihresgleichen sucht, und schon liegt der beflüsterte Hund scheinbar entspannt am Boden und hält scheinbar ein kleines Nickcherchen. Schon wieder so viele „scheinbars“? Fortan nennt sich jeder Hundetrainer Hundeflüsterer, egal wie er arbeitet. Und erst recht die Kollegen im Fernsehen. Da will keiner zurückstecken. Jeder will „Hundeflüsterer“ heißen. Um das Ganze kurz zu machen: Auch hier werden Hunde gebrochen, und das ist so was so einfach, das kann jeder nachmachen.
Ist das Flüstern?

Wo ist eigentlich bei beiden der Unterschied, also beim Pferde- und Hundeflüstern im Vergleich zu der Art und Weise wie man früher mit diesen Tieren umgegangen ist? Früher wurden beide Spezies genauso gebrochen, wie heutzutage. Mit dem großen Unterschied: Diejenigen, die das heute wieder (und die Betonung liegt auf „wieder“, denn es wurde nicht neu entdeckt) so handhaben sind mittlerweile Stars. Die die das früher so handhabten kannten es einfach nicht anders. Denn früher waren Tiere nichts wert. Ging der eine oder andere dabei drauf, war das eben Pech. Nur ein Viech!

Wäre es nicht langsam an der Zeit, wirkliches "Flüstern" zu lernen? Zu lernen, auf Tiere einzugehen? Sie zu respektieren für ihre Einzigartigkeit. Sie zu lieben und so zu nehmen wie sie sind? Uns von ihnen verzaubern zu lassen? Uns in ihre Welt einladen lassen? Es ist machbar, aber dazu müssen wir wegkommen von der üblichen Denke, uns über ein Tier zu erheben. Wegkommen von Ehrgeiz und Wollen. Und in der Demut beginnen. Und die ist das Gegenteil von der Hochmut.

In diesem Sinne: Lernen Sie wirkliches Hundeflüstern... es ist so einfach, und der Schlüssel dazu liegt in Ihrem Herzen, Ihrem Bauchgefühl und in Ihrem logischen und gesunden Menschenverstand. Lassen Sie sich nie etwas einreden, was dagegen spricht.
122.
NEIN!

Können Sie NEIN! sagen?

Ja sicherlich! werden Sie jetzt sagen.

Unterschätzen Sie das nicht. Es gibt viele Menschen, die das nicht können, und das ist keine Seltenheit.

Sie haben Angst. Angst davor, als unfreundlich zu gelten. Angst davor, nicht akzeptiert zu werden, abgelehnt zu werden. Angst davor, unangenehme Reaktionen zu erhalten. Angst davor, als egoistisch zu gelten. Angst davor, dass der andere gekränkt werden könnte oder beleidigt sein könnte. Angst davor, sich rechtfertigen zu müssen.

Aber zu Ihrem Hund sagen Sie doch ständig NEIN!, nicht wahr? Ganz ohne ein schlechtes Gewissen. Zig mal am Tag. Macht er wirklich in Ihren Augen so viele Fehler in seinem kleinen Hundeleben?
Oder haben Sie gar versäumt, ihm auf verständliche und für ihn nachvollziehbare Art und Weise zu zeigen, was Sie denn nun eigentlich von ihm wünschen und erwarten?
Geben Sie Ihrem Hund doch bitte die Chance etwas richtig zu machen, anstatt Ihm ständig seine Fehler aufzuzeigen. In seiner Welt sind diese angeblichen Fehler das Vernünftigste und Logischste, was er in diesem Moment machen kann. Er lebt in einer Welt mit anderen Maßstäben als denen von uns in dieser Gesellschaft.
Bieten Sie ihm für sein angebliches von Ihnen bezeichnetes Fehlverhalten ein Alternativverhalten an. Ein Alternativverhalten, welches für ihn genauso Sinn macht wie sein angebliches Fehlverhalten. Und dafür loben Sie ihn dann bitte.
Loben sie ihn für dieses Alternativverhalten und verkaufen Sie ihm Ihre Idee als die Seine. DAS ist nachhaltig, DAS stärkt die Bindung, DAS läßt ihn wachsen, DAS läßt ihn Ihnen zuhören, das läßt ihn reifen, das schweißt Sie beide zusammen.

Und dennoch: Lernen Sie NEIN! sagen.

NEIN! zu dem Hundehalter, der seinen angeleinten Hund zu Ihrem angeleinten Hund zum Beschnuppern lassen will.
NEIN! zu dem Hundetrainer, der Ihren Hund straft oder Ihnen weis machen will, dass ein entspanntes Miteinander nur über Strafe, Maßregeln, Bedrohen, Erschrecken und Schmerzen geht.
NEIN! zu dem Tierarzt, der Ihnen erzählt, dass Sie Ihren Hund nicht trösten dürfen, weil das angeblich seine Angst bestärken würde.
NEIN! zu einem anderen Hundehalter, der Ihnen die seit 40 Jahren wissenschaftlich widerlegte Dominanz-, Alpha- und Rudelführertheorie reindrücken will.
NEIN! wenn es gegen Ihren Hund geht. Er ist Ihr Schützling.

In diesem Sinne – man lernt nie aus

121.
Warum es absolut kontraproduktiv ist, einen aggressiven Hund zu strafen.

Hunde haben von Natur aus kein Interesse an Aggressionen. Sie sind extrem friedliebende Tiere und gehen Konflikten aus dem Weg, wo immer es möglich ist. Dafür hat ihnen die Natur eine Fülle von körpersprachlichen
Kommunikationsmöglichkeiten gegeben, die sogenannten "Calming Signals", die "Beschwichtigungssignale", die von der Norwegerin Turid Ruugas 2001 in einem gleichnamigen Buch zusammengefasst und veröffentlicht wurden. Diese Calming Signals dienen unter anderem dazu, dem Gegenüber zu signalisieren: "Ich habe kein Interesse an Konfrontationen."
Auch wir senden unbewußt eine Fülle von ähnlichen körpersprachlichen Signalen aus, wir nennen es oft "Verlegenheitsgesten".
Auch das sogenannte Unterwerfen des Hundes, also das sich auf den Rücken legen (welches immer freiwillig gemacht wird!) hat nichts mit einem angeborenen Hang zum Masochismus zu tun, sondern dient einfach nur dazu, eine friedliche Stimmung zu vermitteln, fast vergleichbar mit einem Hippie, der grinsend das Peacezeichen mit den Händen zeigend seine Friedfertigkeit demonstrieren will. Make love – no war.

„Aber es gibt doch so viele aggressive Hunde“, werden Sie jetzt zurecht sagen.

Ja, und diese aggressiven Hunde sind vom Menschen zu dem gemacht worden, was sie jetzt sind. Zum Beispiel indem man sie sich ständig gegenseitig an der Leine beschnüffeln läßt. Beide Hunde wissen, dass sie im Falle eines Falles keine Chance zur Flucht haben, bzw. sie im Vorfeld gar nicht erst dem Kollegen aus dem Weg gehen können, um eventuelle auftretende Konflikte zu vermeiden. Bevor der andere sich als Aggressor herausstellt, ergreift man lieber als Erster die Initiative und greift seinerseits an. So hat man im Notfall die besseren Karten.

Oder in den berühmten Welpenspielstunden, wo die lieben Kleinen zur angeblichen Sozialisierung alles unter sich ausmachen sollen und der Hundehalter auf keinen Fall einschreiten und zur Hilfe kommen darf. So lernen Hunde, dass Mobbing Spass macht, ein gutes Gefühl macht, und die gemobbten Hunde wiederum lernen, dass sie von ihrem Menschen nie Hilfe erwarten können und schützen sich ab sofort selber. Indem sie sicherheitshalber alles was entgegen kommt durch lautes Bellen oder Scheinangriffe versuchen einzuschüchtern. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Oder die Hunde, die Ihren Individualbereich nicht schützen dürfen. Zum Beispiel durch Knurren oder Abschnappen, wenn ihnen ein Kollege zu nahe kommt. Bedenken Sie, liebe Leser und vor allem Leserinnen, wie es Ihnen in so einem Fall gehen würde. Erinnern Sie sich an die berühmte Armlänge Abstand? Auch Ihr Hund hat das Recht auf Abstand, und das müssen Sie ihm erlauben in seiner Sprache zu kommunizieren. Das hat nichts mit Aggression zu tun. Würden Sie sich für einen aggressiven Menschen halten liebe Damen, wenn eine fremder Mann auf Sie zukommt, Ihnen an die Brüste fassen will mit den Worten: „Darf ich mal?“ und Sie ihm eine Ohrfeige verpassen würden? Das ist keine Aggression, das ist Selbstschutz.

Und wenn nun der Hundehalter in genau den gerade beschriebenen Situationen seinen Hund dafür maßregelt, genau dann entsteht Aggression seitens des Hundes. Genauso basteln Sie sich einen aggressiven Hund. Zuerst noch im Ansatz. Aber dann hat der Hundehalter in der Regel die Unart entwickelt, den eigenen Hund für das Wahren seines Individualbereichs und für das Vermeiden von Schmerzen und Verletzungen zu bestrafen. Durch einen Leinenruck, ein NEIN! AUS! PFUI!, ein Anzischen, einen Tritt, das Stechen der Finger in seine Seite. Und das sind noch die harmlosen Varianten einer Fülle von Strafen, die sich Hundehalter ausdenken, bzw. sich durch Gehirnwäsche von Hundetrainern und anderen Hundehaltern einleuchten lassen.

Und jetzt beginnt der eigentliche Teufelskreis: Der Hund wird fehlkonditioniert: Mit jedem Anblick eines anderen Hundes assoziiert der eigene Hund Angst vor Verletzung, Bedrohung oder gar Tötungsabsicht seitens des anderen Hundes plus der nicht minder entsetzlichen Strafe durch den einzigen Sozialpartner, den er in seinem kleinen Leben hat: Seinen Menschen. Also eine doppelte Bedrohung. Er assoziiert Schmerzen beim Anblick des anderen Hundes, die nicht mal dieser sondern der eigene Mensch ihm zugefügt hat. Und wie wird ein Lebewesen, welches Schmerzen hat?
Richtig – zur Bestie. So funktioniert zum Beispiel Stierkampf. Dem Stier ist doch erst mal völlig egal, dass da dieses lustig gekleidete Männchen mit einem Stück Stoff wedelt. Es sind die Schmerzen des ersten Einstichs, die ihn in die Wut und in die Raserei treiben. Wie reagieren die meisten Menschen, die Schmerzen haben? Sie werden wütend.

„Und wie komme ich mit meinem Hund jetzt aus dieser Spirale wieder heraus?“, werden Sie fragen. Es ist so einfach, und es liegt auf der Hand: Nein, nicht indem Sie Ihrem Hund nach TV-Trainer-Manier noch mehr Schmerzen, Bedrohungen und Ängst angedeihen lassen, sondern indem Sie noch mal ganz von vorne anfangen, und genau das machen, was Sie von Anfang an hätten machen sollen: Ihren Hund ernst nehmen, ihm Schutz, Sicherheit, Beistand und Ruhe geben, ihn beruhigen, wenn er aufgeregt oder gestresst ist und ihn sicher und schmerzfrei an Ihrer Seite durchs Leben führen.

Ihr IQ ist höher als der Seine – nutzen Sie ihn.


120.
„Man muss den Hund schon immer noch wie einen Hund behandeln!“,

hört man oft, wenn es um einen liebevollen, achtsamen und respektvollen Umgang mit dem besten Freund des Menschen geht.

Was wollen diese Personen, die solche Texte verwenden, damit eigentlich aussagen?

Warum sollten wir einen Hund denn nicht menschlich behandeln?

Was bedeutet eigentlich „menschlich“?

Menschlich bzw. human bedeutet: Barmherzig, gütig, freundlich, sozial, nett, zuvorkommend, gutherzig, hilfsbereit, mild.
Durchwegs positive, erstrebenswerte Eigenschaften, also genau das, wie ein Mensch sein sollte. Und das was ihn ja letztendlich angeblich vom Tier unterscheiden soll. Somit unterstellen Hundehalter, die die Menschlichkeit dem eigenen Hund vorenthalten wollen, dass der angebliche beste Freund des Menschen so eine Behandlung nicht verdient hätte.

Aber mit welchem Argument?

Ist ein Tier es nicht wert, dass man es barmherzig, gütig, freundlich, sozial, nett, zuvorkommend, gutherzig, hilfsbereit und mild behandelt? Immerhin haben wir es doch zu uns geholt und versuchen doch die ganze Zeit, einen besseren Menschen aus ihm zu machen, nämlich ein Wesen mit Tugenden, also moralisch definierten positiven Eigenschaften wie guten Manieren, Benimm, Gehorsam, Disziplin und dem Bewußtsein über Recht und Unrecht.

Und spätestens da fangen wir doch an, einiges durcheinander zu bringen: Wir erwarten vom Hund menschlichen Eigenschaften, aber Menschlichkeit soll ihm nicht entgegengebracht werden?

Warum?

Weil wir etwas Besseres sind? Weil wir die selbsternannte Krone der Schöpfung sind und uns über alles erhaben fühlen? Weil wir es genießen, stärker zu sein, die Macht über Schwächere zu haben? Eine Antwort auf diese Frage wird es nie geben, denn der Mensch als solches ist und wird immer ein undurchschaubares Wesen sein. Letztendlich auch nur ein Tier, ein Säugetier. Aber leider ein Säugetier, das grausamer ist als jedes andere Tier auf diesem Planeten. Und viele beglückwünschen sich auch noch gegenseitig zu dieser Tatsache.

Doch wir sind nicht fremdbestimmt. Jeder einzelne von uns hat den freien Willen zu bestimmen, dass er sich nicht einreihen will in Unmenschlichkeit Tieren gegenüber.

In diesem Sinne – "vermenschlichen" Sie Ihren Hund, verwöhnen Sie ihn und bieten Sie ihm das schönste Leben. In ca. 15 Jahren ist er sowieso nicht mehr bei Ihnen.

119.
Bella! Hierher! Sitz! Und bleib!“ blaffte ein Hundehalter in einem der österreichischen Hundehotels in denen ich regelmäßig Kurse abhalte, seine Labbidame an, während er sich im Hotelgarten die Sonne auf die Nase scheinen lies. Und im nächsten Satz sagte er liebevoll zu seinem kleinen Enkel: „Komm Maximilian, setzt sich doch a bisserl her zu mir! Sei so lieb.“

Ist es nicht merkwürdig, dass dieser barsche Militärton dem eigenen Hund gegenüber nicht auszumerzen ist? Fällt es so schwer, das geliebten Haustier, dem angeblich besten Freund des Menschen in dem selben liebevollen Ton anzusprechen wie einen geliebten Menschen? Sind Hunde es nicht wert, dass man sie liebevoll anredet? Gerade wenn man sie angeblich liebt? Gerade wenn man weint, wenn sie mal sterben?

Woher kommt das? Warum ist das in den meisten Hundehaltern so tief verankert? 100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg, als der Hund in den Militärdienst mit einbezogen wurde und man daher wie bei den Soldaten Kommandos verwendete? Weil man es in der Hundeschule oder durch Nachahmen anderer Hundehalter abgeschaut hat? Aber mit welchem Anliegen? Machen wir alles nach, was andere vormachen? Ohne zu reflektieren? Trotz unseres hohen IQ?

Warum sprechen so viele Hundehalter mit keinem Mitmenschen und mit keinem anderen Haustier so barsch, so streng, wie mit ihrem Hund? Pferde, Katzen, Vögel, Meerschweinchen...alle werden mit schmeichelnder Stimme gerufen, sonst würden sie nicht kommen. Glauben Sie wirklich, dass Sie mit so einem schnoddrigen Ton für Ihren Hund eine Alternative sind, wenn Sie ihn im Freilauf rufen, und er gerade etwas vorhat, was Sie vielleicht nicht möchten? Wie würden Sie einen geliebten Menschen rufen, wenn Sie etwas von ihm möchten?

In diesem Sinne - Der Ton macht die Musik

118.
Mein Hund mag keine Kinder“, hört man sehr oft.

Aber woran liegt das eigentlich?

Sie müssen sich vorstellen, dass wir Erwachsene schon unglaublich unklar sind. Unsere gesprochenen Worte und unsere Körpersprache sind häufig völlig konträr. Wir sind unachtsam, unwirsch, oft viel zu schnell und absolut nicht im Hier und Jetzt.

In all dieses Punkten sind Hunde uns um Längen voraus. Wir könnten so viel von ihnen lernen. Wenn wir es wollten. Doch in der Regel spielen Menschen gerne als Lehrer ihrer Hunde auf.

Viele Hundehalter schaffen es nicht mal, ihren Hund so zu streicheln, dass er es als angenehm empfindet. Gerade wenn  als Lob gestreichelt wird: Da wird mit dem Finger auf die Nase getippt, der Kopf gewuschelt, der Unterkiefer in die Hand genommen und gezupft, die Flanken geklatscht, und der arme Kerl kommt gar nicht mehr aus dem Beschwichtigen raus, so genervt ist er.
(Schauen Sie sich mal das Foto genau an.)

Hunde haben den ganzen Tag Zeit uns zu studieren und schaffen es tatsächlich mehr oder weniger aus unserem Kauderwelsch halbwegs für sie verständliche Informationen herauszuziehen. Sie analysieren unsere menschliche Körpersprache, unsere gesprochenen Worte, unsere Mimik und unsere Emotionen.

Auch da sind sie uns um Längen voraus. Nicht annähernd können wir ihnen diesbezüglich das Wasser reichen. Die meisten Hundehalter und vor allem so gut wie alle Hundetrainer machen sich leider nicht mal die Mühe, sich mit Hundeverhalten und der Körpersprache der Hunde auf moderner wissenschaftlicher Ebene zu befassen.

Und nun zu Kindern: Kinder sind in ihrer Körpersprache noch sehr unklar, da sie diese im Laufe der Jahre durch Abschauen bei den Eltern nach und nach lernen müssen. Ihre Stimmen sind häufig schrill, ihre Bewegungen abrupt, schnell und tollpatschig, ihre Emotionen überschwänglich in alle Richtungen.

Das wirkt auf viele Hunde sehr bedrohlich, da sie Kinder dadurch grundsätzlich schwer einschätzen können.
Und auf Bedrohung können Hunde mit Aggression reagieren. Aggression kommt immer aus einer Unsicherheit heraus. Der Hund schützt sich und seine Gesundheit, seine körperliche Unversehrtheit. Ein ganz normales Verhalten.

Leben in einem Haushalt Kinder und Hund zusammen, kann ein weiteres Problem hinzukommen: Kinder lieben Tiere und haben das Bedürfnis ihren vierbeinigen Freund, wann immer ihnen danach ist, zu streicheln, zu berühren, zu umarmen, hochzuheben, das weiche Fell zu spüren. Hunde brauchen ca. 20 Stunden Schlaf am Tag. 20 Stunden! Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um 20 Stunden Tiefschlaf, sondern um eine gesunde Mischung aus Tiefschlaf und Ruhen. Möglichst aber nicht in Einsamkeit, sondern unter unserer Obhut.
Kinder können das nicht nachvollziehen, sie wollen ja mit dem Streicheln und dem Umarmen dem Hund und natürlich auch sich etwas Gutes tun.

Liegt aber ein Hund in seinem Körbchen oder auf seinem Schlafplatz und wird immer wieder angegrabscht, ist das für ihn etwas sehr Indiskretes. Er hat ein Recht auf einen Individualbereich, genau wie wir, genau wie jedes andere Lebewesen. Und wird dieser Individualbereich immer wieder überschritten, wird er irgendwann mal sinnbildlich mit der Faust auf den Tisch hauen und sagen: „Frechheit!“ Und eben zuschnappen. Zu recht!

Es die Pflicht der Eltern, den Kindern zu erklären, dass der Hund, wenn er liegt tabu ist, und dass er nur angefasst werden darf, wenn er von sich aus kommt.

Und bitte lassen Sie ihren Hund draußen nicht von Kindern anfassen. Er ist kein öffentliches Spielzeug, kein Allgemeingut, und sein Körper gehört ihm.

117.
Spielzeug

Das Gerücht, dass Hunde nur an Ihr Spielzeug dürfen, wenn der Mensch es erlaubt, hält sich leider auch immer noch.

Da werden von vielen Hundetrainern Ängste geschürt, der Hund würde dominant werden, wenn er sich aus der Spielzeugkiste selbst bedienen dürfte. Er würde sich als Rudelführer sehen, wenn er seine Beute behalten dürfte.

Lieber Leser, es ist das Spielzeug Ihres Hundes. SIE haben es ihm gekauft, und SIE haben es ihm geschenkt. Warum sollte er nicht darüber verfügen dürfen?

Würden Sie es bei einem Kind ebenso machen? Mit Sicherheit nicht.

Woher die panische Angst, dass eines der beliebtesten Haustiere, der „beste Freund des Menschen“ nur darauf lauern würde, die Herrschaft über uns zu übernehmen?

Sollte Ihr Hund seine Ressourcen, also sein Spielzeug verteidigen, dann ist es sein gutes Recht. Es gehört ihm. Geschenkt ist geschenkt – wiederholen ist gestohlen. Wollen Sie sich wirklich als Ressourcenkonkurrent vor Ihrem Hund verkaufen? Was würde er daraus lernen? Dass Sie sein „Chef“ sind oder dass Sie sein Feind sind? Das Verteidigen von Ressourcen, sprich Futter, Spielzeug oder Schlafplatz hat nichts mit Rangordnung oder Hierarchien zu tun, sondern mit der persönlichen Wichtigkeit eben dieser Dinge. Abgesewhen davon: Hund und Mensch bilden kein Rudel, Pferd und Mensch keine Herde und Wellensittich und Mensch keinen Schwarm.

Also kämpfen Sie bitte nicht gegen Ihren Hund, sondern nutzen Sie Ihre Weisheit und Ihren deutlich höheren IQ, indem Sie beispielsweise Ihrem Hund ein Tauschgeschäft anbieten, sollten Sie aus irgendeinem dringlichen Grund an seine Ressourcen heran müssen. Wiener Wurst gegen das Abendessen, ein Stückchen Bergkäse gegen den Kauknochen, ein Stückchen Leberkäse gegen den Lieblingsball. So einfach und unspektakulär ist das.

Bitte lassen Sie Ihren Hund in seiner Spielzeugkiste wühlen, wie auch Sie es als Kind durften und erfreuen Sie sich an dem Anblick und daran, welches Spielzeug wohl heute das favorisierte ist und was er wohl damit anstellen wird.

116.
„Meiner ist ein totaler Balljunkie!“

„Falsch! SIE haben Ihren Hund zum Balljunkie gemacht!“

Was für einen riesen Spaß haben Hundehalter, Ihrem Hund unermüdlich Bällchen und Stöckchen zu werfen. Immer und immer wieder.
Und was für einen riesen Spaß hat der Hund, unermüdlich dem Bällchen und Stöckchen nachzurennen. Immer und immer wieder.
Nie scheint er müde so werden.
„Der hat so einen Kondition, so eine Ausdauer“, sagt der Hundehalter anerkennend und stolz, „der könnte das ohne Ende machen.“

Lieber Leser, ist es wirklich so erstrebenswert, einen Hund darauf hin zu trainieren, im Freilauf sein Glück, seinen Spaß weit in der Ferne zu suchen und sich zu holen? Weit weg von seinem Hundehalter.
Ist es wirklich erstrebenswert, ihm beizubringen, allem was sich von ihm schnell wegbewegt, hinterherzuhetzen und dann reinzubeißen?
Wollen wir wirklich einen Hund der sich genau bei so etwas seinen Kick, seinen Thrill holt, der seinen Adrenalispielgel immer mehr und mehr steigen läßt? Hetzen und Jagen als eine Idee der Auslastung? Ihm zu zeigen, dass er nur auf große Distanz mit uns Spaß haben kann?

Haben Sie schon mal einen Hund beobachtet, der so so kreativ ist, und sich selber seine Stöckchen selber schmeißt? Das kann er mit Begeisterung machen, aber in der Regel macht er das drei, vier mal, und dann ist auch wieder gut.
Aber nein – sein Mensch findet, dass das noch lange nicht genug ist und wirft nun dem Hund noch mal sein Spielzeug. Und noch mal. Und noch mal. Ja Wahnsinn, das scheint ihm ja immer mehr Spaß zu machen! Toll, wie er rennt, wie er nie müde zu werden scheint. Der braucht ja viel mehr Gelegenheiten zum Auspowern! Besser man kauft sich gleich so eine Ballwurfschleuder, dann geht es noch weiter, noch schneller noch höher. Da ist doch der Beweis: Hunde muss man auspowern! Wird einem ja im TV-Hundetraining auch ständig erzählt.


Und genau das Gegenteil passiert: In so einem Fall der Erregung produziert der Körper eines Hundes das Hormon Adrenalin, Cortisol, Serotonin und Dopamin. Und das verleiht Flüüüüüüüüüügel....

Und das braucht sehr lange bis es abgebaut wird. Stellen Sie es sich vor wie ein Partygänger, der Partys nur auf Koks genießen kann. Kokain oder auch Ecstasy hilft dem Körper weit über seine Grenzen hinauszugehen. Man kann eine ganze Nacht durchfeiern, ohne eine Spur von Müdigeit und ist super gut gelaunt. Na, und sollte die Wirkung doch nachlassen, zieht man sich einfach sein nächstes Näschen rein, und ist wieder „supi gut drauf“.

Und so fühlt sich dieser Hormoncocktail für unsere Hunde an. Sie können nicht mehr aufhören, können nicht mehr auf ihre eigenen körperlichen Grenzen hören und rennen und jagen und hetzen und rennen und jagen und hetzen. Aufhören wäre langweilig, also weiter! Wirf noch mehr, Mensch! Und das tun wir, weil es uns und unserem Hund ja ganz offensichtlich große Freude bereitet. Und der ist mittlerweile randvoll mit „Koks“, mit Hundekoks. Und er wird nach mehr verlangen. Und noch mehr. Und am Tag drauf noch mehr. Bloß nicht runterkommen von diesem geilen Trip! Da wird Herrchen nicht unkreativ. Es geht weiter mit dem abendlichen gemeinsamen Joggen, aus dem dann das abendliche Rennradfahren wird, und das Ganze potenziert sich immer mehr hoch.

Je mehr Sie Ihren Hund auspowern, desto mehr Action wird er brauchen. Sie beide geraten in einen Teufelskreis, der kein Ende mehr zu nehmen scheint.

Liebe Leser, ich hatte in all den Jahren bei den Hunden meiner Kunden noch keinen Fall von Unterforderung bei einem Hund, jedoch unendlich viele Fälle von Überforderung. Lassen Sie sich da bitte nicht täuschen. (Bitte bedenken Sie auch immer wieder, dass ein Hund 20 Stunden Schlaf braucht. Aber nicht in Einsamkeit, sondern in ihrer Anwesenheit.)

Sie und Ihr Hund sind weder auf der Flucht, noch auf der Jagd, also hören Sie doch bitte auf, ihm Ihre gemeinsame Freizeit als solche zu verkaufen. Lassen Sie sich von ihm zeigen, wie viel er ohne Sie und ohne Ihre ständige Animation rennen will. Spielen Sie mit ihm Spiele von Angesicht zu Angesicht: Raufen, Zerren, sich gegenseitig im Kreis jagen (das halten SIE nämlich nicht länger als drei Runden durch).

Und sollten Sie einen Adrenalinjunkie haben, dann machen Sie mit ihm einen Entzug. Keiner zwingt Sie, ständig etwas zu werfen. Und Sie werden erstaunt sein, wieviel ruhiger und gelassener Ihr Hund dann werden wird. Und wieviel mehr er plötzlich auf SIE achten wird anstatt auf den Gegenstand, den Sie sonst immer in der Hand hielten. Denn plötzlich werden SIE interessant.

In diesem Sinne - bleiben Sie bei sich.

115.
Hinten gehen

So wird es dem Hundehalter geraten: „Der Hund muss hinter Dir gehen, denn DU bist der Rudelführer! Wenn Dein Hund vorne geht, dann denkt er, er sei der Chef.“
Also scheint der Rudelführer immer vorne zu gehen, oder?
Nur blöd, dass es keinen Rudelführer gibt – weder bei Wölfen noch bei Hunden. Das ist seit Mitte der 90er Jahre wissenschaftlich bewiesen und nicht zu widerlegen.

Wer geht denn dann immer vorne?
Na klar: Derjenige der am abenteuerlustigsten ist.
Und wo ist dabei das Problem? Es ist einzig und alleine unser Problem. Ein Problem, welches gar keines ist.
Da wird dann geleinenruckt, gezischt, vor dem Hund aufgestampft, mit einem Stock oder der Leine vor ihm auf den Boden geschlagen, geschimpft und gezetert.

Lassen Sie doch bitte Ihren Hund innerhalb der von Ihnen gewährten Leinenlänge da gehen wo er will. Sie haben es in der Hand. Ist die Leine einen Meter lang, dann ist das sein Bereich: Ein Meter rechts, ein Meter nach links, ein Meter vorne, ein Meter hinten. Macht plus Ihrer Armlänge ca. 1,80 Meter in alle Richtungen. Sein Bereich. Sein Spaziergang. Seine circa vier Meter im Durchmesser. Sie können nicht erwarten, dass der Hund die von Ihnen gewährte Leinenlänge NICHT ausnützt. Kein Tier würde den Bereich, den wir ihm zur Verfügung stellen nicht nutzen.

Auch ich ging früher davon aus, dass es besser ist, wenn wir Hundehalter vorne gehen. Aber nicht aus Dominanzgründen, solche Ideen hatte ich gottseidank nie, sondern weil ich davon ausging, dass wir sozusagen den Weg „ebnen“, den Kopf bei Gefahren für den Hund hinhalten, die Verantwortung übernehmen.
Aber dann kam ich zu dem Schluß, dass es wesentlich einfacher für alle Beteiligten ist, den Hund die Leinenlänge ausnutzen zu lassen. Und die wirklich bis zum Ende des Armes. Wir haben die Leine in der Hand, und natürlich wird er diese nutzen – warum auch nicht? Es ist SEIN Spaziergang. Sein Freiraum, sein Auslauf. Seine Leinenlänge.
Meine Schäferhündin Bianca geht immer an der durchhängenden Leine neben mir, meine vier früheren Chihuahuamädels waren lieber hinter mir. Die Chihuahuas, die ich jetzt habe nur zum Teil. Und andere Hunde gehen lieber vorne.
Warum?
Weil sie es so möchten, weil sie sich so am wohlsten fühlen.
„Aber meiner zieht immer so!“ Dass Ihr Hund nicht zieht, sondern sich Ihrem Tempo anpasst steht und fällt mit Ihrem eigenen Tempo, mit Ihrer Hektik. Das erfordert innere Ruhe und Gelassenheit und geht nicht von heute auf morgen.
Lassen Sie Ihren Hund ziehen - aber lassen Sie sich nicht ziehen.

Dies erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Selbstkontrolle und Konzentration - Ihrerseits.

114.
„Ich hab ihn nie gestraft, aber das Scharren nach dem Markieren habe ich immer unterbunden, denn das ist ja dominant, und meine Trainerin hat gesagt, ich solle ihn schleunigst von seinem Thron herunterholen.“

So sprach es unlängst eine Kundin, die mit einem jungen Dackel zu mir kam.

Lieber Leser, abgesehen davon, dass es keine dominanten Hunde gibt, zumal es ja weder Hierarchien noch Rangordnungen bei Hunden gibt (ist seit den 90er Jahren wissenschaftlich nachgewiesen und in jeder modernen kynologischen Literatur nachzulesen), bedeutet das Scharren lediglich, dass es Ihrem Hund gerade besonders wichtig erscheint, dass seine Markierung von jedem gelesen und nicht übersehen wird. Er möchte lediglich, dass auch der Dümmste sozusagen mit der Nase darauf stößt.
Auch das Markieren selber hat nichts mit Dominanz zu tun, es ist schlicht und ergreifend eine von vier Möglichkeiten (Geruch, Akkustik, Körpersprache, Berührung) der Hunde, miteinander zu kommunizieren. Völlig normales Hundeverhalten und KEIN Fehlverhalten. Alle Hunde markieren. Dann wären ja alle Hunde dominant.

Daher bitte ich Sie zu bedenken: Wenn Sie mit Ihrem Hund spazieren gehen, dann ist es SEIN Spaziergang, seine Auslastung und seine Nasen- bzw. Kopfarbeit. Daher lassen Sie ihn bitte zu Ende schnüffeln, in Ruhe darüber zu markieren und wenn er möchte, auch scharren. Gerade kleine Hunderassen scharren, weil das bißchen Pipi oft zu gering ist als dass es vor allem größere Hunde entdecken könnten. Loben Sie ihn dafür, sagen Sie ihm, was für ein toller, stolzer Kerl ist. Wir sollten das Selbstbewußtsein und das Selbstwertgefühl unserer Hunde heben, anstatt es zu drosseln. Oder würden Sie das Strichmännchenbild eines Kindes abwerten? Wohl kaum. Jede gute Mutter lobt ihr Kind für so ein Gekrakel, und gibt ihm das Gefühl, etwas Tolles geschaffen zu haben.



113.
Wie definiert man Gewalt?

Was Du nicht willst, was man Dir tu, das füg’ auch keinem and’ren zu.
So lernte ich es (Jahrgang 1967) schon als Kind. Und das bedarf keiner Erklärung, das verstand einst selbst ein kleines Kind wie ich. Respekt vor Tieren war für mich immer eine Selbstverständlichkeit.

Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört.

Gewalt ist die Sprache der Schwachen.

Das sind die Definitionen der Intellektuelleren für die Menschen, die wissen was Empathie ist.

Gerade im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem besten Freund des Menschen scheiden sich aber plötzlich wieder die (Definitions-) Geister. Im Anbetracht dessen, dass dieser benannte beste Freund vier Beine hat und zu einer anderen Spezies (Caniden/ kennen keine Hierarchien) als wir Menschen (Primaten/ in Hierarchien lebend) gehört, erklären viele diese Regel als ungültig – mit den abstrusesten Begründungen. Zum einen denken wirklich immer noch Hundehalter, dass Hunde andere Gefühle als Menschen hätten, was jedoch längst wissenschaftlich widerlegt wurde. Trauer, Freude, Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Fürsorge, Wur, Angst, aber auch Empathie. So gut wie alle Tiere haben die gleichen Emotionen wie Menschen, und alle empfinden Schmerzen. Körperliche wie auch psychische. Und gerade bei den psychischen Schmerzen hört man oft als Argument: „Ein Hund ist schließlich nur ein Hund.“ Hakt man nach, wird eine sachliche Diskussion oft unmöglich. Doch stellt sich dann die Frage, warum man Hunden so gerne psychisch bestraft, wenn sie diese Form von Strafen angeblich nicht empfinden.

Körperliche Züchtigungen sind nach wie vor sehr beliebt, wird es doch im TV immer wieder vorgemacht. Wo der Bauer, der dem Hund früher mal kurzerhand die Leine übergezogen hatte und dadurch in der Nachbarschaft für Empörung gesorgt hatte, so wird heute nach amerikanischem Vorbild gewürgt, getreten, geschlagen, mit Stachel- und Stromhalsband gequält, da hier schnellere Erfolge eintreten als mit positiver Verstärkung. Schnellere Erfolge JA. Aber Erfolge mit Folgen: Ein gebrochener Hund, der weiß, das jegliches eigenständiges Handeln bestraft wird.

Und auch das psychischen Strafen für die etwas empfindlicheren (Menschen-) Seelen gilt immer wieder als angebliches gewaltfreies Allheilmittel. Auch wenn es nicht klappt – es wird immer und immer wieder praktiziert. Da wird erschreckt durch Wurfketten, Rappelboxen, Discs, Wassersprühflaschen, Sprühhalsbänder, Vibrationshalsbänder, und nicht zu vergessen das bedrohliche Anzischen und Aufstampfen. Die Hunde reagieren natürlich, und somit scheint diese Form der Maßregelung vielen gerechtfertigt. Doch wie geht es den erschreckten und bedrohten Hunden in so einem Moment? Lernen Sie daraus? Ja, nämlich, dass Sie - ihr einziger Sozialpartner in ihrem kurzen Hundeleben - unberechenbar sind und aus heiterem Himmel strafen. Er zeigt ergo ein Meideverhalten.

Stellen Sie sich vor, wir zwei würde zusammen spazieren gehen, und ich würde immer mal wieder aus heiterem Himmel und ohne Vorwarnung BUH! machen – mitten in Ihr Gesicht. Sie würden kurz erschrecken, vielleicht sogar lachen, doch ich würde es immer und immer wieder tun. Anfangs würden Sie immer noch erschrecken, später vielleicht nicht mehr so sehr – aber der Spaziergang hätte für sie keine Qualität mehr, Sie wären angespannt, weil Sie nicht wüssten, wann mein nächstes BUH! kommen würde. Sie könnten sich auf gar nichts mehr konzentrieren, gar nichts mehr genießen, weil Sie total angespannt wären. Und dann würde ich Sie fragen, ob Ihnen aufgefallen ist, warum ich das gemacht habe. Und Sie wären ratlos, denn ich habe es immer gemacht, wenn Sie beispielsweise zu intensiv nach rechts geschaut hätten. Nur so als Beispiel. Genau so ginge es Ihrem Hund. Das was wir für bestrafungswürdig halten, zum Beispiel das Überholen an der Leine, das Schnüffeln, das Markieren, das Bellen...alles Dinge, die für unsere Hunde belanglos und normal sind, die zum Hundedasein gehören, die zum normalen Hundeverhaltensrepertoire gehören, genau die halten wir in unserer Menschenwelt für falsch, für „Fehlverhalten“. Unsere Interpretation von Fehlverhalten ist aber für einen Hund normales Hundeverhalten. Und so wird er von uns Menschen ständig für sein Hund sein, ja für sein perfektes und richtiges Verhalten in seiner Welt ständig bestraft, erschreckt, gemaßregelt und bekommt dazu unsere schlechte Laune ab. Wir streben tagtäglich danach, ihn zu einem perfekten Menschen zu machen, der wir ja selber nicht sind, und niemals sein werden. Wie würde es uns gehen, würde unser Partner von früh bis spät an uns rumkritisieren, immer alles besser wissen, alles was wir machen maßregeln würde? Wie würde sich das auf unsere Lebensqualität auswirken?

Liebe Leser, bitte streben Sie nie an, Ihren Hund zum funktionierenden, angeblich so „gut erzogenen“ Hund zu machen. Das geht nicht. Ein Hund kann kein perfekter Mensch werden. Zumal es keinen perfekten Menschen gibt. Und SIE sind mit Sicherheit kein perfekter Mensch, oder? Fragen Sie doch mal Ihr soziales Umfeld, da werden Sie sicher Antworten zu hören bekommen, die Ihnen vielleicht gar nicht so gut gefallen.

Seien SIE Ihrem Hunde ein gutes Vorbild, zeigen Sie ihm, was Sie für ein Verhalten SIE von ihm wünschen, anstatt ihn ständig zu strafen, zu maßregeln für etwas, was er nicht versteht, bzw. sowieso fehlinterpretieren würde.

Loben und bestätigen Sie ihn für das, was Sie toll an ihm finden, und bieten Sie ihm zu jedem angeblichen Fehlverhalten ein Alternativverhalten an, welches Sie dann feiern. Das ist für ihn wesentlich schlüssiger, verständlicher und effektiver als dieses ewige Genörgle.

Ich garantiere Ihnen, dass das wirklich das Einfachste der Welt ist. Dazu brauchen Sie kein ständiges Training, keine Wiederholungen und kein Üben. Machen Sie es einfach, und Sie werden sehen, wie sich Probleme in Luft auflösen, und Ihre Bindung und Freundschaft täglich wachsen wird, und Ihr Hund Ihnen immer mehr vertrauen wird. Und Ihnen selber tut dies auch gut.

Und denken Sie immer daran: Man bekommt nichts geschenkt im Leben, außer der Liebe Ihres Hundes. Nur das Vertrauen – das müssen Sie sich täglich aufs Neue erarbeiten.

112.
Ein Hund wird zu Tode stranguliert.

Nein, nicht von einem Hundehasser und auch nicht von einem geistesgestörten Psychopathen. Im Gegenteil – von einem Hundetrainer, der 5 km von mir entfernt im malerischen, oberbayrischen Wolfratshausen wohnt.

Ein Hundetrainer, der sich dem rein straforientierten Hundetraining verschrieben hat. Ein Hundetrainer, auf dessen Webseite er seine Liebe zum Hund, seine Feinfühligkeit und seine Empathie immer wieder betont. Doch wenn man zwischen den Zeilen liest, dann wird einem schnell klar, wie er die Liebe zwischen Mensch und Hund definiert. Da ist immer wieder die Rede von der seit 40 Jahren wissenschaftlich widerlegten Rudel- und Rangordnungstheorie. Wie ein Ertrinkender sich an einen Stohhalm klammert, so sind diese Ammenmärchen für viele scheinbar die einzig denkbare Möglichkeit mit einem Hund in Frieden und Harmonie zu leben. Dabei ist es so einfach, so unglaublich leicht. Der Weg dazu liegt im Prinzip in unserem Verstand und in unseren Herzen.

Was bringt Menschen dazu, ein Tier mit Lust und Wonne zu quälen, zu unterwerfen, es sich untertan machen zu wollen, und dann gerade das einzige Tier, welches uns Menschen wirklich liebt? Bedingungslos.

Wie kann es sein, dass wir Hundetrainer vor den Veterinärämtern eine Sachkundeprüfung ablegen müssen, in der es einzig und allein darum geht, dass wir eben NICHT tierschutzwidrig arbeiten? Und dann ermordet ein Hundetrainer den Hund einer Kundin, würgt ihn zu Tode, läßt ihn mit Würgeschlingen um den Hals und um die Schnauze in der Luft baumeln, obwohl dieses gefesselte und geknebelte Tier im Todeskampf schreit und unter sich Kot und Urin absetzt. Zuvor hatte der Hundetrainer den Hund mit dem Fuss in die Seite gekickt, worauf der Hund sich natürlich wehrte.

In vielen Ländern werden die Windhunde, die sich im Rennen nicht bewährt haben genau so zu Tode gefoltert: Aufgeknüpft. Jeder tierliebe Mensch ist zutiefst erschüttert, unterschreibt Petitionen, setzt sich dafür ein, dass dieses Elend ein Ende hat. Handhabt es ein Hundetrainer, dessen Vorbild Tag für Tag im TV (vor allem in den nur in Amerika ausgestrahlten Folgen) mit genau solchen Praktiken arbeitet, und diese dann "zufällig" mit dem Ableben des Hundes enden, dann erhält er eine Geldstrafe (Spende an die Caritas) und darf weiterhin seinen Beruf ausüben, weil sonst seine Existenz gefährdet wäre. Urteil des Richters. Akte geschlossen.

Warum finden wir Menschen gut, die Hunde foltern? Warum werden diese bejubelt? So wie die Torreros in Spanien, auch die haben Fans genau wie Popstars. Sie werden für ihre unglaubliche Brutalität bejubelt. Was ist los mit den Menschen? Warum hat sich in all den Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden angeblicher Zivilation nichts geändert? Warum will die Menschheit Blut sehen?

Einen aggressiven Hund mit Aggression „heilen“ zu wollen, kann nicht funktionieren. Wie regen sich die Leute auf, wenn mal wieder ein Video im Netz auftaucht, in dem gezeigt wird wie Zirkustiere gebrochen werden, wie Elefantenbabys in ihrer Ausbildung zum Reitelefanten gebrochen werden, damit sie sich nie wieder dem Menschen widersetzen. Erlernte Hilflosigkeit nennt man das in der Psychologie. Handhabt man dies gegen einen aggressiv gemachten (von Natur aus sind Hunde alles andere als aggressiv) Hund und bricht ihn somit, könnte das sicherlich eine Zeit lang gut gehen. Aber man wird ihm immer wieder zeigen müssen, dass man jederzeit gewillt ist, ihn weiter zu foltern, zu unterdrücken, zu bedrohen, ihm Schmerzen zuzufügen. Menschliche Gewaltherrschaft einem schwächeren Wesen gegenüber. Und dennoch kann eines Tages der Schuß nach hinten losgehen, und das Tier wird sich rächen, weil es darin seine letzte Chance sieht, endlich in Frieden zu leben. Siehe der aktuelle Fall von Chicco.

Wer einmal Bilder vom Yulin Dog Meat Festival gesehen hat, dem werden diese nie wieder aus dem Kopf gehen. Da werden in China Hunde bewußt zu Tode gefoltert, damit ihr Fleisch wegen des Streßhormons Adrenalin besser schmeckt. Ist das Foltern von Hunden denn weniger gerechtfertigt, weil man sie danach verspeist, als wenn man sie für ihren Ungehorsam bestraft? Beides wird mit vollem Kalkül praktiziert. Für den einen endet es mit dem Tod, für den anderen mit lebenslanger Todesangst. Kann man hier wirklich werten, wer es besser getroffen hat?

Woher nehmen wir uns das Recht, Tiere so zu behandeln? Wir sind selber nichts anders als Tiere, nennen uns aber selber die Krone der Schöpfung. Was zeichnet uns denn aus? Was macht uns besser? Dass wir noch grausamer sind, noch brutaler sind als jede andere Tier?

Ich habe keine Wut auf die 74-jährige Dame, die wegen ihres aggressiven Schäferhundes diesen Hundetrainer aufsuchte, ich habe nicht mal richtig Hass auf diese arme Seele von Hundetrainer, weil ich mich frage, was dieser Mensch in seinem Leben erlebt haben muss, dass nur noch Gewalt für ihn eine Lösung ist. Nein, ich habe Wut auf die Menschen, die alle JA zur Gewalt sagen. Wut? Oder ist es Verzweiflung? Und ich habe den Eindruck, dass dies das gerade in der heutigen Zeit erschreckend zunimmt. Nicht nur Hunden gegenüber, nein, auch untereinander, von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Tier. Unabhängig von unsere Nationalität, Religion, Geschlecht oder Hautfarbe. Es gibt kein Argument, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Krieg gegen Terror - Terror gegen Krieg - Hass gegen Hass. Und überall, in allen Medien wird es vorgemacht, geschürt, so lange, bis die Menschen sich Gewalt einleuchten lassen und ebenfalls JA dazu sagen.

Wie kann man zusehen, wie im Fernsehen Hunde gequält, gedemütigt, erniedrigt und bedroht werden und dabei anerkennend nicken und den Zuchtmeister dafür bewundern? Was für eine besondern Fähigkeit soll dieser Mann innehaben, dass er dafür Bewunderung erfährt? Ist es eine Kunst Tiere zu quälen, ihnen Angst zu machen? War nicht einst als wir noch Kindern waren unser Grundbedürfnis, Tiere zu lieben, zu schützen, zu herzen? Wann ist dieses Anliegen verloren gegangen? Wer hat es uns aberzogen, was ist mit uns passiert, dass wir den Terminus Empathie nicht mehr definieren können?

Ein aggressiver Hund hat in seinem Leben bereits Aggresion und Gewalt seitens des Menschen erlebt, was ihn zu dem werden lies, was er aktuell darstellt. Wie absurd zu denken, noch mehr Gewalt würde seinen augenblicklichen Zustand in etwas Positives verändern. Wird ein vergewaltigtes Kind durch noch mehr Vergewaltigungen seines Therapeuten seine Traumata vergessen und ein glückliches erfülltes Leben führen?

Ein gewalttätiger Mensch ist auch nicht so geboren worden. Ein Mensch, dessen Eltern ihn von Anfang an mit Liebe, Verständnis, Fürsorge, Hingabe, Beistand, Schutz, Anerkennung, Wertschätzung, Streicheleinheiten aufgezogen haben wird mit Sicherheit nicht ins kriminelle Millieu abrutschen. Und ebenso ist es mit unseren Hunde. Von zuviel Liebe, Hingabe, Streicheleinheiten, Verständnis, Fürsorge und Empathie ist noch kein Hund verhaltensauffällig geworden.

Liebe Leser, liebe Hundefreunde, bitte halten Sie die Augen offen für all das Elend, welches Schwächeren angetan wird. Letztendlich können wir es an unseren eigenen Hunden zumindest ein wenig besser machen. Es bleiben uns ja immer nur wenige gemeinsame Jahre. Werden Sie ein Mensch voller Liebe und Verständnis zu Ihrem Hund und all Ihren Mitgeschöpfen.

111.
"Hunde sind untereinander ja auch nicht gerade zimperlich..."

So wird Gewalt am Hund gerne gerechtfertigt.
Schauen wir uns das Ganze mal genauer an. Wann haben zwei Hunde Probleme miteinander und gehen demzufolge nicht gerade zimperlich miteinander um?

1. Individualdistanz

Ein Hund zeigt dem Kollegen auf, dass er ihm zu nahe ist. Verständlich, wir mögen es auch nicht, wenn uns fremde Menschen zu nahe kommen. Selbst bei vertrauten Menschen ist ein gewisser Abstand machmal angenehmer. Die berühmte Armlänge fühlt sich für Viele am Besten an.

So, ist nun wirklich unser Problem mit unserem Hund, dass er uns zu nahe kommt? Mit Sicherheit nicht. Unser Problem ist doch eher, dass er nicht nahe genug kommt, stimmt's?

2. Ressourcen. Sprich Futter, Spielzeug, Partner

Hunde verteidigen ihre Ressourcen. Wir im Übrigen auch. Jeder.
Ressourcen sind wichtig, vor allem Futter. Das ist überlebenswichtig. Was also tun, wenn ich an das Futter oder eine andere Ressource meines Hunde will? Na klar, ich biete ein adäquates Tauschobjekt. Macht für beide Seiten Sinn und gibt ein gutes Gefühl. Muss ich das Futter meines Hund wegnehmen, seine Beute, seine Fundstücke, sein wasweißichwas, dann biete ich ihm als Entschädigung zum Beispiel ein Stückchen Käse. Hund denkt: "Prima Sache! Wenn mir was von meinem Menschen weggenommen wird, bekomme ich eine Entschädigung, also hab ich in Zukunft kein Problem mehr damit."

Was bleibt nun noch übrig an "nicht gerade zimperlich untereinander"?

Niemals wird sich das "nicht gerade zimperlich" auf Ungehorsam beziehen. Ungehorsam gibt es in der Tierwelt nicht.

Bitte bedenken Sie immer wieder: Wir leben mit einem Wesen zusammen, welches uns mehr liebt als uns je ein Mensch auch nur annähernd lieben wird, und welches eine völlig andere Sprache spricht als wir. Sollte es wirklich unser Ansinnen sein, zu überlegen, wie wir dieses Wesen strafen oder ihm ein unangenehmes Gefühl verschaffen können?

110.
Ab 25° C Außentemperatur trifft man immer wieder auf ein erstaunliches Naturphänomen: Die Radfahrer mit Hund. Das ganze Jahr über verstecken sie sich, aber exakt ab Hochsommerbeginn kriechen sie aus ihren Löchern. Luftig bekleidete Menschen, die sich genießerisch beim Radeln den frischen Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Denn beim zu Fuß gehen kommt man bei den Temperaturen einfach zu leicht ins Schwitzen. Das Ganze mit einem in den Regel angeleinten, im Galopp nebenher hechelnden Hund, dem die Zunge bis zum Asphalt raushängt. Bevorzugt am Halsband.

Was geht in diesen Menschen vor? Haben ihrer Ansicht nach Hunde ein anderes Temperaturempfinden? Sind das die Menschen, die ihren Hund auch im Sommer im Auto auf dem Parkplatz braten lassen? Ist das in ihren Augen Auslastung, das berühmte Auspowern um jeden Preis? Erspart das lästiges den-Hund-noch-schnell-Bewegen? Die zeitliche Länge der "Gassi-Runde" durch entsprechendes Tempo einfach verkürzen?

Grundsätzlich powert man bitte einen Hund schon mal nicht aus. Einen Hund lastet man aus. Nur weil wir 10 Stunden täglich im Büro sitzen, was wider der menschlichen Natur ist, und wir dies durch feierabendliches Streßjoggen oder auf-dem-Laufband-rennen kompensieren, müssen wir diese Burn-Out-Vorbereitung doch nicht auf unseren Hund übertragen.

Ein Hund braucht 18-20 Stunden Schlaf am Tag. Möglichst nicht in Einsamkeit, denn dies ist kein erholsamer Schlaf. Und was tun dann Hunde in Freiheit, also Straßenhunde, verwilderte Hunde? Sie ziehen gemächlich von Müllhalde zu Müllhalde und rennen nicht im Hetzgalopp durch die Wälder. Und erst recht nicht bei Hitze sondern dann, wenn es abgekühlt ist. Man sieht überhaupt selten Tiere freiwillig länger als ein paar Minuten rennen, seien es wilde Tiere oder domestizierte Tiere.

Wenn Sie das Bedürfnis haben, ihren Hund bei hochsommerlichen Temperaturen "auspowern" zu müssen, dann rennen Sie bitte selber erst mal eine halbe Stunde durch die pralle Sonne. Aber mit warmer Jacke, ja?

"Ausgepowert" muss kein Hund werden. Auslasten hat nie etwas mit km/h zu tun, sondern mit Erleben, Sinne in Ruhe einsetzen, Gemeinschaft, Natur fühlen, Hund sein und Seele baumeln lassen zu tun. Alles andere ist kontraproduktiv und bewirkt durch die Produktion des Hormons Adrenalin, dass der Hund immer mehr und mehr braucht und immer hibbeliger anstatt ruhiger und ausgeglichener wird.



109.
Emotionen

Sind Gefühlszustände, die durch ein Ereignis ausgelöst werden, und die nicht willentlich hervorgerufen werden können, gesteuert oder unterdrückt werden können.

Wir unterscheiden:

- positive Emotionen wie beispielsweise Freude, Glück, Liebe, Stolz und Zufriedenheit.
- negative Emotionen wie zum Beispiel Hass, Angst, Wut, Furcht, Neid, Zorn, Trauer, Leid, Unsicherheit

Emotionen kann man nicht anerziehen und auch nicht aberziehen, weder belohnen noch bestrafen. Sie sind mutmaßlich genetisch fixiert und bildeten sich durch Erlebnisse. Und sie sind sozusagen der Bote für entsprechende Handlungen, die von der augenblicklichen Gemütslage her ausgelöst werden.

Positive Emotionen werden wie der Name schon sagt, als etwas Positives empfunden. Jeder von uns ist gerne froh, ist gerne glücklich, ist gerne verliebt und gerne stolz. Es geht uns in solchen Momenten sehr gut. Glückshormone wie Serotonin, Endorpine, Dopamin oder Oxytozin werden vom Körper gebildet und wirken wie Drogen. Wer genießt so einen Zustand nicht gerne? Am liebsten doch immer. Wären wir alle immer glücklich, gäbe es keine negativen Emotionen. Und so geht es nicht nur uns, sondern natürlich auch unseren vierbeinigen Freunden. Auch sie können die gleichen Emotionen spüren. Glück kann man nicht belohnen, aber man kann es durch noch mehr Glücksmomente verstärken. Und man könnte es augenblicklich löschen, wenn ein negatives Ereignis dieses Glücksgefühl plötzlich überschatten würde.

Und nun zu den negativen Emotionen: Das Streßhormon Cortisol wird von der Nebennierenrinde produziert und führt uns und auch unsere Hunde in einen unangenehmen Zustand. Der Körper macht sich bereit für die berühmten 4 Fs: Flee, Fight, Freeze und Fiddle About. Auf Deutsch: Flucht, Angriff, Erstarren oder Herumhibbeln.

Und jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten einen Wutanfall. Eventuell hatten Sie einen extrem stressigen Tag. Im Briefkasten befinden sich -zig Rechnungen, unschöne Ereignisse häufen sich, und dann stehen Sie auch noch im Stau und verpassen einen wichtigen, alles entscheidenden beruflichen Termin. Ich wette, sie explodieren gerade hinter dem Steuer und fluchen was das Zeug hält. Sie können nichts dagegen machen. Und jetzt schreit und schimpft Sie auch noch Ihr Partner auf dem Beifahrersitz, der ebenso gestreßt und nervlich am Ende durch diese Ereignisse ist und sagt, sie sollen sich gefälligst nicht so anstellen. Was passiert in dem Moment mit Ihren negativen Emotionen? Werden sie stärker oder weniger? Natürlich werden Sie stärker, denn Ihr Partner hat gerade mit seinem Gemecker das Fass zum überlaufen gebracht und mit seinem Unverständnis ob Ihrer Situation Sie noch wütender gemacht. Ihre negativen Emotionen wurden durch Ihren Partner deutlich verstärkt.

Und jetzt stellen Sie sich bitte die gleiche Situation vor, und Ihr Partner beruhigt Sie, klärt während der Fahrt telefonisch, dass der berufliche Termin ausgefallen ist, weil alle Beteiligten ebenfalls im Stau stehen, findet heraus, dass die Rechungen ein Versehen waren, und jetzt hören Sie auch noch im Radio, dass Sie gerade 4 Richtige im Lotto haben. Was passiert jetzt mit Ihren negativen Emotionen? Richtig – weg sind Sie. Wie weggeblasen. Sie könnten jubeln vor Glück, freuen sich auf alles was jetzt noch kommt, denn die Freude überwiegt so sehr, dass Sie heute nichts mehr aus der Ruhe bringen kann. Fühlen Sie sich bestätigt, dass Sie vorhin noch so wütend waren? Fühlen Sie sich in ihrer Wut bestätigt? Werden Sie in Zukunft noch wütender werden als zuvor? Mit Sicherheit nicht.

Entschuldigen Sie den langen Text, aber ich muss noch ein Beispiel bringen, vor allem an die weiblichen Leser: Sie liegen mit Ihrem Partner, den sie über alles lieben nebeneinander im Bett und lesen noch ein wenig vor dem Einschlafen und plötzlich huscht eine riesige, fette Spinne genau vor Ihren Augen die Wand hoch. Natürlich kreischen Sie wie am Spieß, und um das zu toppen, gibt Ihnen Ihr Partner auch noch eine Ohrfeige und sagt: „Stell Dich nicht so an!“ Wird Ihre Angst, Ihre Furcht, Ihre Panik dadurch besser? Sind Sie in Zukunft gefasster, wenn wieder eine Spinne kommt? Wohl kaum.
Aber wie würde es Ihnen gehen, wenn Ihr Partner aufspingen würde, die Spinne mit einem Glas einfangen würde, sofort raussetzen würde, dann zu Ihnen kommen würde, Sie in die Arme nehmen und trösten würde und Ihnen dann noch einen langersehnten Heiratsantrag machen würde? Würde das Ihre Spinnenphobie verstärken? Natürlich nicht. Würden Sie sich auf das nächste Spinnen-Tete-a-Tete freuen, weil Sie weitere tolle Dinge erwarten? Natürlich auch nicht.
Aber Sie wüßten in Zukunft, dass Ihr Retter an Ihrer Seite ist, sie beschützt, ernst nimmt, für Ihre Unversehrtheit sorgt und immer für Sie da ist. Wer wünscht sich nicht so einen Helden?

Fazit: Sie können Emotionen weder belohnen noch bestrafen und erst recht nicht aberziehen. Weder bei einem Menschen noch bei einem Tier. Emotionen können nicht vorgespielt werden – weder von einem Menschen (außer einem ausgebildeten Schauspieler), noch von einem Tier. Positive Emotionen können durch weitere positive Ereignisse verstärkt werden. Negative Emotionen können nur durch noch mehr negative Ereignisse verstärkt werden, hingegen durch positive Ereignisse gelöscht werden.

Eigentlich ist das doch ganz einfach und logisch, nicht wahr?

Daher: Spielen Sie für Ihnen Hund die gute Fee. Strafen Sie ihn nicht für seine negativen Emotionen. Er hat Emotionen genau wie Sie, lieber Leser. Verwandeln Sie seine negativen Emotionen in positive Emotionen. Seien Sie empathisch. Versuchen Sie zu spüren, wie es Ihnen in so einem Moment gehen würde. Sie können den Streß, die Angst, die Wut, die Aggression Ihres Hundes nicht durch Strafe löschen, aber durch Ihre Ruhe, Ihre Souveränität, Ihre Freundlichkeit, Ihre liebevollen Worte, Ihr Verständnis, Ihre Berührungen und ebenso ein Leckerchen im rechten Moment löschen.

Und noch einmal zum Schluß: Nein, Sie belohnen Ihren Hund dadurch nicht für seine Emotionen. Und sein augenblickliches Verhalten ist nur die Folge seiner augenblicklichen Gemütslage, und auch die können Sie nicht belohnen.

Wenn Sie das schaffen, werden Sie erstaunt sein, wie sehr Ihr Hund sich verändern wird.

In diesem Sinne – Seien Sie weise und ein guter Sozialpartner für Ihren Hund

108.
Oft klappt bei vielen Hundehaltern in manchen Situationen der Rückruf nicht.

Es spielen viele Faktoren eine Rolle, ob Ihr Hund freundig zu Ihnen kommt oder eben nicht. Dies habe ich ja in meinen Texten immer wieder erwähnt. Auch über unsere Unklarheit habe ich geschreiben und über so ein Beispiel möchte ich heute eingehen: Unklarheit beim Rückruf:

Ein Hund rennt im Freilauf voraus. Dem Hundehalter wird mulmig, er beschleunigt sein Tempo und ruft im Gehen seinen Hund zurück. Der Hund reagiert nicht und galoppiert im gleichen Tempo weiter munter voraus.

Hätten Sie’s gedacht? Er spiegelt Sie und Ihr Verhalten in diesem Moment. Solange Sie in die ursprüngliche Richtung gehen, solange denkt Ihr Hund, dass soweit alles ok ist, und Ihre Richtung und Ihr Tempo der momentane Maßstab sind. So erkennt er oft nicht den Sinn Ihre Rückrufes. „Was hat sie denn, es passt doch soweit alles", scheint der Hund zu denken.

Nicht nur Ihr gesprochenes Wort ist für Ihren Hund relevant, sondern auch Ihre Körpersprache. Daher bleiben Sie bitte stehen, wenn Sie Ihren Hund im Freilauf zu sich rufen möchten. Immer. So machen Sie eine deutliche Zäsur in den Spaziergang und werden für den Hund interessanter. Und wenn Sie ihn dann rufen hat er einen erkennbaren Fixpunkt auf den er zusteuern kann. Und Sie ein bessere Möglichkeit, ihn beim angerannt kommen noch mehr zu motivieren und SIE als Ziel zu nehmen. Spornen Sie ihn an wie die Zuschauer einen Sportler, der gleich in die Zielgerade einläuft. Sie werden sehen, dass Ihr Hund dann richtig Spaß dabei hat, gerufen zu werden. Ein kleines Leckerchen als Dankeschön, wenn er dann bei Ihnen ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Er hat es für SIE getan. Freiwillig.

Eine befreundete Hundehalterin stieg aus ihrem Auto aus. Ihr einjähriger, kleiner Hund war nicht angeschirrt, sprang schneller aus dem Auto heraus, als sie reagieren konnte und sprintete mitten in der fremden Ortschaft los. Die Dame eilte sofort im gleichen Tempo panisch rufend hinterher, direkt auf die Hauptstraße zu. Der kleine flinke Rüde, der sich normalerweise super herrufen läßt, steigerte sein Tempo. Er spiegelte sie. Durch ihre panische Stimme wurde ihm suggeriert, dass bei seinem Menschen Gefahr droht– also nichts wie weg von dem herannahenden Schrecken! Ich rief ihr zu, sie möge stehen bleiben. Als sie es tat, hockte ich mich auf den Boden und rief den kleinen Kerl super fröhlich, und sofort kam er begeistert zu mir gerannt. Während er mir das Leckerli aus den Fingern zupfte, konnte ich ihn mit der freien Hand hochheben, und schon war er außer Gefahr.

Daher bitte, liebe Hundehalter: Egal wie dringend Ihr Rückruf ist, und selbst wenn Ihr Hund gerade auf die Landstraße rennt – BLEIBEN SIE STEHEN! Sollte er dann immer noch nicht kommen, rennen sie in genau die entgegengesetze Richtung und rufen Sie bitte fröhlich und motivierend. Ein Schritt in die Richtung des Hundes zusammen mit gestressem, panischen oder gar bösem Rufen kann im schlimmsten Fall tödlich enden.

In diesem Sinne – disziplinieren Sie sich. Das Herrrufen Ihres Hunde steht und fällt mit Ihrem Verhalten.

107.
Hunde lieben uns abgöttisch
. Das ist die Folge von 15.000 Jahre Domestizierung. Hunde brauchen ihren Menschen dringender als einen Artgenossen. Dies ist bei keinem anderen Haustieren so. Hunde brauchen für eine artgerechte Haltung keinen zweiten Hund, sondern einen Menschen, der im besten Fall immer für sie da ist. (Sonst wäre ja das Thema 8 Stunden und mehr Alleinsein ganz einfach: Zweithund dazu - Hund glücklich. Aber so leicht ist es leider ganz und gar nicht.)
Sobald Sie bei uns einziehen, lieben sie uns. Und dafür müssen wir noch nicht mal irgendetwas Besonderes tun. Unseren Hunden ist es egal, ob wir arm oder reich, schön oder häßlich sind, dick oder dünn, dumm oder klug sind, politisch rechts oder links stehen. Hauptsache wir sind Ihr Mensch. Die Tatsache alleine reicht, um geliebt zu werden. Gibt es einen Menschen in ihrem Leben, der Sie so bedingungslos liebt bzw. lieben würde? Mit Sicherheit niemals.

Hunde haben im Vergleich zu ihrem Vorfahren Wolf ein sogenanntes dauerjuveniles Verhalten, das heißt, sie werden immer einen gewissen Kindstatus bei uns innehalten. Sie sind von uns abhängig wie ein Welpe vom Muttertier. Sie sind in ihrer verspielten Art leicht zu motivieren und zu begeistern. In der Regel macht ihnen alles Spaß, was wir Menschen ihnen anbieten, weil sie uns so sehr lieben. Und daher machen Sie auch so gut wie alles mit Enthusiasmus mit, was wir ihnen motivierend anbieten. Sei es Agility, Dogdancing, Mantrailing, Longieren, Wettrennen, Frisbee, Flyball, Dummytraining, Zughundesport, Obedience, Rettungshundeeinsatz, und was es noch so alles gibt, um den Hund auszupowern, benutzbar zu machen, zu einem besseren Menschen zu erziehen und unser Bedürfnis nach Perfektion und Konkurrenz an ihm auszuleben.

In seiner Begeisterungsfähigkeit macht der Hund dies alles in der Regel mit, und so scheint es uns, dass ihm das alles Spaß machen würde. Es fällt Hunden schwer, die eigenen Grenzen zu zeigen bzw. diese überhaupt selber wahrzunehmen und zu spüren, da durch das in der Euphorie gebildetete Streßhormon Cortisol und diverse Glückshormone diese natürliche Schwelle leicht überschritten wird. Hunde wollen ihrem Menschen gefallen. Und je mehr der Mensch sie zu Höchstleistungen hochpusht, desto mehr drehen sie auf.

Doch anstatt unsere Hunde für sportliche Höchstleistungen zu motivieren, wäre es doch weitaus einfacher, sie für UNS zu motivieren, sie für UNS zu begeistern, sie für uns als Person hochzupushen, sie davon zu überzeugen, dass wir toller, besser, spannender, aufregender, großartiger, fantastischer und lustiger als alle anderen Reize von außen sind.

Wenn Ihnen dies gelingen würde, liebe Hundehalter, dann gäbe es keine Probleme mehr im täglichen Umgang mit unseren Hunden. Keine Probleme bei Hundebegegnungen, keine Probleme mit der Leinenführigkeit, keine Probleme bei Leinenaggression, keine Probleme beim Freilauf, keine Probleme bei übermäßigem Bellen.

Und dafür müssten wir nur an uns arbeiten, anstatt dem Hund etwas beizubringen, ihn zu dressieren, abzurichten, benutzbar zu machen. Dazu brauchen wir keine Übungseinheiten, keine Hundeplätze, sondern nur uns selber.

In diesem Sinne – arbeiten Sie an sich, und Ihr Hund wird Sie spiegeln, Sie als Vorbild nehmen, und in Ihnen stets eine bessere Alternative zu allen Reizen von außen sehen.

106.
KLARHEIT/UNKLARHEIT

Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, wie unklar wir Menschen mit unseren Hunden kommunizieren?
Nein?
Natürlich nicht, sonst müsste ich ja diesen Artikel auch nicht schreiben.

Hundehalter erwarten ja von ihren Hunden in der Regel absoluten Gehorsam, und dass diese selbstverständlich Gedanken lesen können. Dafür wird dem Hund der sogenannte Grundgehorsam beigebracht, der aus dem Militärbereich herrührt, und es wird erwartet, dass das Tier diesen auch aus dem Effeff beherrscht.

Ein Hund hat in der Regel in jeder Minute des Zusammenlebens mit seinem Menschen die Gelegenheit diesen zu studieren. Dessen Sprache und auch dessen Körpersprache. Das ist für Hunde auch nicht so schwer, und all dies muss man ihm auch nicht extra beibringen, denn es erschließt sich für den Hund aus alltäglichen Situationen, die sich unweigerlich wiederholen.
Umgekehrt ist dies leider weniger der Fall. Welcher Hundehalter studiert wirklich intensiv die Körpersprache seines Hundes, bzw. kann diese dann auch wirklich fachgerecht deuten und interpretieren? (Können Sie den Blick des abgebildeten Hundes interpretieren/lesen? Sieht er glücklich, gelöst und zufrieden aus?) Kaum ein Hundehalter liest wirkliche Fachliteratur über Hunde, außer den üblichen Hundeschulbüchern, in denen steht, wie man zum Chef wird, den Hunden Befehle beibringt oder Tricks andressiert. Es geht in der meisten Literatur darum, den Hund zu einem besseren Menschen zu machen, anstatt sich mit dem Wesen, den Bedürfnissen oder der Denke eines Hundes zu befassen.

Ein Hund hingegen ist im Interpretieren seines Menschen uns innerhalb dieser Beziehung doch ein gutes Stückchen voraus.

Wir erwarten vom Hund, dass er uns perfekt versteht und gehorcht, und dennoch senden wir unbewußt so oft viele widersprüchliche Signale aus.

Beispiel 1: Der Hund schnüffelt – wir wollen aus irgendeinem Grund weitergehen und sagen zum Hund „komm!“ oder „weiter!“. Und gleichzeitig stehen wir neben dem Hund. Wir geben ihm quasi zwei völlig widersprüchliche Infos. Unsere Stimme ermuntert ihn weiterzugehen, unser Körper zeigt ihm aber eindeutig, dass Stehenbleiben das Gebot der Stunde ist. Jetzt hat der Hund also zwei Möglichkeiten, so nach dem Motto: „Kommst Du her oder nicht?“ Er wird sich in der Regel für die Körpersprache entscheiden, denn die ist für ihn eindeutiger. Also bleibt er weiterhin stehen und schnüffelt. Und dafür schimpfen wir ihn oder unterstellen ihn, er würde nicht hören (Synonym für „gehorchen“). Beim nächsten Mal achten Sie bitte darauf, und Sie werden erstaunt sein, wie oft Sie das machen.

Beispiel 2: Unser Hund zieht an der Leine. Wir rufen: „Laaaaaaangsam!“, beschleunigen aber unbewußt unser Tempo und passen uns dem Tempo des Hundes an. Und wieder wählt unser Hund logischerweise unsere Kommunikation über Körpersprache und wird schneller. Was soll er auch mit dem Terminus „laaaaangsam“ anfangen, wenn wir gleichzeitig unser eigenes Tempo beschleunigen? Wieder senden wir ihm zwei Infos und werden gleichzeitig sauer auf den Hund, weil er angeblich nicht „hört“. Achten Sie doch bitte beim nächsten Mal darauf. Sie werden merken, dass Sie das öfter machen als Sie denken.

„Mein Hund zieht mich durch die Gegend“ klagen mir oft Kunden beim Erstgespräch. „Falsch!“ unterbreche ich sofort und sage: „SIE lassen sich von Ihrem Hund durch die Gegend ziehen.“ Hier liegt es glasklar an der Sichtweise des Betrachters. Solange Sie sich von Ihrem Hunden durch die Gegend ziehen lassen, solange wird der Hund Sie auch durch die Gegend ziehen. Weil Sie unklar sind. Weil Sie unklar kommunizieren. Bleiben Sie doch einfach in Ihrem Tempo. Das ist ganz einfach und gleichzeitig klar.

Beispiel 3: Der Hund zögert. Was machen Sie in so einem Moment? Wetten, dass Sie auch zögern? Was soll Ihr Hund daraus schlussfolgern? Na klar, dass Sie sich in dem Moment Ihrer auch nicht mehr sicher sind. Und so zeigen Sie Ihrem Hund, dass seine Unsicherheit gerechtfertigt ist. Sie haben ihm ein eindeutiges körpersprachliches Signal gegeben. Und er faßt es in seiner Welt als klar auf und verhält sich dementsprechend. Da können Sie in dem Moment noch so viel locken. „Ich bin doch nicht blöd“, denkt er... "die Alte hat ja selber die Hosen voll.“

Diese Liste könnte ich endlos erweitern. Nicht der Hund muss lernen, sondern wir.

Liebe Leser, lassen Sie sich doch mal beim nächsten Spaziergang mit Ihrem Hund beobachten, bzw. versetzen Sie sich in ihren Hund. Überlegen Sie, ob Ihr geprochenes Wort mit Ihrer Körpersprache übereinstimmt.

Auch ein Halsband ist immer unklar, denn es verschleiert alle Signale an der Leine durch den Schmerz und das Abdrücken der Luftröhre und der zum Hirn führenden Hauptschlagadern.
Mit einem gutsitzenden Brustgeschirr (bitte kein Norwegergeschirr, dann damit wird die Bewegung der Vordergliedmaßen behindert und zusätzlich auf die Luftröhre Druck ausgeübt) dürfen Sie auch die Leine sich straffen lassen. Und damit meine ich, dass Sie weitergehen. Aber bitte mit ausgestreckem, entspanntem und lockerem Arm und mit Blick auf Ihren Hund. Niemals den Hund mit angewinkeltem Arm unter Zuhilfenahme Ihres Bizeps den Hund zu sich reißen! Denken Sie, Sie halten ein kleines zartes Kind an der Hand und gehen weiter. Gehen Sie Ihren Weg, aber gehen Sie ihn klar. Kein Rucken, kein Reißen. Gehen Sie Ihren Weg und bleiben Sie immer freundlich. Dann wird Ihr Hund Ihnen glauben. Loben Sie ihn verbal, und er wird klar verstehen, was Sie wollen, und dass das was Sie von ihm wollen, niemals gegen ihn ist.

In diesem Sinne - lernen Sie von Ihrem Hund - er ist Ihr Spiegel und zeigt Ihnen genau, ob Sie etwas richtig oder falsch machen.

105.
Verstecken

Wenn ich mit meinen Kunden und deren Hunden den Freilauf erarbeite, dann mache ich eine Minute nach dem Ableinen einen kleinen Test, um zu sehen, wie sehr der Hund, wenn er frei ist, seinen Menschen noch auf dem Schirm hat und bitte die Hundehalter, einfach mal stehen zu bleiben.
„Das mache ich zu Hause auch und verstecke mich dann. Das macht ihm total Spaß!“, sagen viele Hundehalter dann.

Tatsächlich?

Glauben Sie wirklich, liebe Leser, dass es Ihrem Hund Spaß macht, wenn Sie plötzlich wie vom Erdboden verschwunden sind, und er verzweifelt nach Ihnen sucht? Nach Ihnen – dem einzigen Sozialpartner, den er in seinem Leben hat. Nach Ihnen - der Person, die er so sehr liebt.

Würde es einem Kind Spaß machen, welches sich gerade noch begeistert, fasziniert und abgelenkt im Einkaufszentrum am Schaufenster des Spielwarenladens die Nase platt gedrückt hat, wenn seine Mutti plötzlich verschwunden wäre?
Würde es begeistert nach ihr suchen?

Dass Ihr Hund, nachdem er Sie gefunden hat mit dem Schwanz wedelt und sich freut, ist normal, hat aber nichts mit Spaß zu tun. In seiner Welt waren Sie gerade für immer verschwunden, und nun ist ihm klar, dass Sie doch noch am Leben sind. Dass es Sie noch in seiner kleinen Welt gibt. Für einen Hund ist der Verlust seines Menschen ein Supergau und kein Grund zur Freude. Er freut sich, weil er Sie wieder hat und nicht, weil er Ihr Versteckspiel so toll findet.
Fördert so etwas das Vertrauen zu Ihnen?

Wir Hundehalter sind für das Leben unserer Hunde, ihre Gesundheit und ihre körperliche Unversehrtheit zuständig, gerade so wie eine Hundemama für ihre Welpen. Keine Tiermutter würde sich vor ihrem Nachwuchs verstecken, das wäre ein massiver Vertrauensmissbrauch.
Es gibt Hunde, gerade wenn sie noch jung sind, die bei diesen Versteckspielchen regelrecht panisch werden und blindlings wegrennen. Ich habe erlebt, dass solche Hunde sogar komplett verwildern können, weil ihre Sinne und ihr Hirn komplett austicken vor Angst. Das kann soweit gehen, dass sie ihren Menschen beim Wiedersehen nicht mehr erkennen. Wollen Sie das wirklich riskieren?

Der Hund lernt aus solchen hinterhältigen Psychospielchen NICHT, dass er in Zukunft besser auf Sie achten soll.

Es ist IHRE Pflicht, Ihren Hund im Blickfeld zu haben, und nicht die Pflicht Ihres Hundes, ständig auf Sie zu achten.
„Verletzung der Aufsichtspflicht“ würde man in so einem Fall bei einer Mensch-Kind-Beziehung sagen.
Bitte verletzen Sie auch die Aufsichtspflicht Ihrem Hund gegenüber nicht. Im Freilauf passieren in seiner Welt tausend spannende Dinge, die ihn ablenken. Seine Sinne werden von den vielen Eindrücken regelrecht betört. Sie können nicht erwarten, dass bei so viel Ablenkung Ihr Hund ständig auch noch auf Sie achtet.

Dass er dies aber dennoch macht, das müssen Sie sich erarbeiten, aber bitte nicht erwarten oder gar verlangen.

Daher bleiben Sie doch einfach mal stehen, wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Hund Sie draußen gar nicht mehr wahrnimmt, bzw. wenn Sie wissen möchten, WIE interessant im Freilauf Sie denn noch sind.
Bleibt Ihr Hund dann ebenfalls stehen, auch auf die Distanz, dreht er sich gar fragend nach Ihnen um, oder kommt er sogar zu Ihnen gelaufen, dann feuern Sie ihn an, motivieren Sie ihn mit allen Mitteln, bereiten Sie ihm eine Show, rufen Sie ihm mit heller, fröhlicher Stimme eine freundliche verbale Bestätigung zu, und Sie werden sehen, wieviel Spaß er dabei hat. So können Sie einen optimalen Rückruf aufbauen, bei dem der Hund mit leuchtenden Augen und fliegenden Ohren zu Ihnen gerannt kommt. Nicht weil er muss – sondern weil er will! Und vergessen Sie bitte das Dankeschön in Form einer kleinen Leckerei nicht, wenn er bei Ihnen angekommen ist. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass er für Sie alles stehen und liegen läßt.

In diesem Sinne – lassen Sie Ihren besten vierbeinigen Freund nicht im Stich, weder aus Spaß, noch aus irgendwelchen Psychospielchengründen.

104.
Warum und wie Hunde Leinenpöbler werden

„Meiner ist an der Leine bei Hundebegegnungen total dominant, größenwahnsinnig und denkt, er sei der Chef.“

So artikulieren es viele meiner Kunden, wenn sie mit einem sogenannten Leinenpöbler zu mir kommen.

Aber wie kommt es dazu, und was können wir Hundehalter machen, damit dieses Verhalten weniger bzw. besser wird?

Sie müssen bedenken, dass Hunde friedliebende Tiere sind und  Aggressionen vermeiden wo es nur geht. Fühlen sie sich bedroht, haben sie nur zwei Möglichkeiten: Angriff oder Flucht. Im Freilauf haben die wenigsten Hunde Probleme bei der Begegnung eines Artgenossen, denn sie können ihm bei Antipathie jederzeit ausweichen. An der Leine jedoch ist ihnen bewußt, dass dies nicht möglich ist und sie im Zweifelsfall keine Chance haben auszuweichen, wegzulaufen bzw. zu fliehen, sollte sich der andere als bedrohlich oder aggressiv zeigen. Dies gilt vor allem für kleine Hunderassen.

Da dem Hund nun durch die Leine die Chance genommen wird zu fliehen, bleibt ihm nur die Möglichkeit des Angriffs. So drohen sie ihrerseits und das sicherheitshalber oftmals schon im Vorfeld, indem sie wild bellend und tobend beim Anblick eines anderen Hundes nach vorne in die Leine springen, um den vermeindlichen „Gegner“ zu sagen: "Geh weg! Hau ab! Du bist zu nahe!".

Das Ganze beginnt oft ab der Pubertät, und man kann ziemlich sicher sein, dass davor irgendein (und sei es noch so kleiner) Vorfall mit einem anderen Hund vorangegangen ist, durch den es zu dieser Leinenaggression gekommen ist. Und dies hat absolut nichts mit Dominanz oder Chef sein zu tun. Sondern mit genau dem Gegenteil.

Und ab da beginnt das Dilemma: Der Hundehalter erschrickt durch den abrupten Emotionsausbruch seines Hundes und reißt die Leine mit einem Ruck nach hinten und bestraft ihn dadurch. Oftmals sogar schon unbewußt.

Was lernt der Hund daraus?
Er lernt, dass sein Mensch, der einzige Ansprechpartner in seinem Leben ihn für seine Unsicherheit straft, anstatt ihm beizustehen. Aggression kommt immer aus Unsicherheit. Ein selbstsicherer Hund würde sich bei einer Hundebegegnung gelassen, stolz und souverän verhalten. Viele Hundehalter haben merkwürdigerweise große Probleme damit, die Gefühle und Emotionen ihrer Hunde richtig einzuschätzen, richtig zu lesen und zu deuten und diese dann auch ernst zu nehmen. Emotionen kommen von innen und sich nicht steuerbar. Geht uns Menschen genauso. Im Fall einer negativen Erregung braucht weder ein Hund noch ein Mensch Strafe, sondern genau das Gegenteil: Beistand. Schutz. Hilfe. Einen klugen, weisen und gelassenen Freund, der ihm hilft, der ihn erdet, der ihn beruhigt, der ihn versteht und schützt.

Emotionen kann man nicht bestrafen. Weder positive Emotionen wie Freude, Lust oder Liebe, noch negative Emotionen wie Angst, Wut, Unsicherheit, Zorn, Hass, Streß. Aber man kann beide noch mehr verstärken, wenn weitere adäquate Emotionsauslöser dazukommen.

Straft man einen Hund für seinen Ärger, für seine Wut, für seine Unsicherheit, für seine Hilflosigkeit in solchen Situationen beispielsweise mit einem Leinenruck, und den auch noch mit einem Halsband, kommen für den Hund weitere negative Emotionen hinzu plus dem vom eigenen Menschen ausgelösten Schmerz, und so wird die gegenwärtige negative Emotion nicht gelöscht, sondern verstärkt. Und als Nebeneffekt wird der eigene Hund dies immer mit dem Anblick eines anderen Hundes verknüpfen: Hundebegegnung = Schmerz, Wut, Hass, Hilflosigkeit und ein wütender Sozialpartner, der scheinbar ebenso emotional verwirrt und hochgradig erregt und gestresst ist, wenn er einen anderen Hund erblickt.

Je mehr Strafe (und dazu gehört auch schimpfen, maßregeln, verbales oder körpersprachliches Bedrohen) und negative Emotionen seitens des Menschen in so einer Situation erfolgen, desto schlimmer wird die Leinenaggression des Hundes. Ein Teufelskreis entsteht.

In diesem Sinne – seien und werden Sie ein weiser, kluger Sozialpartner auf den man sich verlassen kann.


103.
„Die machen das schon unter sich aus“

Den Satz hört man oft, wenn zwei Hunde aneinandergeraten.

Nun ist aber die Frage, WAS die beiden denn unter sich ausmachen sollen? Wieso sollten zwei Hunde, die einander nicht kennen und mutmaßlich auch nie wieder sehen werden denn bitte untereinander ausmachen und wozu?
Halten Sie einer Person die Ihnen auf der Straße entgegen kommt die Faust unter die Nase und fragen diese dann: „Willst Schläge haben, Alter?“
Hunde sind konfliktscheue Tiere und haben in der Regel auch überhaupt kein Interesse an Auseinandersetzungen. Sie leben autark und wollen einfach nur ein gemütliches Dasein. Das „unter sich ausmachen“ ist in der Regel Mobbing, und es obliegt uns als einziger Ansprech- und Sozialpartner unseres Hundes, so eine Begebenheit in seinem Sinne zu regeln. Wir sind es ja meistens, die Hunde unbewußt in so eine Situatation hineintreiben.

Straßenhunde gehen sich in der Regel aus dem Weg um Konflikte zu vermeiden. Wir aber schauen seelenruhig zu, wenn zwei Hunden einander beschnüffeln und warten gespannt zusammen mit dem anderen Hundehalter, wie die Situation wohl weitergeht. Damit nehmen wir unserem Hund die Möglichkeit, sich zu entziehen. Wir stehen dabei wie schaulustige Gaffer und sehen zu, wie die zwei Hunde angeblich so süß spielen und erkennen oft die Gratwanderung nicht zwischen Spiel und Mobbing. Gerade dann, wenn die beiden deutliche Größenunterschiede aufweisen. Das „niedliche“ Spiel eskaliert zum Selbstschutz des Schwächeren, und dabei wird demjenigen dann auch noch „Größenwahn“ oder „der denkt jetzt, er sei der Chef“ angedichtet.

Daher meine Bitte: Wenn Sie mit Ihrem unangeleinten Hund auf einen anderen unangeleinten Hund samt Halter treffen, gehen Sie bitte einfach gelassen weiter, um Ihrem Hund das „Vorhang frei“ für das nun folgende Geschehnis zu ersparen. Sind die beiden sich tatsächlich wirklich smpathisch, dann können Sie immer noch stehenbleiben und sich an dem Ganzen erfreuen. Zeigt Ihr Hund jedoch deutliche Streßsymptome, dann bieten Sie ihm durch Ihr langsames Weitergehen an, sich für Sie als kluger Sozialpartner zu entscheiden. Und sollte Ihr Hund offensichtlich gemobbt werden, dann beschützen Sie ihm bitte, und wenn er sehr klein ist, dann „retten“ Sie ihn dadurch, dass Sie ihn hochheben und ihn damit aus dieser stressigen und bedrohlichen Situation herrausziehen. Er hat körperlich keine Chance. Nicht jeder Hund ist so sozialisiert, als dass er ein „NEIN, ich möchte das nicht!“ eines fremden Hundes wirklich akzeptieren kann.

Eine andere Situation ist es, wenn Sie in Ihren Haushalt einen weiteren Hund eingliedern. Bedenken Sie, dass Sie hier eine Zwangs-WG aufmachen, um die Sie Ihr Hund nicht gebeten hat.
Machen Sie zur Vergesellschaftung auf neutralem Grund mit beiden angeleinten Hunden mit Hilfe einer weiteren Person einen kleinen Spaziergang und achten Sie dabei darauf, dass beide Hunde einander nicht berühren oder beschnüffeln können. So haben beide Hunde die Möglichkeit, sich nur durch das Beobachten des anderen beim Gehen ein klares Bild von ihrem zukünftigen WG-Partner zu machen. Wenn sich keine Auffälligkeiten gezeigt haben können Sie anschließend zusammen ins Haus gehen und da die Hunde von der Leine lassen, was dann in der Regel sehr unspektakulär sein wird.

Meine Mädels und die Neuzugänginnen sind darauf hin immer schlagartig gemeinsam läufig geworden und flirteten, balzten und spielten somit wirklich ganz entzückend miteinander. So entstanden nie Konflikte untereinander. Eine ganz faszinierende Sache, wie ich finde.

Meine Bitte: Beschützen Sie ihren Hund, bewahren Sie ihn vor Konflikten und bieten Sie ihm an Ihrer Seite eine gechillte Zeit. Hunde haben sich unter anderem dem Menschen angeschlossen, um von ihm Schutz zu bekommen – und nicht umgekehrt.

Strafe funktioniert in der Regel. Je härter sie ausfällt, desto sicherer können Sie sein.

Aber noch sicherer können Sie dann sein, dass Ihr Hund Ihnen NIE wieder vertrauen wird.


102.
Ich habe mich oft gefragt, woher der immer noch so harte, barsche, strenge Umgang mit dem besten Freund des Menschen herrührt und warum sich viele Hundehalter diesen so einleuchten lassen.

Es begann durch den Militäreinsatz von Hunden im 1. Weltkrieg. Da entstand der Kommandoton gegenüber Hunden, der sogenannte "Grundgehorsam" und die "Unterordnung", da Hunde nicht besser als ein Soldat behandelt werden sollten und vor allem ebenso bedingungslos funktionieren und parieren sollten.

Im Militär gibt es klare vom Menschen erfundene Hierarchien, die bei Caniden wissenschaftlich erwiesenermaßen nicht existieren. Diese Rangordnungstheorie wurde nach einem Mißverständnis bei Beobachungen von Gehegewölfen in unnatürlicher Haltung in den 70er Jahren von David Mech verbreitet und von ihm selber 20 Jahre später berichtigt und revidiert.

Der Krieg ist seit 100 Jahren vorbei, und immer noch behandeln und kommunizieren wir mit unseren Hunden wie mit Soldaten, mit Untergebenen, mit Untertanen, mit minderwertigen Wesen und behandeln sie alles andere als mit Liebe, Empathie, Freundlichkeit, Achtsamkeit, Würde und Respekt.
Auch der Ton und der Umgang gegenüber den Hundehaltern ist in vielen Hundeschulen nicht groß anders.

Soldaten waren damals reines Kanonenfutter - und Hunde auch. Mit Betonung auf DAMALS.

Aber das sind sie nicht mehr. Wir haben sie zu uns ins Haus geholt, weil wir Hunde lieben. Doch warum wird bei Hundehaltung im Vergleich zu sonstiger Haustierhaltung oder im Umgang mit Menschen der Begriff "Liebe" auf einmal so differenziert betrachtet bzw. interpretiert? Woher kommt dieser Sinneswandel und der damit verbundenen fehlende Skrupel im Umgang mit diesen uns liebenden Wesen, der ja leider auch immer wieder im Fernsehen in einschlägigen Sendungen vorgemacht wird?

Ich habe unlängst einen sehr interessanten psychologischen Bericht gelesen, in dem es darum ging, warum Menschen gerne Tiere quälen und fand diese einleuchtende Antwort dazu:

"Es gibt Personen, die sich Tiere als Opfer suchen, um sich über die Erniedrigung des Opfers ein Gefühl der Überlegenheit und Allmacht zu verschaffen, um sich selbst in ihrem Selbstwertgefühl zu stabilisieren, um es mit sich selbst überhaupt auszuhalten. Das sind Personen, die einen unsicheren Selbstwert haben, mit einer problematischen Persönlichkeit bis hin zu einer Persönlichkeitsstörung.
Doch das psychische Grundproblem des Täters bleibt dasselbe: die Unmöglichkeit des Täters, seine inneren Spannungen unter Kontrolle zu bringen, da er nie gelernt hatte, diese selbständig zu lösen. Haustiere seien als Opfer zum inneren Spannungsabbau dabei aus mehreren Gründen geeignet. Man kann nämlich auch eine Steigerung des Selbstwertgefühls und einen aggressiven Akt darin erleben, wenn man diese für andere niedlichen Tiere erniedrigt, schädigt oder ihnen Leid zufügt."

Professor Kolja Schiltz, Leiter Forensische Psychiatrie LMU

In diesem Sinne... wenn Sie das nächste mal Ihren Hund anschreien, strafen, unterwerfen, erniedrigen oder bedrohen - überlegen Sie sich, ob sie sich wirklich die oben erklärten psychologischen Attribute überstülpen möchten.

101.
Protestpinkeln?

„Und dann hat er aus Protest mitten auf den Teppich gemacht!“

„Bitte?“

Tiere hinterlassen ihre Stoffwechselendprodukte nicht aus Protest irgendwo, sondern weil sie sich lösen müssen.

Erst mal von vorne: Kein Tier geht davon aus, dass seine Fäkalien für andere eklig sind. Fast jedes Tier beschnuppert seine eigenen Hinterlassenschaften ausgiebig und auch die von anderen Kollegen.
In unserer Gesellschaft hat man gelernt, sich davor zu ekeln.

Stubenreinheit bei Hunden kann viele Wochen bis Monate dauern, denn das Hundebaby muss erst mal durch Abschauen von Muttertier lernen, dass sich das Lösen außerhalb der Wurfstätte ein guter Ansatz ist. Vorher entfernt die Mutter die Fäkalien ihre Nachwuchses, um die Babystube sauber zu halten. Nach und nach merkt das Hundebaby dann, dass es nicht so schön ist, in seinen eigenen Fäkalien zu weilen. Wer schon einmal seinen Hund in der Tierklinik lassen musste, weiß, wie lange ein Hund es herauszögert, sich an Ort und Stelle zu lösen.

Hundebabys, die bei Ihren Menschen eingezogen sind, vermeiden es, sich draußen zu lösen, denn für sie ist die Welt noch fremd, unheimlich und alles neu. Gerade haben Sie ihr neues Zuhause bezogen und sie wissen einfach noch gar nicht, wo ein für sie geeigneter Ort ist, um Urin und Kot abzusetzen. Auch wenn man sich einen bereits erwachsenen Hund holt, ist es oft für ihn schwierig, sofort draußen sein Geschäft zu machen. Zum Lösen muss man entspannt sein, loslassen können im wahrsten Sinne des Wortes. Gelöst sein. Kann man sicher als Mensch nachvollziehen, denn auf eine öffentliche Toilette gehen ist auch nicht gerade angenehm, vor allem, wenn andere diese auch zeitgleich von anderen Personen frequentieren. Es ist ziemlich unangenehm.

Und dennoch passiert es vor allem vielen Hundebabys oder auch Hundekindern, dass doch in der Aufregung mal etwas daneben geht. Vor Freunde, vor Aufregung, vor Angst. Kennen Sie den Spruch: „Ich hab mir vor Angst fast in die Hose gemacht“? Die Beckenbodenmuskulatur und die Schließmuskeln funktionieren nicht mehr, das Streßhormon Adrenalin bewirkt, dass sich alle Schleusen öffnen. Auch bei langanhaltendem Streß sorgt das Hormon Cortisol dafür, dass Stubenreinheit vergessen wird. Und dies zeigt sich oft bei Hunden, die mit dem Alleinsein nicht zurechtkommen, weil sie zu früh, bzw. zu lange alleine gelassen wurden.
Dies kann sich zeigen durch langanhaltendes Bellen, Jaulen, Heulen, Weinen, aber auch durch das Zerstören von Gegenständen, um den Streß irgendwie zu kompensieren, als eben auch durch das Koten und Urinieren.

Aber niemals macht ein Hund so etwas, um seinem Menschen eins auszuwischen oder zu protestieren. Zu so komplexen Gedankengängen ist ein Hund nicht fähig. Das wäre ein üble Form der Vermenschlichung, einem Hund so etwas zu unterstellen. Er hat in dem Moment einfach nur Angst, oft sogar Todesangst.

Auch zur Begrüßung Ihres Menschen pinkeln Hunde oft unter sich, meist wenn sie in Rückenlage sind. Das ist ein submissives, also unterwürfiges Verhalten.

Streß ist ein häufiger Grund, wenn ein erwachsener Hund plötzlich wieder ins Haus macht. Hunde sind sehr sensible Tiere. Sie empfinden häufiger als Menschen die kleinsten Gegebenheiten als Streß. Überforderung, zu wenig Schlaf, eine Veränderung im Tagesablauf, ein Baby, ein neues Haustier oder zuviel Besuch können unter anderem ein Streßauslöser sein.

Auch ein gesundheitliches Problem kann ein Grund sein. Bitte bei solchen Vorfällen unbedingt Blase und Niere bei einem Tierarzt untersuchen lassen.

Bitte bestrafen oder schimpfen Sie Ihren Hund niemals für solche „Unfällchen“. So würde er erst recht Angst bekommen, sich zu lösen. Und Angst vor Ihnen bekommen. Wann immer ein Pfützchen oder Häufchen ins Haus geht, wischen Sie es bitte kommentarlos weg. Bedenken Sie, wie oft Kinder noch in die Hose oder ins Bett machen, obwohl sie schon von den Windeln weg sind. Auch das ist kein Protest und auch kein Anstreben von Aufmerksamkeit.

100.
Leckerli

„Soll ich Leckerli zum Unterricht mitbringen? Ich habe gehört, Sie geben keine Leckerli, weil Sie ja keine Kommandos und keinen Grundgehorsam beibringen“, fragen mich viele Kunden oft vor dem Unterricht.

Ich bringe Hunden nichts bei, weil sie von Natur aus alles können, was ein Hund so können muss. Sie können gehen, laufen, rennen, essen, trinken, sitzen, liegen, bellen und so weiter. Hat jeder Hund einst von seiner Mama und in der Interaktion mit seinen Geschwisterchen gelernt. Sehr praktisch. Also muss ich ihnen nichts antrainieren, nichts andressieren und brauche auch keine Trainingseinheiten oder Wiederholungen um etwas zu üben. Weder Zuckerbrot noch Peitsche. Und somit brauche ich Hunde auch nicht für irgendetwas Andressiertes zu belohnen. Keine Kommandos, keine Dressur, kein Grundgehorsam, keine Kunststücke.

Auch lasse ich nicht, um den Hund zu erfreuen, einfach immer mal wieder Leckerlis fallen. Und ich verstecke auch keine beim Spazierengehen in der Natur, um den Hund zu beschäftigen. Das wäre einfach nur einen Hund zu füttern, und das mache ich ohnehin morgens und abends und nicht zwischendurch auch noch. Und vor allem möchte ich ihnen auch nicht noch extra beibringen, dass draußen noch mehr Essbares rumliegen könne, als sie es sowieso erwarten. Denn auf Futtersuche sind Hunde als Allesesser ohnehin ununterbrochen. Muss man das fördern?

Ich nutze Leckerlis für genau zwei wichtige Dinge:

Erstens als Dankeschön, wenn der Hund kommt, wenn ich ihn rufe. Stellen Sie sich vor, Ihr Hund ist im Freilauf und macht etwas, was ihn interessiert (schnüffeln, markieren, eine Spur aufnehmen, einen Jogger oder Radfahrer jagen oder zu einem anderen Hund laufen), und dann rufen Sie ihn sehr freundlich und fröhlich mit heller Stimme (und bitte mit seinem Namen und einem fröhlichen Nachsatz und nicht im Militärchargon), und er läßt FÜR Sie alles stehen und liegen und kommt zu Ihnen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und ich finde es nur mehr als rechtens und auch einen Akt der Höflichkeit, mich dafür zu bedanken.
Sie würden es doch nicht anders bei einem Mitmenschen handhaben, der seine Interessen ad hoc für Sie beiseite stellt und auf Ihre Bitte hin zu Ihnen eilt. Wäre das eine Dressur, ein Kommando oder ein Kunststück, welches Sie ihrem Mitmenschen beigebracht haben?

Ich sehe das weder als Belohnung für Erlerntes und erst recht nicht als Bestechung, sondern als eine Selbstverständlichkeit an, die ich auch jedesmal so handhabe. Immer.

Jeder Reiter gibt seinem Pferd nach dem Reiten ein Leckerli. Da käme keiner auf die Idee, von Bestechung zu reden. Und auch als Belohnung wird das Pferd das nicht erkennen, denn belohnen kann man nur etwas, was gerade passiert ist. Somit würde man ja das Pferd dafür belohnen, dass man gerade abgestiegen ist.
Aber als Dankeschön wird so etwas erkannt. Da kommt etwas Gutes vom Menschen.

Der zweite Grund, wann ich Leckerlis verwende ist, um dem Hund eine unangenehme Situation zu versüßen.

Sei es im Zustand der Angst, der Unsicherheit oder des Unbehagens, sofern der Hund in so einer Situation noch Essen möchte bzw. kann.
Und ich setze noch eines drauf: Auch im Zustand von Wut und Aggression gebe ich dem Hund eine Leckerli – auch sofern der Hund in so einem Moment noch den Nerv hat, Nahrung aufzunehmen.

Haben Sie keine Angst: Sie können damit den augenblicklichen Zustand Ihres Hundes nicht belohnen und erst recht nicht diesen Zustand ver- oder bestärken.

Versetzen Sie sich in die Lage Ihres Hundes: Stellen Sie sich vor, Sie haben vor etwas Angst. Nehmen wir mal Spinnen, Schlangen, Ratten oder Ähnliches. In dem Moment, wo Sie den Angstauslöser erblicken, schenkt Ihnen Ihr einziger Sozialpartner etwas Tolles, nehmen wir mal 100 Euro.
Was passiert in so einem Moment in Ihnen? Haben Sie ab sofort noch mehr Angst? Mit Sicherheit nicht. Fühlen Sie sich in Ihrer Angst bestätigt? Wohl kaum. Wohl eher, wenn Ihr Sozialpartner in dem Moment auch Angst hätte oder Sie im Stich lassen würde. Ja, dann hätten Sie noch mehr Angst. Bekämen Sie jedoch jedes Mal 100 Euro, wenn Sie Angst haben, was würde in Ihnen vorgehen, wenn Sie einen Angstauslöser sehen? Richtig: Eine positive Erwartungshaltung, denn Sie wissen, dass gleich zu dem Negativen etwas Positives dazukommt.

Und dennoch könnten Sie Angst nicht vorspielen, denn Angst ist eine Emotion und kein Verhalten. Wären Sie ein sehr guter Schauspieler könnten Sie Angst glaubwürdig vorspielen, aber dazu bräuchten Sie eine sehr gute abgeschlossene Schauspielausbildung, so dass man Ihnen das wirklich abnimmt. Und glauben Sie mir – das schaffen Sie nicht. Und ein Hund erst recht nicht. Ich war früher Lehrerin an Schauspielschulen und kann Ihnen das fachlich versichern.

Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären wütend. Egal auf was, sie haben eine richtige „Sauwut“ im Bauch. Und Ihr einziger Freund schenkt Ihnen plötzlich 100 Euro. Was passiert in so einem Moment in Ihnen? Werden Sie in dem Moment noch wütender? Mit Sicherheit nicht. Fühlen Sie sich in Ihrer Wut bestätigt? Wohl kaum. Ihr Fokus wäre in dem Moment nur bei den 100 Euro. Sie würden sich nur dann in der Wut bestätigt fühlen, wäre Ihr Partner ebenfalls wütend. Bekämen Sie jedes mal 100 Euro, wenn sie wütend sind, was würde in Ihnen vorgehen, wenn Sie einen Wutanfall in Ihnen hochkommen spüren? Richtig: Eine positive Erwartungshaltung, denn Sie wissen, dass gleich etwas Positives dazukommt, was Ihre Wut im Keim ersticken läßt. Denn ein positives Erlebnis löst Glückshormone in Ihnen aus, und die sind die schlimmsten Feinde von Streßhormomen.
Auch in diesem Beispiel könnten Sie Wut nicht vorspielen, denn auch Wut ist eine Emotion und kein Verhalten und somit nicht steuerbar oder willentlich auslösbar. Wären Sie ein sehr guter Schauspieler könnten Sie Wut glaubwürdig vorspielen, aber dazu bräuchten Sie eine sehr gute abgeschlossene Schauspielausbildung, damit man Ihnen das wirklich abnimmt. Und glauben Sie mir – auch das schaffen Sie nicht.

Liebe Hundehalter, versüßen Sie ihrem Hund unangenehme Momente und lernen Sie „Danke“ zu sagen. Das haben Ihnen schon Ihre Eltern als Kind beigebracht in der Interaktion mit Ihren Mitmenschen. Und so machen Sie es bitte auch bei Ihrem besten vierbenigen Freund. Er hat nur Sie.

99.
Kommunikation über Geruch

Hunde haben verschiedene Möglichkeiten untereinander und auch mit uns Menschen zu kommunizieren:

- über Akkkustik (bellen, jaulen, winseln, heulen)
- über Körpersprache (vor allem die sogenannten Calming Signals)
- über Berührungen (kratzen, ablecken, anschmiegen, unter die Hand schlüpfen)
- und über Geruch, das ist die sogenannte olfaktorische Kommunikation.

Das ist ein ganz besonders wichtiger Punkt, da genau diese Art der Kommunikation von vielen Hundehaltern als lästig oder unappetitlich empfunden wird.

Das erste was ein Hund macht, wenn wir mit ihm rausgehen ist die Nase senken und schnüffeln bis er eine interessante Stelle findet. Und dann markiert er darüber und macht sein Pipi. Damit kann noch fast jeder Hundehalter leben. Aber ab da wird der Hund in der Regel gnadenlos weitergezogen, sobald er weiter schnüffeln will, denn er hat sich den Spaziergangsregeln seines Menschen anzupassen. Und der will gerne zügig seine Runde drehen um diesen Teil des Tages hinter sich zu bringen.

Da treffen leider zwei völlig unterschiedliche Interessen aufeinander. Das Schnüffeln und Markieren ist ein wichtiger Bestandteil der täglichen Auslastung des eigenen Hundes. Das ist seine Nasen- und Kopfarbeit. Und zwar eine Nasen- und Kopfarbeit in seinem Sinne und nicht in unserem Sinne. Hunde schnüffeln am Pipi anderer Hunde, weil sie damit eine unendliche Vielfalt an Informationen aufnehmen können. Nicht unähnlich, wie wenn wir Facebook lesen. Wir lesen auf der Startseite all das, was unsere Freunde so bewegt, was sie erlebt haben, sowie eine Anzahl von wichtigen Artikeln, Berichten und Videos. Wir klicken dann auf „Gefällt mir“ – der Hund markiert über die wichtigen Stellen darüber.
Gefällt uns ein Artikel besonders gut, so dass wir der Meinung sind, all unsere Freunde müssen diesen Text auch unbedingt lesen, dann drücken wir auf „Teilen“ – unser Hund hingegen scharrt mit den Hinterpfoten über seine Hinterlassenschaft. Nicht weil er denkt, dass er dann Chef ist. Bitte glauben Sie solche Ammenmärchen aus dem vorigen Jahrhundert nicht. Er macht es, damit auch der Dümmste seine wichtigen Informationen mitbekommt und nicht achtlos daran vorbeiläuft. Das ist Auslastung, das ist Nasen- und Kopfarbeit, das ist Kommunikation.

Beobachten Sie sich doch bitte mal, wie oft Sie Ihren Hund dabei weiterziehen, obwohl er noch gar nicht fertig ist. Das wäre als würde Ihnen jemand beim Facebook lesen den Labtop zuklappen würde oder Ihnen das Handy aus der Hand reißen würde. Oder Ihnen die Zeitung aus der Hand reißen würde, während Sie darin lesen. Ganz schon unverschämt, nicht wahr? Aber der Hund hat seine Interessen nach unseren Vorlieben zu gestalten und nicht nach seinen – so denken es viele Hundehalter. Er soll gefälligst die Nasen- und Kopfarbeit machen, die wir uns für ihn ausdenken und nicht die die für ihn in seiner Hundewelt wirklich elementar wichtig ist. So denkt und handelt fast ein jeder, wenn auch oft unbewußt. Halten wir uns als selbsternannte Krone der Schöpfung für die besseren und klügeren Hunde? Müssen wir uns wirklich über alles erheben? Wissen wir besser, was ein Hund möchte und was ihn interessiert als er selber?
Oder kommt da von uns eventuell ein bißchen Ekel dazu? Man schnüffelt doch nicht an Urin. Nun sind wir aber die einzige Spezies, die sich vor Urin ekelt.

Und es geht noch weiter: Hunde schnüffeln nicht nur am Urin ihrer Kollegen, sondern auch am Kot anderer Hunde.
PFUI! schreit spätestens jetzt fast jeder Hundehalter und reißt den Hund besonders hart weiter. Zur Strafe für sein normales Hundeverhalten. Aber auch das ist für unsere Hunde ein wichtiges Kommunikationsmittel. Mit jedem Kotabsatz setzt ein Hund ein Tröpfchen Analdrüsensekret ab, welches fast wie ein Fingerabdruck, ein Personalausweis eines Hundes ist. Gespickt mit wichtigen Infos über sich selber und seinen Zustand. Das ist auch der Grund, warum Hunde sich am Po beschnüffeln: Es geht hierbei nicht um das Popoloch sondern um die Analdrüsen.

Haben Sie bitte keine Angst: Der Hund holt sich dabei keine Würmer, sonst hätte die Natur bei dieser Art der Kommunikation einen fatalen Fehler begangen. Schauen Sie doch mal genau hin: Er berührt mit der Nase den Kothaufen des Kollegen überhaupt nicht, sondern schnüffelt natürlich mit Abstand.

Und noch am Rande, weil man es tatsächlich in unserer modernen Zeit immer noch hört: Schnüffeln, Markieren und Scharren hat nichts mit Dominanz zu tun. Abgesehen, dass es keine Dominanz oder Rangordnung bei Hunden oder Wölfen gibt, will Ihr Hund nicht in irgendeiner Weise über Ihnen stehen, lieber Leser und Hundefreund, sondern sich über andere Kollegen informieren und einfach nur mit Ihnen in Frieden und Liebe leben und dennoch dabei Hund sein dürfen.

Liebe Hundehalter, bitte führen Sie sich immer wieder vor Augen: Ihr Hund ist kein Mensch, und schon erst recht kein Mensch mit dem Blick auf die Welt wie Sie ihn haben. Ihr Hund ist ein Hund, der Sie liebt, aber dennoch in seiner Hundewelt lebt und auch das Recht haben möchte, in seiner Hundewelt leben zu dürfen, gerade mit all den Andersartigkeiten. Gestehen Sie ihm das doch bitte zu. Er wird es Ihnen durch Ausgeglichenheit danken. Machen Sie ihm keine Streß – dann wird er Ihnen auch keinen machen.

98.
Kastration

Es ist eine typisch deutsche bzw. nord-mitteleuropäische Unsitte, Tieren die Geschlechtsteile wegschneiden zu lassen. Warum ist das so?

Ist es unsere Angst vor der Sexualität? Woher kommt das? Zwar behandeln wir unsere Tiere deutlich humaner als es in vielen anderen Ländern üblich ist, aber dennoch besteht scheinbar eine gewisse Furcht unsererseits vor ihrer Sexualität. Die Angst vor unkontrollierter Fortpflanzung ist dabei merkwürdigerweise der geringste Grund für dieses offiziell tierschutzwidrige Handeln, da unsere Haushunde nicht wie die meisten unserer Katzen unkontrollierten Freilauf genießen. Daher gilt dies hier Geschriebene natürlich nicht für Kastrationsprojekte bei Straßenhunden. „Aber unser Rüde reißt immer aus!“ höre ich oft. Hält man Tiere, muss man sie so sichern, dass sie nicht ausreißen können. Gerade Reiter (und vor allem Pony- oder Hengsthalter) wissen, dass eine Pferdekoppel so sicher sein muss, dass das Tier weder unten durch schlüpfen noch oben drüber springen kann. Das gilt natürlich für alle Haustiere. Ist der Zaun, Käfig oder Stall nicht sicher, nutzt das Tier das selbstverständlich aus.

Das Kastrieren ist offiziell ein Verstoß gegen den §6 Tierschutzgesetz: „Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen, außer bei tierärztlicher Indikation“. Hoden, Eierstöcke und Gebärmutter sind ebenso Körperteile wie Rute und Ohren. Tierärztliche Indikation bedeutet, dass das Organ wegen einer bestehenden Erkrankung amputiert werden muss – aber mit Sicherheit nicht, damit es nicht erkrankt. Vorbeugendes Amputieren ist völlig sinnlos. Es ist regelrecht grotesk, einem Lebewesen ein Körperteil vorsichtshalber abzuschneiden, damit es später mal nicht eventuell erkranken könnte.

Brustkrebs ist bei uns Frauen die häufigste Krebserkrankung, und mit Sicherheit würden wir uns nicht die Brüste prophylaktisch abnehmen lassen, damit sie eventuell nicht erkranken. Schlimm genug, dass man es dann machen muss, wenn sie vom Krebs befallen sind. Auch Dickdarmkrebs wird immer häufiger. Betreibt man da Amputation als Vorbeugemaßnahme?

Die meisten lassen ihren Hund kastrieren „weil man es halt so macht“. Ohne darüber weiter nachzudenken (und oft durch den Druck der Tierärzte ausgelöst) setzen sie ihrem Hund dem Risiko einer Vollnarkose aus und lassen ihn sich zurechtschnibbeln.

Ein Hauptgrund für die Kastration von Rüden ist die Bequemlichkeit. Dem Hundehalter ist der Trieb seines Schützlings lästig oder befremdet ihn gar und macht mal schnell ein Neutrum aus ihm. Warum musste es ein Rüde sein, wenn einem genau das lästig ist, was einen Rüden ausmacht? Warum ist dann bei der Anschaffung nicht die Wahl auf ein Mädchen gefallen? Ist der Rüde zu wild, zu temperamentvoll, läßt er sich im Freilauf schlecht abrufen, dann ist das Wegschneiden der Hoden für viele Hundehalter oft die Lösung. Dumm nur, dass der Rüde nicht wild ist, weil er Geschlechtsteile hat sondern weil das eben sein individuellles Temperament ist. Und er wird sich auch ohne Hormone nicht besser herrufen lassen, weil seine Hauptinteressen nach wie vor scheinbar nicht bei seinem Menschen liegen. Das ist dann aber eine Trainingsfrage. Hier liegen die Probleme oft ganz woanders. Und hat ein Rüde Probleme bei Hundebegegnungen, wird er sie nach dem Entfernen seiner Hoden immer noch haben.

Hündinnen werden zwei mal im Jahr läufig und bluten dabei. Wir Frauen bluten auch auch. Das ist normal und gehört zum Zyklus dazu. Hündinnen versuchen so gut es geht sich dabei sauber zu halten und das Blut aufzulecken. Im Notfall verwenden Sie spezielle Schutzhöschen um Sofas und Teppiche zu schonen.

Kastrieren bedeutet neutralisieren. Im Englischen heißt es "to neuter". Seien Sie sich bewußt: Sie machen aus ihrem Hund ein Wesen ohne geschlechtliche Identität. Und dies kann so viele Probleme mit sich ziehen.

Bitte bedenken Sie auch, dass das immer moderner werdende Frühkastieren vor der Geschlechtsreife verhindert, dass Ihr Hund jemals richtig erwachsen wird. Und nein, das ist nicht süß. Hunde werden im Alter weiser, souveräner und würdiger. Ein ewiges Riesenbaby zu haben ist doch wirklich nichts Erstrebenswertes. Die Pubertät gehört zur Entwicklung eines Lebewesens dazu.

Die Kastration kann viele Nebenwirkungen haben von Wesensveränderungen, die man eben nicht haben wollte, über Inkontinenz bei den weiblichen Tieren, weil der Beckenboden absackt, Fellveränderungen, Gewichtszunahme, Fellverlust bis zu Milz- oder Leberkrebs, die durch die Hormonveränderung scheinbar begünstigt werden. Hormone gehören zu jedem Lebewesen dazu. Wenn diese als störend empfunden werden, ist vielleicht die Anschaffung eines Hundes gar keine so gute Idee.

Hat man einen Rüden, der sichtbar leidet, der nur noch weinend im Haus sitzt, nichts frißt vor lauter Liebeskummer, könnten Sie das Einsetzen einen Hormonchips versuchen und dann immer noch abwägen: Geht es dem Hund damit besser? Machen Sie es für den Hund oder für Ihre eigene Bequemlichkeit? Ein Chip verliert nach einem halben Jahr seine Wirkung – abgeschnittene Hoden können Sie nie wieder annähen lassen.

Zu diesem Thema empfehle ich Ihnen das Buch „Kastration und Verhalten“ von Dr. Udo Gansloßer und Sophie Strodbeck.


97.

Das Pubertier

Können Sie sich noch an Ihre Pubertät erinnern? Wie waren Sie als Teenager? Oder haben Sie gar selber einen Teenager?

Ich bin 67er Jahrgang und hatte ziemlich coole Eltern, aber ich war ein furchtbarer Teenager! Mit 12 Jahren beschloss ich rebellieren zu müssen, egal um welchen Preis. Ich wußte zwar nicht genau warum und gegen was ich rebellieren sollte, aber ich tat es. Dummerweise konnte nichts meine Eltern wirklich aus der Fassung bringen, denn ein ruhiges, aufklärendes, Gespräch zur rechten Zeit tat immer seine Wirkung. Wie ich es auch anstellte, meine Eltern blieben freundlich aber dennoch klar, obwohl ich sie uncool, peinlich und spießig fand. Als ich mich Anfang der 80er deutlich anders kleidete als andere Gleichaltrige, um zu provozieren, fanden sie das auch noch süß, was mich total ärgerte. Meine Pubertät dauerte sehr lange, aber meine Eltern blieben gelassen. Erst als ich „erwachsen“ war, erkannte ich, wie toll sie waren und habe mich ausgiebig entschuldigt. „Wofür denn? Du warst ein tolles Mädchen!“

Die verflixten Hormone. Sie verhindern logisches Denken und vernünftiges Handeln. Sie dienen einem Heranwachsenden dazu, sich vom Elternhaus zu lösen, sich abzunabeln, selbstständig zu werden, Erfahrungen zu sammeln, zu erkennen, wie man sich anfühlt, wo die eigenen Grenzen liegen, wie man auf andere wirkt und letztendlich um einen Sexualpartner zu finden. Die Individualität entwickelt sich. Würde man diese Zeit versäumen, bliebe man ein ewiges Muttersöhnchen. Die Zeit der Schritte vom Kind zum Erwachsenen ist enorm wichtig, um zu einer Persönlichkeit zu reifen, zu sich selbst zu finden. Klammern die Eltern zu sehr, bleibt man unselbstständig. Lassen sie einen jedoch immer wieder Erfahrungen sammeln und reflektieren sie diese mit dem Kind, dann hat man als Pubertierender eine gute Führung, gute Vorbilder und eine sichere Anlaufstelle, einen Ansprechpartner, vor allem wenn doch mal nicht alle so klappt, wie man sich es vorgestellt hat. Was nicht allzu selten in dieser Zeit der tausend Wirren vorkommt. Und man hat jemanden dem man vertrauen kann.

Kommen wir nun zur Pubertät unserer Hunde: Denen geht es nicht anders. Im zarten Babyalter, oft mit viel zu frühen acht Wochen werden sie von ihrer Mama und ihren Geschwisterchen von uns Menschen für immer weggenommen. Von nun an übernehmen wir die Elternfunktion. Zwischen sieben und 18 Monaten setzt die Pubertät bei unseren Hunden je nach Rasse ein und endet mit ca. drei Jahren. Bis dato war alles super. Baby hing an Mamas Rockzipfel, der Überlebensdrang machte es notwendig, immer bei seinen Menschen zu bleiben, denn Alleinsein kann im schlimmsten Fall den Tod bedeuten.
Bis dahin war alles easy, denn seine Menschen waren das Tollste und Wichtigste in seinem Leben. Aber ab Beginn der Pubertät unseres Zöglings liegt es die nächsten zwei Jahre an uns Hundehaltern, uns zu als gute „Hundeeltern“ bewähren. Je verständnisvoller, klarer und ruhiger wir bleiben, desto mehr wird bei unseren vierbeiningen Pubertätsflegeln im Hinterkopf verankert sein, was sie an uns haben.

Bitte haben Sie Verständnis. Es wäre unnormal, würde unser Teeny-Hund sich nicht so verhalten, wie sich ein pubertierender Hund verhält: Rückruf klappt so gut wie gar nicht mehr. Alles ist spannender als wir Menschen. Alles was ihnen begegnet wird mit übertriebenem Mißtrauen, großer Unsicherheit oder übersteigerter Begeisterung aufgenommen und drastisch hochgespielt. Die Hormone verhinden klares oder logisches Denken. Da können Sie noch so schimpfen oder schreien. Es wird genau das Gegeteil bewirken. „Die/der Alte nervt!“

Arbeiten Sie in dieser Zeit an Ihrem Verhalten und nicht an dem Ihres Hund. Seien Sie toller, spannender, begehrenswerter, unübertrefflicher als alle Reize von außen. Seien bzw. werden Sie der Hundehalter, den Ihr Hund auch weiterhin mit Freuden als Anlaufstelle und als Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte braucht und nicht das keifende, strafende, unberechenbare, schlecht gelaunte Etwas, das ihn ja letztendlich freiwillig in diese Zwangsbeziehung geholt hat. Haben Sie Nachsicht. Er meint es nicht böse. Er kann nicht anders. Das ist nicht gegen Sie gerichtet. Einer von Ihnen beiden muss einen klaren Kopf bewahren. Sie sind nicht mehr in der Pubertät und haben einen deutlich höheren IQ als Ihr Hund. Nutzen Sie diesen.

Seien und bleiben Sie erwachsen, lebenserfahren und weise. Bleiben Sie das Vorbild für Ihren Hund und nicht die Person, von der man sich eigentlich abnabeln will oder vor der man gar Angst haben muss.

In zwei Jahren erhalten Sie den Lohn dafür. Ein Partner durch Dick und Dünn, der zu schätzen weiß, was er an Ihnen hat. Da müssen Sie durch, lieber Hundehalter.
96.
Auslastung

Ein Jagdhund kann jagen, muss es aber nicht
Ein Hütehund kann hüten, muss es aber nicht
Ein Apportierhund kann apportieren, muss es aber nicht
Ein Wachhund kann wachen, muss es aber nicht
Ein Schlittenhund kann Schlitten ziehen, muss es aber nicht
Ein Treibhund kann treiben, muss es aber nicht
Ein "Kampfhund" kann kämpfen, muss es aber nicht
Und ebenso:

Ein Galopprennpferd kann Galopprennen gehen, muss es aber nicht
Ein Springpferd kann springen, muss es aber nicht
Ein Trabrennpferd kann Sulkys ziehen, muss es aber nicht
Ein Dressurpferd kann Dressurturniere machen, muss es aber nicht
Ein Kutschpferd kann Kutschen ziehen, muss es aber nicht

Verstehen Sie worauf ich hinaus will? Wir haben Hunderassen gezüchtet, bei denen gewisse Fähigkeiten (die alle vom Jagdverhalten stammen) vorrangig sind, um sie durch gezielte Förderung uns zu Nutze zu machen. Damit ihre Fähigkeiten unseren Zwecken dienen. Letztendlich sind Hunde immer noch Hunde, also Raubtiere, die täglich ca. 20 Stunden Schlaf bzw. Ruhe brauchen und für die jede Form von Streß kontraproduktiv ist.

Würden all diese aufgezählten Hunderassen auf der Straße leben, würde man keinen Unterschied bemerken. Alle würden sich so wenig wie möglich bewegen, was typisch für Raubtiere ist, und in den paar Stunden des Wachseins würden sie die Straßen durchstreifen, auf der Suche nach Essbarem und zum Schnüffeln und Markieren, also Kommunikation über Geruch mit den Kollegen und eventuell bei Sympathie die Zeit miteinander verbringen oder ein wenig spielen. Würden sie rennen, würde ihnen alles Wichtige entgehen.

Wohl kaum würde der Border Collie, der auf der Straße lebt, krampfhaft etwas zum Hüten suchen oder über Hindernisse springen, die man auch umgehen kann, der Wachhund etwas zum Bewachen suchen, der Jagdhund in den Siedlungen umherrennen, der Schlittenhund aufgekratzt sein, weil er keine Menschen ziehen darf, der sogenannte "Kampfhund" nur darauf lauern, wen er als nächstes töten könnte oder der Windhund im Ausdauersport-Modus sein Leben in Zeitraffer verbringen. Hunde sind Energiesparer. Kaum ein Tier rennt länger als ein paar Minuten, außer es ist auf der Flucht. Wir sind aber nicht auf der Flucht. Flucht ist Streß.
Den Drang nach Auslasten haben wir Menschen, die wir in diesem System leben, in dem Fleiß und Strebsamkeit wünschenswerte Tugenden sind, in dem faul zu sein als etwas Negatives gilt.

Naturvölker hingegen leben in etwa wie Straßenhunde. Ruhen, zusammensein und auf Nahrungssuche gehen, sprich jagen, Ackerbau im kleinen Stil oder sammeln.

Das Problem der meisten Hundehalter ist, dass die Hunde zu hektisch und hibbelig sind, an der Leine ziehen oder im Freilauf sich nicht mehr herrufen lassen, bzw. nicht mehr ansprechbar sind. Und das sind meistens die Hunde, die gutgemeint genau deswegen ausgelastet werden, weil sie sonst angeblich noch hibbeliger werden würden. Hundesport, exzessives Ballwerfen, am Fahrrad mitlaufen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Je mehr der Hund "ausgepowert" wird, desto mehr Adrenalin, Cortisol und andere Hormone produziert sein Körper. Und dieser Cocktail  macht süchtig. Es wirkt wie Kokain oder Ecstasy beim Menschen. Man will mehr, weil man deutlich über seine eigenen körperlichen Grenzen gehen kann. Man will high sein und bleiben.
Schlafentzug durch zuviel Auslastung ist nicht selten bei Hunden. Überlegen Sie, wie wir reagieren, wenn wir zuwenig Schlaf haben. Wir werden gereizt, übersensibel, aggressiv, unkonzentriert und sind gestresst. Und wenn wir uns dazu noch den Tag mit Terminen vollstopfen, drehen wir irgendwann mal total am Rad oder bekommen Depressionen. Bis zum Burn Out, welches schon fast eine Volkskrankheit geworden ist. Leistung! Action! Powern! Und in der Freizeit dann noch schnell eine Stunden Joggen oder Radfahren im High Speed Tempo mit Tunnelblick. Wer bremst verliert!

Ich kann Ihnen nach jahrelanger Arbeit und Erfahrung mit Problemhunden egal welcher Art nur dringend ans Herz legen: Entschleunigen Sie sich und Ihren Hund. Fahren Sie das Tempo runter. Back to the roots. Nehmen Sie ihren Hund als Medium zum Herunterunterkommen, zum Entspannen, zum Chillen, zum gemeinsamen Genießen. Bummeln Sie mit ihm, wenn er an der Leine ist und geben Sie ihm die Gelegenheit, wieder zu schnüffeln und zu markieren. Es ist sein Spaziergang und nicht Ihrer. Sie begleiten ihn und schlagen den Weg vor, aber lassen Sie sich nicht von seiner Hektik, die letztendlich SIE ihm begebracht haben, anstecken. Zeigen Sie ihm, wie schön Bummeln ist, wie schön ein entschleunigter Spaziergang (es sollten je nach Rasse circa 2 - 3 Stunden in der Summe täglich sein) sein kann. Was man alles entdecken kann, wenn man weg von der Ausdauersport-Idee oder dem Auspowern kommt. Auslasten bedeutet die Sinne einzusetzen, aber nicht nach unserem menschlichen Gutdünken. Lassen Sie sich von Ihrem Hund seine Welt zeigen und nicht umgekehrt. Und bleiben Sie im Bummeltempo, auch wenn der Hund im Freilauf oder an der Schleppleine ist. Da kann er selber entscheiden, wie schnell er gehen möchte. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie ihn nicht zum Rennen und Hetzen animieren, wieviel kürzer die Galoppphasen werden und wieviel kleiner der Abstand zu Ihnen werden wird. Rufen Sie ihn nur dann, wenn es wirklich nötig ist. Es ist sein Spaziergang. Und lassen Sie ihn bitte so wenig wie möglich alleine. Einsamkeit bedeutet nicht Ruhe sondern Streß. Wenn Sie das wirklich langfristig durchziehen, werden Sie sehen, um wie vieles entspannter Sie und ihr Hund werden und wie Ihr Hund viel mehr auf Sie achtet.

Seien Sie klug, seien Sie weise und seien Sie ein guter Kamerad Ihres besten vierbeinigen Freundes. Wir sind nicht auf der Flucht. Ihr gemeinsames Zusammenleben ist zeitlich begrenzt. Führen Sie sich das bitte immer wieder vor Augen.
Foto: Straßenhund am Strand von Sri Lanka

95.
Über die Freundschaft

Wie definiert man Freundschaft?
Gegenseitige Sympathie, Zuneigung und Vertrauen, das sich Respektieren in seinen Eigenarten, das sich gegenseitige zur Hilfe kommen. Das sind die Erklärungen, die man dazu im Netz findet.

Es steht allerdings nichts dabei, dass der eine dem anderen Befehle erteilt, erzieht, einer dem anderen gehorsam sein muss, ihn dressiert, schlägt, straft, tritt, ruckt, würgt, bedroht oder Ähnliches.

Und eine Freundschaft mit einem Tier? Unsere Hunde schenken uns freiwillig Ihre Freundschaft, ihre Sympathie, ihre bedingungslose Liebe. Sie lieben uns mit all unseren Ecken und Kanten, mit all unseren Fehlern.

Und wie sieht das Ganze von unserer Seite aus? Ist es so schwer, genau dies zurück zu geben? Warum fällt es den meisten Hundehaltern so schwer, ihrem Hund ein wirklich bester Freund zu sein? Ist die Vorstellung, seinem Hund ein bester Freund und nicht sein Oberlehrer oder sein Oberbefehlshaber zu sein wirklich so abwegig? Der Drang ihn zu kontrollieren, zu korrigieren, zu herrschen, zu befehlen und zu strafen ist so in den Hundehaltern drinnen. Warum? Das ist doch genau das Gegenteil von Freundschaft. Einem Hund der beste Freund zu sein, gegenseitiges Vertrauen, einer für alle – alle für einen, durch Dick und Dünn, ein Miteinander und kein Gegeneinander... das ist Freundschaft. Und das ist harte Arbeit. Aber nicht am Hund, nur an sich selber. Jeden Tag auf Neue.

Haben Sie einen besten Freund? Jemand, dem Sie alles anvertrauen können, jemand, der immer für Sie da ist, der für Sie wenn Sie in Not sind alles stehen und liegen läßt? Was mussten Sie dafür tun, das dem so ist? Solche Freundschaften sind gewachsen und können ein Leben lang halten – wenn man was dafür tut. Geschenkt gibt es nichts im Leben. Freundschaften kommen und gehen. Je älter man wird, desto anspruchsvoller wird man. In der Jugend hat man viele Freunde, und manchmal einen besten Freund. Im Alter hat man immer weniger, und wenn man dann noch einen wirklichen besten Freund hat, kann man sich sehr sehr glücklich schätzen.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie ähnlich sich zwei beste Freunde sind? Weil der eine den anderen erzieht? Mit Sicherheit nicht. Sondern die beiden schauen von sich gegenseitig ab. Kopieren unbewußt Spracheigenheiten, Gestik, Mimik und soziales Verhalten des anderen.

Kennen Sie die Geschichte von James Bowen und seinem Straßenkater Bob? Der Kater hat diesen Menschen als seinem besten Freund ausgesucht. James hat nichts gewollt, Bob hat ihn ausgesucht und ist ihm in allen Situationen treu geblieben. Ohne Bedingung. Das ist eine wirkliche Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Und das ist möglich. Und zwischen Ihnen und Ihrem Hund wesentlich einfacher als zwischen Ihnen und einer Katze. Wenn wir lernen loszulassen und weg kommen vom Wollen, dann wird das Zusammenleben zwischen Ihnen und Ihrem Hund ein Leichtes.

Bitte seien Sie Ihrem Hund der beste Freund. Er hat nur Sie – sonst niemanden. Bitte kommen Sie von dem Gedanken ab, dass er Ihnen gehorchen muss. Er ist ein Tier – und er liebt Sie von ganzen Herzen. Das sollten wir uns primär vor Augen führen. Wer gibt uns das Recht von ihm Gehorsam zu fordern? Von ihm zu verlangen, sich vor uns in eine von uns gewünschte Körperpostition zu begeben? Zu verlangen, dass er sich noch mehr unterordnen soll, als er es sowieso von Natur aus tut?

Und bitte haben Sie keine Angst: Er wird kommen, wenn Sie ihn rufen, weil er ihr Freund ist, aber das müssen Sie sich erarbeiten und sich verdienen, aber eben nicht andressieren. Er wird ruhig sein, wenn Sie ihm zeigen wie ruhig Sie in stressigen Situationen sein können. Er wird entspannt sein, wenn Sie als einziges Vorbild das er hat, es ihm vormachen, gerade, wenn um Ihnen herum nur noch Chaos herrscht. Er wird vernüftig reagieren, wenn Sie vernüftig sind. Es steht und fällt mit Ihrem Verhalten – die Freundschaft.

In diesem Sinne – seien Sie ein verläßlicher, kluger, achtsamer, kreativer, weiser und empathischer Freund, und Ihr Hund wird Ihnen ein Ebensolcher sein. In jeder Situation.

94.
Kennen Sie das: Jemand ruft hinter Ihnen Ihren Namen, und sie drehen sich fragend und suchend um und schauen, wer das gewesen sein könnte. Sie haben eine Erwartungshaltung und sind neugierig, was diese Person Ihnen wohl mitteilen möchte, bzw. was sie wohl von Ihnen möchte. Das ist fast ein Reflex. Nennt eine Person, die Sie kennen freundlich Ihren Namen, sind Sie schon fast gespannt, was sie Ihnen wohl zeigen oder mitteilen möchte. Nennt diese Person jedoch genervt oder gar fordernd Ihren Namen, dann sind Sie selber auch sofort genervt, verdrehen vermutlich die Augen und wünschen diese Person in diesem Moment sonstwohin. Selbst wenn Sie sie lieben. Sie fühlen sich durch sie in dem gestört, was sie gerade tun. Käme Derartiges öfter vor, würden Sie sich sicherlich innerlich von ihr abwenden und sie immer mehr als Negativ- und Störfaktor in Ihrem Leben empfinden.

Kommen wir zum Hund, bzw. Ihrer Beziehung und Ihrem Zusammenleben mit Ihrem Hund.

Wir nehmen jetzt mal folgendes Beispiel: Ihr Hund macht etwas, was Sie nicht möchten, z.B. an Ihre Einkäufe gehen, wenn Sie nach Hause kommen oder draußen beim Spazieren gehen in einen Garten reinlaufen, dessen Gartentürchen offen ist. Oder eine Fährte aufnehmen. Oder etwas Essbares im Gebüsch suchen. Normales Hundeverhalten. Die Einkäufe stehen am Boden herum und sind ungesichert, also für einen Hund in seiner Hundewelt, in seiner Hundedenke freigegeben. Das Gartentürchen, das offen steht ist für einen Hund eine Gegend, die er noch nicht erkundet hat. Dass Zäune eine menschliche Grenze zwischen Mein und Dein sind, wird er in seiner Hundewelt nicht verstehen, vor allem nicht, wenn sie nicht durchgehend geschlossen sind. Eine Fährte, die er erschnüffelt und der er folgen will ist in seiner Welt eine spannende Info, die seine Fähigkeiten fordert. Ein verlockender Essensgeruch, dem er folgt sichert in seiner Welt sein Überleben. Es gäbe unendlich viele Beispiele wie diese, die für den Hund in seiner Welt einen Sinn ergeben, und auf die die ein Hundehalter dann mit einem sogenannten Abbruchsignal reagiert. Ein Abbruchsignal ist ein PFUI! NEIN! AUS! KSCHT! in der klassichen Hundeerziehung, in der modernen TV-Hundetrainererziehung das Nachwerfen von Rappeldosen, Wurfketten oder Discs, das in der Schweiz mittlerweile verbotene Sprühhalsband oder das in Deutschland verbotete Stromhalsband. Diese Liste läßt sich endlos erweitern. Da werden Hundehalter bizarrerweise auf einmal sehr kreativ, wenn es darum geht, den eigenen Hund zu erschrecken oder zu bedrohen.
Der Hund erschrickt folglich bzw. bekommt Angst und unterläßt in der Regel sein Vorhaben. Den Grund für die Reaktion seines Menschen versteht er in seiner Welt nicht, er bekommt nur mit, dass sein Mensch auf einmal schlecht gelaunt und ziemlich unberechenbar ist.
Vielleicht habe Sie ja in Ihrem Bekanntenkreis einen unberechenbaren Mitmenschen. Mit so jemandem möchte man nicht zwingend viel Kontakt haben, nicht wahr?

Wenn Sie das nächste mal in eine Situation kommen, in der der Hund etwas macht, was Sie nicht möchte, sagen Sie bitte doch einfach mal ganz freundlich, leise, erwartungsvoll, ja fast fragend seinen Namen. In dem Moment, in dem er Sie anblickt, loben Sie ihn leise und sehr freundlich und bitten ihn zu sich her, geben ihm ein Leckerchen oder fordern ihn motivierend auf, mit ihnen weiter zu gehen. Und er somit hat er vergessen, was er gerade tun wollte. So elegant löst man kleine Problemchen in Freundschaft. Das müssen Sie nicht trainieren, machen Sie es einfach dann, wenn die Situation es erfordert.

Somit sind Sie in seinen Augen nicht die Spaßbremse, die ewige Nörglerin, die unberechenbare schlechte-Laune-Verbreiterin, sondern die Person, die immer die besseren Ideen hat. Je mehr sie dies verfeinern, desto besser wird diese Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Hund klappen. Probieren Sie es aus! Es macht Spaß! So bekommen Sie einen wirklichen Freund, einen tollen Partner durch Dick und Dünn.

Ich habe meine fünf Hunde noch nie gestraft, geschimpft oder gemaßregelt. Sie kennen mich nur als eine sie unendlich liebende, freundliche Sozialpartnerin, der man zu 100% vertrauen kann. Und sie wissen, dass Ihr Name stets positiv besetzt wird. Das ist das Geheimnis. Eigentlich ganz einfach, finden Sie nicht?

In diesem Sinne – bleiben sie freundlich, bleiben Sie gerecht und bleiben Sie fair zu dem Wesen, welches Sie mehr liebt als Sie je ein Mensch lieben wird.

93.
Der Leinenruck

Mit eine der meist ausgeführten Strafen, die dem Hund angetan werden. Jeder macht es, teilweise sogar schon unbewußt. Mit dem Leinenruck fügen wir dem Hund etwas Unangenehmes, etwas Schmerzhaftes zu. Man verwendet ihn in der Regel so, wie wenn man ein Kind schüttelt, es zur Räson bringen will.

Der Hund wird geruckt: Wenn er zieht. Wenn er die Länge der Leine auskostet, die ihm der Hundehalter läßt. Wenn der Hund nicht nahe genug bei seinem Menschen geht. Wenn er zu anderen Hunden hinwill. Wenn er knurrt, bellt oder andere Geräusche von sich gibt. Wenn er ein Kommando nicht befolgt. Wenn er nicht stillsteht und und und. Die Gründe sind unendlich. Und als Strafe wird im mit einem harten Ruck die Luftröhre eingedrückt. Vergleichbar mit einem Handkantenschlag gegen unsere Luftröhre.

Warum machen das so viele Hundehalter? Erwarten sie tatsächlich, dass der Hund dann das unerwünschte Verhalten ein für alle mal sein läßt, bzw. das verlangte Verhalten auch tatsächlich ausführt? Dem Hund zu unterstellen, dass er ein Schuld- und Unrechtsbewußtsein hat, ist eine ganz üble Form der Vermenschlichung. Wir erwarten, dass er blindlings unsere Wünsche und Befehle befolgt und sich dessen dann bewußt wird, warum ihm die Luftröhre eingedrückt wird. Anstatt ihm das Gewünschte einfach noch mal in Ruhe zu zeigen, beizubringen, wird lieber ungehemmt gestraft. Scheinbar liegt das den meisten Hundehaltern mehr. Warum? Was bringt es, dieses ruckartige Zufügen von schlimmen Schmerzen? Wut über den Hund, der nun mal in seiner kleinen Hundewelt lebt oder Wut über die eigene Unzulänglichkeit?

Wenn wir jetzt mal betrachten aus wie vielen Gründen geleinenruckt wird – woher soll bitte der Hund in dem Moment wissen, was Ihr Anliegen ist? Bitte bitte geben Sie doch Ihrem Hund die Gelegenheit, es richtig zu machen:
Zeigen Sie ihm, dass Gehen an der durchhängenden Leine sich lohnt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn Sie nicht wollen, dass er die von Ihnen gewährte Länge ausnutzt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn Sie wollen, dass er dicht bei Ihnen geht, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer, wenn er still stehen soll, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Halten Sie die Leine kürzer und bringen Sie ihn auf Ihre andere Seite, wenn er (verständlicherweise) zu anderen Hunden hinwill, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Schützen Sie ihn, wenn er knurrt (er schützt sich sonst verständlicherweise selber), anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.
Beruhigen Sie ihn, wenn er bellt, anstatt ihm die Luftröhre ruckartig einzudrücken.

Haben Sie ihm ein Kommando vielleicht gar nicht richtig beigebracht, wenn er es nicht befolgt? Oder ist er gar so gestreßt, dass er es aus Gründen des Selbstschutzes gar nicht befolgen kann? Versetzen Sie sich in ihren Hund. Wie würde es Ihnen in solchen Situationen gehen?

Und: Auch mit Brustgeschirr (was dem Halsband IMMER vorzuziehen ist) bewirkt ein Leinenruck einfach nur Streß für einen Hund, schürt aber keinerlei Schuld- oder Unrechtsbewußtsein.

Fazit: Lassen Sie es doch einfach. Lassen Sie diese sinnlose Gestrafe, dieses Dampf ablassen an diesem Sie liebenden, unschuldigen Wesen, welches Sie vergöttert. Jeder andere würde Sie für so eine Behandlung für immer hassen.

92.
Gehirnwäsche

Dieses Wort kennt man im Zusammenhang mit Sekten, vor allem Scientology.
Gehirnwäsche ist eine psychologische Manipulation. Ziel ist, die Grundeinstellung und Realitätswahrnehmung eines Menschen dauerhaft zu verändern.

Was ist oder war unser Grundbedürfnis einst als Kind als wir uns erstmals einen Hund wünschten? Natürlich: Einen Freund zu haben, etwas zum Kuscheln, zum Liebhaben, zum Verwöhnen zu haben. Aus dem gleichen Grund wünschen sich Kinder Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen, ein Pony oder ein Pferd. Allein das Fell verleitet uns, hinzufassen, das Tier zu streicheln, ihm und uns damit etwas Gutes zu tun. Tiere mit Fell lösen in uns einen Streichelreflex aus. Bei Haustieren, die man eher zum Beobachten anschafft ist das nicht der Fall. Fische, Reptilien oder Amphibien dienen eher dem Forscherdrang. Seltenst fühlt man eine innere Verbundeheit zu diesen Tieren.
„Darf ich die mal streicheln?“ fragen fast alle Kinder, die meine Schäferhündin Bianca und meine vier reizenden Chihuahuamädels erblicken. Gerne gestatte ich das, weil ich weiß, dass meine Mädels es lieben und sie damit fremde Menschen und auch Kinder mit etwas Positiven verbinden.

Herzen, lieben, kuscheln, beschützen, verwöhnen, mit dem Tier reden, es dicht bei sich haben, es trösten – das ist der tiefe Wunsch. Dafür holen bzw. holten wir uns Tiere ins Haus.

Und dann geht die Gehirnwäsche los: Ausgelöst von anderen Hundehaltern, von unzähligen Medien, von Hundetrainern und Hundeschulen.
ALLES FALSCH! Wird einem ab da gesagt.
Alles was wir bis dato im Zusammenhang mit dem besten Freund des Menschen aus dem Bauchgefühl heraus machen wollten ist auf einmal falsch. Es soll angeblich genau das Gegenteil bewirken. Empathie sei falsch, wird uns gesagt. Herzen, lieben, kuscheln, verwöhnen, mit dem Hund reden, ihn dicht bei uns haben zu wollen mache aus dem Hund angeblich eine unberechenbare Bestie, die alles gegen uns verwenden wird und Chef über uns sein will. Unserem Verstand, unserem Bauchgefühl und unserem Herz sollen wir auf keinem Fall trauen. Alles falsch, was wir uns bisher gedacht und für richtig gehalten haben.

Also gehen wir davon aus, dass die Masse recht hat und fangen an, zu unserem Hund hart zu sein, streng zu sein, ihn zum Befehlsempfänger zu machen, ihn zu strafen, ihm Dinge zu unterstellen, die er gegen uns verwenden könnte, ihn zum Feind zu deklarieren, ihn zu dressieren, ihn zum Funtionieren zu bringen, ihm seine Individualität auszutreiben, ihn in ein Schema zu pressen, ihn zu normen, ihn wie einen Soldaten zu behandeln, in Kommandos mit ihm zu reden, ihn für unsere Konkurrenzdenke zu benutzen.

Und schon hat die Gehirnwäsche funktioniert. Sie sind mitteldrinnnen und geben sie weiter. Wie bei der Flüsterpost. Wie ein Virus greift die Gehirnwäsche um sich. Die Hundehalter haben ihr Gehirn abgegeben, hören nicht mehr auf ihr Herz, auf ihren gesunden Menschenverstand, auf ihr Bauchgefühl. Empathie wird komplett verlernt.

Und dann wundern wir uns, wie es kommen kann, dass junge Leute und sogar Erwachsene, ja selbst Promis in Sekten reinrutschen und nicht mehr rauskommen.

In diesem Sinne – Bleiben Sie Sie selbst. Bleiben Sie ein Mensch voller Liebe – es gibt ohnehin zu wenig davon auf diesem Planeten.



91.
Im Restaurant

Ein Hundehalter geht ins Restaurant. Noch bevor es sich selber richtig hingesetzt hat, befiehlt er seinem Hund: „PLATZ!“ Warum? Weil man es immer schon so gemacht hat. Ein Hund hat sich in einem Restaurant sofort unter Ihnen auf den Bauch zu werfen.
Versetzen Sie sich doch bitte mal in Ihren Hund: Er betritt mit Ihnen einen fremden, beengten Raum voller Menschen, voller Lärm, voller Dunst, voller eifriger Kellner, die zielgerichtet auf Ihren Tisch hineilen. Eine überaus stressige Situation, die einen Hund eigentlich zum Rückzug bewegen würden. Und Sie zwingen ihn, diese Situation auf dem Bauch liegend auszuhalten. In der Regel sind mehrere PLATZ!SITZ!BLEIB! notwendig, zumal auch Sie hektisch werden, wenn es nicht gleich beim ersten Mal klappt. So erfährt Ihr Hund in dem Moment, dass der Restaurantbesuch tatsächlich wirklich stressig oder gar gefährlich ist. Sie machen es ihm ja gerade vor. Und er hat nur Sie als Vorbild. Sie sind der einzige Sozialpartner, den er hat, von dem er Verhalten abschauen kann. Lernen durch Abschauen ist die leichteste Art des Lernens, denn sie bedarf keiner Übungeinheiten, keiner Strafe und keiner Belohnung.

Sie möchten, dass Ihr Hund im Restaurant ruhig und entspannt bleibt? Wie machen Sie es denn tagtäglich bei Ihren drei Mahlzeiten zu Hause? Richtig – Sie setzen sich an den Tisch, und Ihr Hund wird sich mutmaßlich in sein Körbchen kuscheln, so wie er es den ganze Tag macht, da er ca. 20 Stunden Ruhe braucht um physisch und psychisch stabil zu bleiben. Mit Sicherheit müssen Sie da dann nicht PLATZ! befehligen.

Machen Sie es doch im Restaurant genauso: Projezieren Sie die häusliche Situation ins Restaurant. Halten Sie wenn Sie auf Ihrem Platz sitzen die Leine so kurz, dass er dicht bei Ihnen ist, und nirgends hinkommt, wo er stören könnte, also unter dem Tisch oder unter Ihrer Bank. Und dann lassen Sie bitte innerlich los. Atmen Sie entspannt aus, kommen Sie an und blättern mit einer Hand in Ruhe die Karte durch. Kommen Sie weg vom Wollen, von Ihren gewohnten Erwartungen. Denn ab jetzt ist es völlig egal, ob Ihr Hund steht, sitzt, liegt, Handstand oder Schneidersitz macht. Es ist doch sein Recht zu entscheiden, wie und in welcher Körperposition er die nächsten ein, zwei Stunden verbringen möchte. Nämlich so, wie es ihm am angenehmsten und am sichersten erscheint. Er kann ja nicht weg. Versuchen Sie es, und Sie werden sehen, wenn Sie innerlich loslassen und Ihren Fokus auf die Speisekarte oder Ihr Essen richten, wird Ihr Hund sich entspannt hinlegen. Wie zu Hause. Falls Sie Ihren Hund zu Hause bei Tisch füttern, dann fällt es ihm mutmaßlich schwerer, im Lokal zu liegen. Sie haben die Möglichkeit, ihm dennoch (heimlich)ein paar Happen zuzustecken – oder eben nicht. Aber dann bitte ohne beschwichtigende Texte, sondern Fokus auf das, was SIE gerade tun, nicht was der Hund tut. Denn sonst schüren Sie eine Erwartungshaltung bei ihm. Je mehr Sie ihn zutexten, dass es jetzt leider nichts gibt, desto mehr Gewichtigkeit legen Sie auf die Situation. Bleiben Sie bei sich.

90.
Haben Sie es sich verdient?

„Der muss hören!“
„Der muss folgen!“
„Der muss kommen!“

Ach ja? Muss er das?

Haben Sie es sich denn verdient? - „Wie verdient?“
Sind Hunde auf der Welt, um unsere Untertanen zu sein, unser Befehlsempfänger? Unsere Roboter? Als Dank dafür, dass Sie uns bedingungslos lieben? Egal wie wir sind? Alt, jung; dick, dünn; wunderschön oder häßlich wie die Nacht; intelligent oder dumm wie Brot; politisch links oder rechts? Sie lieben uns so wie wir sind. Mit all unseren Ecken und Kanten, Macken und Eigenheiten. Wer in unserem Leben würde das machen? Niemand! Wirklich niemand! Nur unsere Hunde. Ab dem Tag an dem sie bei uns einziehen. Sollte nicht der Dank dafür sein, dass wir diese Liebe ebenso bedingungslos zurückgeben? Wäre doch ein naheliegender Gedanke, nicht wahr? Aber die Gehirnwäsche von außen verbietet uns das ganz schnell. Der Hund hat zu gehorchen, das ist das was wir statt dessen erwarten. Frust und Wut kommt schnell auf, wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird. Von einem Wesen mit dem IQ eines zweijährigen Kleinkindes, welches in einer ganz anderen Welt lebt. Eben in der Hundewelt.

Wenn Sie möchten, dass Ihr Hund „hört“ (also das Synonym für „gehorcht“), dann fragen Sie sich doch erst einmal, ob das für Ihren Hund in seinem Leben einen Sinn ergibt. Wenn Sie möchten, dass Ihr Hund „folgt“ (also das Synonym für Ihre Befehle ausführt, dann fragen Sie sich doch erst einmal, ob das für Ihren Hund in seinem Leben einen Sinn ergibt. Wenn Sie möchten, dass Ihr Hund „kommt“ (also das Synonym für das klasssisch-militärische Abrufen), dann fragen Sie sich doch erst einmal, ob das für ihn einen Sinn ergibt.

Es gibt nichts geschenkt im Leben (außer der Liebe Ihres Hunde zu Ihnen). Wenn Sie zusätzlich zu der bedingungslosen Liebe auch noch bedingungslosen Gehorsam fordern, werden Sie ein Problem bekommen. Der beste Freund des Menschen, also Ihr Hund, hat trotz aller Liebe zu Ihnen auch eine Erwartunghaltung an sie. Da er kein Masochist ist, möchte er gerne verstehen, was und warum sie etwas von ihm wollen.
Wenn Sie möchten, dass er im Freilauf für Sie alles stehen und liegen läßt, müssen Sie ihm schon etwas bieten. Ein herrrisches HIER! oder „HIERHER! ist beileibe keine Alternative zu einer Ablenkung, die ihm in dem Moment in seinem Leben wichtiger erscheint. Er lebt in seiner Hundewelt. Also bieten Sie ihm etwas, wenn Sie schon etwas von ihm wollen, das eigentlich gegen sein augenblickliches Bedürfnis ist. Rufen Sie ihn doch so, dass er wirklich Lust hat zu Ihnen zu kommen. Stacheln Sie ihn an, machen Sie ihm eine Party, eine Show, begeistern Sie ihn, motiviern Sie ihn, seien Sie toller, besser, lustiger, spannender, unwiderstehlicher und großartiger als alles andere, was ihn momentan interessiert. Er liebt Sie doch so sehr! Bedanken Sie sich bei ihm, wenn er zu Ihnen kommt, mit einem besondern Leckerbissen. Er hat es für SIE getan. Und nicht weil es es muss, sondern wie er es selber wollte. DAS ist die Kunst!

Nicht anders funktioniert Freundschaft: Beim Menschen wie auch bei einem Tier. Und am leichtesten ist es bei einem Hund. Dem besten Freund des Menschen.

In diesem Sinne - erarbeiten Sie sich tagtäglich Ihre Freundschaften aufs Neue. Sei es zu Mensch oder zu Tier



89.
Ein Baby schreit

Was tut man als liebende Mutter nicht alles, um es zu beruhigen?
Es hochnehmen. Es auf dem Arm wiegen. Es trösten. Ihm ein Liedchen singen/summen. Es stillen. Ihm das Fläschchen anbieten. Ihm den Schnuller geben. Schauen, ob die Windeln voll sind. Ob ein Bäuerchen ansteht. Ob es Bauchweh hat. Ob es Fieber hat. Ob ihm zu warm oder zu kalt ist. Ob die Liegeposition unangenehm ist.
Wie man sich ins Zeug legt, um dieses kleine hilflose Wesen in Not zu beruhigen. Die Natur will, dass es sein Leid laut herausschreit, um uns zu alarmieren, damit wir unserer Pflicht zum Beschützen nachkommen, damit der Nachwuchs überlebt. Das kann dauern, bis sich das kleine Bündel dann endlich beruhigt, aber als liebende Mutter weiß man das und nimmt sich geduldig diese Zeit.

Ein Hund bellt

Es ist dem Hundehalter in der Regel völlig egal, was die Ursache ist. Der Hund wird in der Regel dafür sofort verbal gemaßregelt, körpersprachlich bedroht oder gestraft. In dieser Gesellschaft scheint kein Platz zu sein für die akkustisch geäußerten Befindlichkeiten des eigenen Hundes.
Seien Sie sich bitte bewußt, dass Bellen immer ein Ausdruck von Erregung ist. Diese kann positiv sein, z.B. die Vorfreude auf einen anstehenden Spaziergang oder auf das Essen oder die Begeisterung während eines Spieles. Die Erregung kann aber auch negativ sein, z.B Streß, Unsicherheit, Angst, Einsamkeit. Und das ist der häufigere Fall.
Bellen ist die Sprache der Hunde. Die Kuh macht muh, Pferde wiehern, Katzen miauen, Vögel zwitschern, Hühner gackern, Bienen summen, Ziegen meckern, alles Tiergeräusche. Nur das Bellen des eigenen Hundes löst in uns sofort negative Emotionen aus, anstatt unseren Beschützerinstinkt zu aktivieren und uns dazu zu bringen, den Auslöser zu suchen und unseren von uns abhängigen, vierbeiningen Freund zu beruhigen. Er ist unser Schützling. Wenn er bellt, dann bitte berühren Sie ihn liebevoll, reden Sie mit ihm, streicheln Sie ihn, suchen Sie seinen Blickkontakt. Nutzen Sie Ihre "Geheimwaffe" - das Kuschel- und Bindungshormon Oxytozin, welches bei liebevoller Zuwendung vom Körper gebildet wird, und welches hilft, das Streßhormon Cortisol abzubauen.


88.
Stellen Sie sich vor, wir zwei treffen uns und finden uns sympathisch. Ich sage Ihnen, wie toll ich Sie finde, wie ich Sie bewundere, wie gut Sie aussehen, wie klug Sie sind, wie großartig ich es finde, wie Sie Ihr Leben meistern, wie hervorragend Sie sich kleiden, wie talentiert Sie sind und so weiter.
Mit Sicherheit streben Sie es an, dass wir uns öfter treffen. Lob ist Balsam für die Seele, man fühlt sich geliebt, wertig, besonders, einzigartig und sucht selbstverständlich auch die Nähe der Personen, die einem dieses Gefühl geben. Natürlich. Denn sich von so jemandem abzugrenzen wäre ja kontraproduktiv. Lob macht uns glücklich. Promis brauchen Ihre Fans. Ohne die wären sie nichts.
Kritik macht unglücklich. Wollen wir nahe bei einer Person sein, die uns ständig kritisiert? Die uns ständig das Gefühl gibt, nichts wert zu sein? Die alles niedermacht, was von uns kommt? Die ständig meckert?
Natürlich nicht.
Und wie gehen Sie mit Ihrem Hund um? Wieviel Prozent Zuspruch und wieviel Prozent Kritik bekommt er täglich von Ihnen?

Nennen Sie mich extrem, aber ich bestätige meine fünf Hunde für alles was sie machen. Für jedes Schnüffeln, für jedes Pipi, für jedes Häufchen, für jedes Markieren, fürs Scharren, fürs Geschirr anziehen, fürs Geschirr ausziehen, fürs Anleinen, fürs Ableinen, fürs Gehen, fürs Laufen, fürs Essen, fürs Mitkommen, fürs Laubblatt jagen, fürs süß sein, fürs Existieren. Ihr ganzes Dasein in meinem und ihren Leben wird von mir positiv bestärkt. Noch nie habe ich sie kritisiert.
Der Effekt ist, dass Sie ständig dicht bei mir sein wollen. Sie himmeln mich an und scheinen zu sagen: „Mehr, mehr! Nicht aufhören!“ Sie präsentieren sich vor mir. Sie wollen in jeder Situation in meiner Nähe sein und bleiben und mir gefallen. Wir sind Freunde und gegenseitig die größten Fans von uns gegenseitig.
Würden Sie es nicht mit einem Kleinkind ebenso machen? Wir loben unsere Kinder für jedes Strichmännchenbild, das sie gemalt haben als wären sie Picasso. Fürs Sandkuchen „backen“ im Sandkasten als wären sie Patissier, fürs Entdecken eines Laubblattes als wären sie Charles Darwin, fürs aufs Töpfchen gehen als wären sie Joseph Beuys. Lob läßt Kinder reifen, erwachsen werden, sich entwickeln, kreativ werden, stolz und selbstbewußt werden.
Und genauso ist es mit den Hunden.
Lob verstärkt die Bindung und festigt die Beziehung.
Kritik macht, dass man sich voneinander immer mehr entfernt, dass der Kritisierte sich innerlich abwendet. Und somit erreichen wir genau das Gegenteil.

In diesem Sinne - Werden Sie Fan von Ihrem Hund, und er wird Ihr Fan werden
87.
Eine gute Ehe

Sind Sie verheiratet? Oder zumindest seit längerer Zeit in festen Händen?

Erinnern Sie sich an die Anfangszeit als Sie mit Ihrem Partner zusammenkamen?
Sie hatten rund um die Uhr Herzen in den Augen vor lauter Verliebtheit, stimmt’s?
Die ganze Welt war rosarot, richtig?
Sie fanden an Ihrem Partner alles toll, alles großartig, alles unübertroffen, er war der Richtige, nicht wahr?
Mit Sicherheit, sonst hätten Sie ihn ja nicht geheiratet. In Ihrem Bauch flatterte es, wann immer Sie an ihn dachten, wann immer er bei Ihnen war. Sie kamen beide vermutlich nicht mehr aus dem Bett raus, so wild waren Sie aufeinander, so verliebt. Wie begehrenswert war Ihr Partner! Wie sexy! Wie toll! Wie perfekt!
Nun ist die Zeit vergangen, man lebt zusammen in einem Haushalt, verbringt viel Zeit miteinander, der Alltag hat sich eingeschlichen.

Plötzlich fallen einem am Partner Dinge auf, die man vorher scheinbar gar nicht wahr genommen hat. Nehmen wir doch mal die berühmte Zahnpastatube, deren Deckel immer daneben liegt, wenn Ihr Partner sich die Zähne geputzt hat. Ärgerlich. Man verschließt doch Gegenstände, die man geöffnet hat, nachdem man sie benutzt hat. Andere Kleinigkeiten fallen Ihnen auf: Der Partner spült nie sein Geschirr vor, wenn er es in die Spülmaschine stellt, er sortiert die Wäsche nicht richtig. Er verwendet Redensarten oft im falschen Kontext.
Und jetzt fangen Sie an, dies zu thematisieren. Immer und immer wieder. Sie meckern und nörgeln, schimpfen und kritisieren in der Hoffnung, dass er sich bessert, sich nach Ihren Wünschen und Vorstellungen verändert.

Und nun stellt sich die Frage: Hat sich Ihr Partner so verändert, seit Sie verheiratet sind bzw. zusammen leben? Mutmaßlich nicht. Ich möchte Ihnen sogar fast garantieren, dass er immer noch der Selbe ist, nur Ihre Wahrnehmung hat sich verändert. Die rosarote Brille ist ab – und plötzlich ist Ihr Partner nicht mehr so perfekt, wie Sie es dachten. War er vorher perfekt? In Ihren Augen ja, aber Ihr Blickwinkel hat sich verändert.
Vorher sind Ihnen die Kleinigkeiten nicht aufgefallen. In Ihrer selektiven Wahrnehmung hatte er keine Fehler. In Ihrer jetzigen selektiven Wahrnehmung ist er voller Fehler. Und Sie halten sich in Ihrer Wahrnehmung für perfekt. Sie nehmen sich als Maßstab. Und jetzt fragen Sie mal Ihren Partner. Ihm geht es mit Sicherheit genauso.

Er konnte und kann mit seinem kleinen Ecken, Kanten und Macken als Single prima mit diesen leben. Es war für ihn nie ein Problem. Aber neuerdings ist es für SIE ein Problem!
Muss er sich verändern, weil Sie es so wollen oder sollte es nicht etwa Ihre Aufgabe werden, mit ihm und seinen Ecken, Kanten und Macken zurechtzukommen?

Und das ist der springende Punkt: Sie haben ihn geheiratet, er ist ein Individuum. Keiner ist wie er. Er ist er und wird niemals eine Kopie von Ihnen werden. Denn Sie messen ihn an sich selber.

Sie haben jetzt die Möglichkeit so weiter zu machen und im schlimmsten Fall ihn zu verlassen. Oder Sie wachen auf und lernen ihn so zu nehmen, wie er ist und immer war: Ihr geliebter Partner. In guten wie in schlechten Zeiten. Kämpfen Sie um ihn! Arbeiten Sie an sich, an ihrer Toleranz, an ihrer Sichtweise.

Schrauben SIE die Zahnpastatube zu, wenn es Sie stört. Es ist IHR Problem, nicht seines. Er kam vor der Zeit mit Ihnen prima mit offenen Zahnpastatuben zurecht. Spülen SIE das Geschirr vor, wenn es Sie stört. Sortieren SIE die Wäsche. Er kann es halt einfach nicht. Sie sind nicht sein Lehrer.

Warum ich das schreibe? Weil Sie das Ganze 1:1 auf ihre Beziehung mit Ihrem Hund übertragen können. Auch er ist ein Individuum. Genau wie Ihr Partner und Sie. Auch er hat seine Macken, seine Ecken und seine Kanten. Genau wie Ihr Partner und genau wie Sie.
Nicht an ihm müssen sie ständig rumerziehen, schimpfen, maßregeln, rummeckern. Er liebt sie, so wie sie sind. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Sie haben Ihn freiwillig zu sich genommen, niemand hat sie gezwungen.

Arbeiten Sie anstatt an ihm an sich und Ihrer Sichtweise, und Sie werden in beiden Fällen sehen, was sich dann Erstaunliches auftut.

In diesem Sinne: Partnerschaft ist immer Arbeit an sich selber - nie Arbeit am Partner

86.
Viele Hundehalter versuchen ständig ihren Hund zu ändern.
Wenn Sie wirklich etwas ändern wollen, dann fangen Sie bitte bei sich an.
Und dann wird sich Ihr Hund ändern - denn er ist Ihr Spiegel.


85.
Das Würgehalsband

Man sieht es häufiger als einem lieb ist: Das Würgehalsband. Meist als Kette. Es fällt häufig es gar nicht so sehr auf, denn ohne Zug liegt diese Kette wie ein Schmuckstück locker um den Hals, bzw. verschwindet bei langhaarigen Hunderassen dezent unter dem dicken Fell.
Hundehalter, die ihren Hund nicht halten können, verwenden dieses Halsband in der Hoffnung, dass es damit leichter wird.

Wenn wir uns jetzt mal die normale Wirkung eines Halsbandes bei einem leineziehenden Hund betrachten, entdecken wir folgenden Effekt: Dem Hund wird, wenn er zieht, die Luftröhre und die Karotiden (das sind die zum Hirn führenden Hauptschlagadern) werden abgedrückt. So ein Zustand führt bei Mensch und Hund zu einem Kampf um die Atemluft und letztendlich ums Überleben. Die Reaktion eines Hundes ist die Flucht nach vorne. Weg von diesem Zustand! Also zieht der Hund noch mehr. Dies hört man selbst als Laie überdeutlich an den blockierten, verzeifelten, röchelnden Atemgeräuschen, das würde bei uns genauso klingen. Könnten Sie, wenn sie kurz vor der Ohnmacht sind, noch logisch denken und logisch rückfolgern, warum dieser Zustand so ist?
Stellen Sie sich vor, Sie bekämen einen Asthmaanfall: Denken Sie da noch nach, ob Sie vielleicht allergisch auf etwas reagieren? Bestimmt nicht, denn dazu haben Sie keine Zeit. Es geht Ihnen ums nackte Überleben. Ein Hund versteht nicht, dass SIE es sind, der ihn gerade in diesen entsetzlichen Zustand treibt. Er versteht nicht, dass weniger Vorwärtsdrang zu mehr Sauerstoff führt, sonst wäre Leinenführigkeit eines der Leichtesten. Ist es aber nicht.

Und nun zum Würgehalsband: Abgesehen davon, wie bizzar es ist, dass man als Hundehalter tatsächlich bereit ist, den besten Freund des Menschen, das Wesen welches einen mehr liebt als es je ein Mensch tun wird, bewußt zu würgen, sollte man sich die Wirkung einmal genau betrachten. Dieses Rundumwürgen führt natürlich zu einem vermehrten Fluchttrieb. Würden Sie gewürgt werden, würden Sie sich mit beiden Händen von Ihrem Peininger wegzudrücken versuchen. Und mit Sicherheit nicht stehen bleiben und optimistisch und entspannt abwarten, ob der Würger es sich doch noch anders überlegt. Und dem Hund geht es nicht anders. Er will leben und überleben!

Und jetzt folgende andere Situation: Ihr Hund steht und schnüffelt und Sie ziehen ihn nach vorne in die von Ihnen angestrebte Richtung. Bei einem normalen Halsband ist für den Hund dieser nicht schmerzhafte Impuls im Nacken noch nachvollziehbar. Bei einem Würgehalsband wird ihm aber von allen Seiten der Hals gleichmäßig zugedrückt. Er hat keine Chance zu erkennen, was Sie von ihm wollen und wohin Sie mit ihm wollen.

Was glauben Sie, was für ein Alptraum jeder Spaziergang für Ihren Hund ist und immer wieder sein wird? Was für ein Streß, was für ein nie endender Kampf? Nie wird er im Gegenzug verstehen, dass Sie Entspannung von ihm wünschen. Spannung kann nicht zu Entspannung führen. Sie werden jedesmal gegen Ihren Hund kämpfen müsse und er gegen Sie. Ein Leben lang. Und es bleibt nicht aus, dass dann auch noch der beliebte strafende Leinenruck kommt, über den ich ja erst kürzlich schrieb. Das wird dann eventuell zum Erfolg führen, denn irgendwann mal ist der Hund gebrochen, denn er wird erkennen, dass alles was er macht falsch ist und wird resignieren.

Seien Sie klug, seien Sie weise und sichern Sie Ihren vierbeinigen Freund auf schmerzfreie Art und Weise mit einem gut sitzenden Brustgeschirr (Y-Schnitt, kein Norweger bzw. K9) an der Leine. Auch wenn er angeblich nie zieht. Beoabachten Sie doch mal bitte bewußt, wie oft SIE (wenn auch unbewußt) ziehen.
84.
Wie lernen Kinder - wie lernen Hunde?

Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Ein kleines Kind macht Mathematik Hausaufgaben, der Vater steht dahinter und schaut ihm dabei über die Schulter. Bei jedem Rechenfehler schreit der Vater laut:"FALSCH!" Immer und immer wieder.
Was dann passiert, kann sich jeder ausmalen: Das Kind wird immer unsicherer, immer verkrampfter, immer hektischer, immer ängstlicher, zittriger, fahriger, wird immer mehr Fehler machen und traut sich irgendwann mal gar nichts mehr zu machen, weil es weiß, dass sowieso alles FALSCH! ist. Und es wird auch alles falsch machen.

Was wäre die Alternative? Das weiß sicher jeder von Ihnen. Natürlich - dem Kind die Aufgaben geduldig erklären, ihm den Lösungsweg zeigen, es motivieren, ihm den Spaß an Mathematik zu vermitteln, es für kleine Fortschritte loben, Verständnis zu zeigen (vielleicht fanden wir ja Mathe zu unserer Schulzeit auch ganz furchtbar). Und im schlimmsten Fall, den Lösungsweg einfach idiotensicher nochmal ganz von vorne aufzubauen. Und wenn es mit dem berühmten "Äpfel und Birnen" - Beispiel ist oder mit den Fingern abzählen (mache selbst ich trotz 8 Jahren Gymnasiums mit Leidenschaft für Algebra) manchmal noch :-D .

Das Ganze vergleichen wir jetzt mal mit einem Hund, der ja nachweislich den IQ eines zweijährigen Kindes hat. Also deutlich geringer als der Erstklässler in meinem Beispiel. Und jetzt beobachten Sie sich mal bitte, wie oft am Tag und zu welchen Gelegenheiten Sie NEIN! AUS! PFUI! zu Ihrem Hund brüllen. Ich kann Ihnen versichern, dass Ihr Hund nur deswegen - wenn überhaupt - von seinem Vorhaben abläßt, weil er erschrickt. So wie der kleine Junge. Aber da Hunde eine völlig andere falsch-richtig-Denke haben, nämlich die die in der Hundewelt für sie einen Sinn ergibt, ist er sich keiner Schuld bewußt und auch nicht der Falschheit seines Handelns. Denn für ihn in seiner Welt hat er genau das Richtige gemacht. Er lebt im Hier und Jetzt - im Gegenteil zu uns Menschen. Da es nicht möglich ist, ihm zu erklären, WARUM wir das was er gerade machte nicht möchten, haben wir zum einen die Möglichkeit, immer mehr zu brüllen oder physisch bzw. psychisch zu strafen. Je härter die Strafe, desto sicherer können wir sein, dass der Hund das von uns unerwünschte Verhalten nie mehr zeigt. Er ist dann gebrochen. Das kennt man von Zirkustieren. Ein Tier zu brechen ist das Einfachste der Welt. Daher weiß man, dass straforientiertes Hundetraining sehr effektiv sein kann. Dies sieht man wöchentlich auf dem Sender SIXX. Aus Gründen des Selbstschutzes wird der Hund in jeder Situation passiv bleiben, da er gelernt hat, dass alles was er aus Eigeninitiative macht, sowieso grundsätzlich falsch ist. Leider halten sehr viele Hundehalter genau das für erstrebenswert. Man hat dann einen Roboter mit der Optik eines Hundes.

So, und zum Anderen können wir dem Hund mit liebevoller Geduld zeigen, was wir von ihm wünschen oder - was wesentlich einfacher ist - ihm für sein "falsches" Verhalten ein Alternativverhalten anbieten, das ihm in seiner Welt genauso entgegenkommt wie das, was er gerade tat oder machen wollte. Beispielsweise ein begeistertes, fröhliches Herrufen ist für fast alle Hunde eine super Alternative für alles was sie gerade vorhatten. Das muss man sich erarbeiten, denn das barsche Hundeschul-HIER! oder HIERHER! ist mit Sicherheit keine Alternative für Kaninchen jagen oder zu einem angeleinten Hund hinrennen.
Aber vor allem müssen wir eines machen: Vorbild sein. Dem Hund idiotensicher die Emotionen und das Verhalten vormachen, die wir von ihm wünschen. Dazu müssen wir ihm nichts beibringen - nur uns.

83.
"Darf ich also schon mit dem Hund reden? Mir hat man in der Hundeschule immer gesagt, man darf das nicht."

"Man" mal wieder. Die große unbekannte Instanz hat mal wieder zugeschlagen und ein Gesetz erlassen.
Warum sollte man beim spazieren gehen nicht mit seinem Hund reden dürfen?
Muss man vorher das Schweigegelübte ablegen, bevor man sich einen Hund zulegt? Darf man mit anderen Tieren dann auch nicht mehr sprechen? Eiserne Stille? Wozu?

Eine ständige Kommunikation mittels Kommandos (Befehlen) ist für den Hund unglaublich nervig. Das erlebe ich auch häufig bei der Erstbegegnung mit meinen Kunden, die natürlich immer zunächst etwas aufgeregt sind. Da wird der Hund dann innerhalb einer Minute mit einer Flut von Kommandos, Befehlen, Wünschen und Erwartungen überrrollt. "HIER! NEIN! KOMM! JETZT SEI RUHIG! SITZ! NEIN! HALT STILL! BLEIB! HIER! SEI BRAV! PLATZ! NEIN! BLEIB JETZT! RUHIG! STEH! NEIN! STEH JETZT! PLATZ!" und so weiter.

So machen es die meisten Hundehalter, wenn Sie gestreßt sind. Abgesehen davon, dass der Hund Sie spiegelt, und er natürlich erst recht gestreßt ist, wenn Sie gestresst sind, hat er gar nicht die Möglichkeit auf so eine Schnellsprechsalve, auf so einen geballten Beschuß mit Worten zu reagieren. Des Weiteren stumpft er bei so einer Überflutung mit Befehlen ab.
In so einer Situation ist es wichtig, dass Sie dem Hund die Ruhe vormachen, die Sie von ihm wünschen. Anstatt ihn mit Befehlen zu bombadieren, halten Sie ihn doch einfach an der Leine etwas kürzer (bitte immer nur mit Brustgeschirr, denn auch an der kurzen Leine möchte Ihr Hund gerne durchatmen können), wenn Sie von ihm wünschen, dass er bleibt, steht oder ruhiger wird. Das ist so einfach, denn Sie geben ihm dadurch einen Rahmen, er ist dichter bei Ihnen, kann Ihre Ruhe aufnehmen und sich zusehens in Ihrer Nähe mehr entspannen.

Nun zur anderen Seite: Selbstverständlich dürfen Sie bei einem gemütlichen Spaziergang Ihren besten vierbeinigen Freund zulabern. Wenn ich alleine mit meinen 5 Mädels unterwegs bin und niemanden zum Ratschen dabei habe - unterhalte ich mich selbstverständlich mit meinen Tieren. Und mit Freuden texte ich zu, wie lieb sie sind, wie süß sie sind, wie hübsch, wie lieb ich sie habe, wie wunderbar sie sind, wie schön es ist, dass ich sie immer um mich habe, wie fein sie sind, wie toll, wie großartig, wie einzigartig und so weiter. Für jedes Pipi, das sie machen lobe ich sie. Und fürs Scharren nach dem Pipi machen lobe ich sie. Natürlich! Und selbstverständlich dafür, dass sie zu mir kommen, wenn ich sie freundlich rufe.

Was ist der Effekt? Dass sie mich unentwegt anstrahlen, ständig Blickkontakt suchen, gar nicht mehr aus meinem Dunstkreis rauswollen, meine Nähe alles anderem vorziehen, sich vor mir präsentieren, stolzer werden, glücklicher werden, sich gehyped fühlen, sich gefeiert fühlen, sicherer werden, wir eine Gemeinschaft bilden, die miteinander kommuniziert.
Eine Bande, eine Clique, ein Miteinander, wir sechs zusammen durch Dick und Dünn.

82.
Was schenken Sie Ihrem Hund zu Weihnachen?

Schenken Sie Ihrem Hund doch mal 24 Stunden ohne.

24 Stunden ohne Kommandos, ohne Grundgehorsam, ohne Streß, ohne Hundesport, ohne Schnellerhöherweiter, ohne Strafe, ohne Maßregelung, ohne Schimpfen, ohne Erheben der Stimme, ohne Ihre schlechte Laune, ohne Strenge, ohne sich über Ihren Hund zu erheben.

"Wie soll das denn gehen?" fragen Sie?

Ganz einfach. Seien Sie 24 Stunden der beste Freund Ihres Hundes. Kommunizieren Sie 24 Stunden mit ihm, wie Sie mit einem Menschen kommunizieren würden, den Sie über alles lieben, und dessen bester Freund Sie auch weiterhin bleiben möchten.

Werden Sie kreativ. Überlegen Sie sich alternative Verhaltensweisen.
Ich kann Ihnen versichern - es ist machbar. Bei jedem Hund. Es steht und fällt mit Ihrem Verhalten.

Wenn Sie das schaffen, werden Sie merken, dass aus den 24 Stunden auch 2 Tage, eine Woche, ein Monat, ein Jahr, ja ein ganzen Leben werden können.

In diesem Sinne - eine liebevolle Vorweihnachtszeit

81.
Wir bezeichnen uns selbst als „Die Krone der Schöpfung“.
„Macht Euch die Erde untertan!“ ist fest verankert in unseren Köpfen, obwohl fast keiner mehr an die Schöpfungsgeschichte in der Bibel glaubt.
Nach dieser Prämisse leben die meisten. Diese Denke prägt unseren Umgang mit Tieren, mit unseren Hunden. Warum erheben wir uns über die Tiere? Weil wir zum Mond fliegen können und Herzen transplantieren können? Weil wir Kriege führen, Grenzen um Regionen ziehen, morden, quälen, foltern, die Natur komplett zerstören? Ist Letzteres so erstrebenswert? Ist das etwas, auf das man stolz sein kann? Wohl kaum. Und dennoch erheben wir uns über die Tiere, die so etwas nicht annähernd im Sinn haben. Sie können zwar nicht zum Mond fliegen und auch keine Herzen transplantieren, doch in ihrer Welt sind sie perfekt und können so vieles, das wir nicht können.

Warum bilden wir uns ein, dass Tiere uns gehorchen müssen? Wir ihre Lehrer sein müssen? Dass der beste Freund des Menschen Gehorsam uns gegenüber an den Tag legen muss? Der beste Freund des Menschen? Er ist uns näher als jedes andere Tier. Er liebt uns mehr als unser Partner/unser bester zweibeiniger Freund. Er kommuniziert mit uns, weil er uns so gut lesen kann, unsere Sprache und Körpersprache so wunderbar interpretieren kann. Umgekehrt eher weniger. Und wir verlangen tatsächlich „Gehorsam“ von diesem einzigartigen uns liebenden Wesen, das uns so sehr gefallen möchte, anstatt uns die Mühe zu machen zu lernen, in seine Welt einzutauchen und mit ihn zu kommunizieren.



80.
"Hilfe, mein Hund ist dominant, denn er rammelt alles mögliche:
Kissen, Decken, Stofftiere, und er versucht sogar mein Bein zu rammeln. Der denkt, dass er Chef ist."

Solche Aussagen kommen immer wieder gerne von meinen Kunden.

Tja, warum rammeln Hunde eigentlich so gerne alles, was ihnen unter die Pfoten kommt?

Die Antwort liegt auf der Hand: Weil es Spaß macht! Weil Sex Spaß macht. Allen Tieren (auch wir sind Tiere, auch wenn wir uns selber als die Krone der Schöpfung sehen). Würde Sex einer Spezies keinen Spaß machen, wäre diese schnell ausgestorben. Und es macht den männlichen wie auch den weiblichen Tieren Spaß. Würde es nur den männlichen Tieren Spaß machen, dann wäre diese Art genauso schnell ausgestorben. Bei uns Menschen macht es Männern und auch Frauen Spaß. Lediglich die Kirche funkte und funkt immer noch dazwischen und läßt den Gläubigen Glauben machen, dass Sex nur der Fortpflanzung dienen soll. Alles andere ist schließlich PFUI! Hände über die Bettdecke beim Einschlafen!
PFUI!
Es ist tatsächlich immer noch in uns drinnen. Auch wenn wir nicht gläubig sind. Die Kirche hat soviel Einfluß auf unsere Gesellschaft, dass Sex PFUI! ist, und wir geben es ungefiltert an unsere Hunde weiter. Woher soll aber nun Fiffi wissen, dass es in unserem Menschenleben eine unsichtbare Instanz mit langem grauen Bart gibt, die das verlangt? Also weiterhin PFUI!, wenn Fiffi ein Kissen rammelt, sein Stofftierchen rammelt oder an unser Bein geht. Weil es unser Glaube so verlangt.
Fiffi rammelt aber, weil es sich für ihn angenehm anfühlt. Selbst wenn er kastriert ist. Und nicht nur für ihn. Auch für seine weiblichen Kolleginnen fühlt es sich ebenso angenehm an, selbst wenn sie kastriert sind.
Unvorstellbar für uns? Wo unsere Gesellschaft kontroverserweise auf der anderen Seite dann so übersexualisiert ist. Keine TV-Zeitschrift ohne eine lüsternde Blondine auf dem Titelblatt, kein Musikvideo mit einer vor Lust bebenden Sängerin mit Mimik und Moves wie kurz vor dem Orgasmus, fast kein Werbeplakat ohne eine sexbesessenen Frau. Sex sells. Aber nur die Krone der Schöpfung hat scheinbar das Privileg darauf.

Wo ist bitte das Problem, wenn das eigene Hundi diese Gefühle auch genießen will? Schämen wir uns für ihn? Oder glauben wir wirklich, dass er dann Chef über uns und unser Leben ist? Nicht wirklich, oder? Ist dann jeder, der Sex macht Chef? Wie soll das denn gehen? Sind dann alle Chef? Alle Menschen und alle Hunde? Alle Tiere?

Liebe Hundefreunde, wenn es Ihnen wirklich so peinlich ist, dann schauen Sie einfach weg. Aber lassen Sie doch bitte Ihrem Hund sein Rammeltierchen oder Rammelkissen, und wenn er versucht Sie zu rammeln, dann streifen Sie ihn einfach ganz neutral ab, auch wenn Sie es mutmaßlich anfangs ein paar mal machen müssen, bis er merkt, dass das bei Ihnen nicht klappt. Denn wenn Sie es zornig oder wütend machen, dann wird es mutmaßlich schlimmer, denn dann tritt der zweite Grund ein, warum Hunde rammeln:

Streßabbau.
"Waaaas? Mein Hund hat doch keinen Streß?" Das glauben Sie vielleicht, aber Hunde sind sehr leicht zu stressen. Und dieser Streß kann positiv oder auch negativ sein. Positiver Streß ist eine Fülle von tollen Erlebnissen sein, vielleicht aber auch zu viele tolle Erlebnisse. Das massive Programm, welches viele Hundehalter ihren Hunden bieten: Montag Agility, Dienstag Obedience, Mittwoch Flyball, Donnerstag Mantrailing, Freitag Longieren, Samstag Dogdance, Sonntag Social Walk. Das ist Streß für ein Raubtier, welches 18 - 20 Stunden Schlaf braucht und es gerne gemütlich hat - wenn man es läßt.

Negativer Streß ist das Leben als Befehlsempfänger, Strafen, Streit innerhalb der Familie, stundenlange Einsamkeit, Korrekturen, Maßregelungen, aufgedrückte Rudeltheorien, die am besten Freund des Menschen ausgelassen werden.

Und auch deswegen rammeln Hunde. Und auch Menschen. Kennen Sie den berühmten Versöhnungssex? Auch der dient dem Streßabbau. Ein Paar streitet. Streit ist Streß. Und nach der Versöhnung kommt der Streßabbau. Durch Sex.

Denken Sie doch einfach noch mal darüber nach, wenn Ihr Hund das tun will, was Sie selber ständig machen.

PS: Auf dem Foto meine Chihuahuahündin Lilly und ihr Dönertier (das von Stefan & Erkan :-D )Text

79.
About
  • 79.
  • Leineziehen

    Hunde ziehen an der Leine. Fast alle. Warum?

    WIR sind es, die die Hunde dazu bringen, an der Leine zu ziehen. Wir erziehen sie zu Leinenziehern, zu Vorwärtsstürmern.
    Haben Sie sich schon einmal mit Straßenhunden beschäftigt? Rennen die durch die Straßen? Gibt es überhaupt ein Säugetier, welches außer auf der Flucht und beim Jagen länger als ein paar Minuten am Stück rennt? Tiere sparen Energie wo es nur geht. Je mehr Energie sie verbrauchen, desto mehr müssten sie essen. Da ihnen aber in der Regel nicht uneingeschränkt Essen zur Verfügung steht wie es bei uns Menschen oft der Fall ist, bewegen sie sich nur soviel wie nötig. Wir degenerierten Menschen hingegen nehmen in der Regel viel mehr Kalorien/Energie zu uns als wir verbrauchen und sehen uns daher aus Gründen der Eitelkeit und der Gesundheit dazu gezwungen, diese wieder abzutrainieren.
    Und das Ganze gepaart mit unserem gesellschaftlich geprägten Leistungsdruck fangen wir an, mit unserem Hund – sobald er körperlich dazu in der Lage ist - im Stechschritt an der Leine loszumarschieren. Schnüffeln und markieren ist verboten. Wir empfinden dies in unserem Drang nach Bewegung als störend und hemmend. So lernt unser Hund sehr schnell, dass Spazieren gehen Tempo und Streß bedeutet. Also legen die Hunde – so wie sie es von uns gelernt haben – von Anfang an ein ordentliches Tempo vor. Und jetzt beginnt der Teufelskreis: Der Hund zieht, und der Halter hat zwei Möglichkeiten zu reagieren, die jeder Hundehalter unbewußt macht:

    a) Ohne es zu merken wird er schneller. Also wird der Hund darin bestätigt, dass das Ziehen an der Leine Sinn macht. Wir sind wirklich auf der Flucht, wir haben wirklich Streß.

    b) Er reißt mit dem Bizeps den Hund zurück. Und läßt sich damit auf einen Kampf gegen seinen Hund ein, der sich wiederum auf diese Kampfansage mit einem Gegenkampf einläßt. Druck erzeugt Gegendruck. Streß erzeugt Wut, Wut erzeugt Streß. Das Ganze an einem Halsband (welches ein absolutes NO GO ist) vervielfacht diese Auswirkungen, denn das ruckartige Abdrücken der Luftröhre und der beiden Halsschlagadern erzeugen bei Mensch und Tier unkontrollierbare Reaktionen, denn hier setzt der Selbsterhaltungstrieb ein.

    Beide Varianten machen alles immer schlimmer. Der Hund wird immer mehr ziehen. Und darauf reagieren die Hundehalter dann mit Gewalt und Psychospielchen (wie z.B. zur Strafe stehenbleiben). Das Ergebnis ist, dass der Hund immer hektischer und gestresster wird und der Mensch immer wütender. Unser Hund ist unser Spiegel. Wenn wir uns dessen immer wieder bewußt werden, liegen alle Problemlösungen auf der Hand.

    Das Gleiche im Freilauf: Wir machen den Hund von der Leine ab und fordern ihn verbal sofort auf schnell nach vorne zu laufen. Die meisten Hunde wollen aber gar nicht von ihrem Menschen weglaufen, sondern mit ihm zusammen den Spaziergang genießen. Und in seinem Dunstkreis weiterhin zu schnüffeln und zu markieren und ihre 5 Minuten lustig im Kreis zu rennen. Wir aber laufen im Stechschritt weiter und bringen ihn dazu, alles in Zeitraffer zu erledigen. Zusätzlich werfen wir Gegenstände weit weg von uns, um ihm zu zeigen, dass das Jagen und Wegrennen in hohem Tempo vom Menschen das wahre Glück bedeutet.

    Ein Spaziergang mit und ohne Leine könnte so wunderschön und entspannend für beide Seiten sein.
    Entschleunigen ist wie immer das Zauberwort. Entschleunigen Sie sich - und Sie entschleunigen Ihren Hund.
    Den Hund sich ohne Streß auslasten lassen, nämlich Schnüffeln und Markieren lassen.
    Es ist SEIN Spaziergang und nicht unser Fitnessprogramm.
    Wir sind nicht auf der Flucht.



78.
"Wenn der Hund an der Leine zieht, dann bleibe ich stehen."

Warum solche und ähnliche Psychospielchen nicht funktionieren können:

Dass Leinenführigkeit ohne körperliche Gewalt beigebracht werden kann, hat sich gottseidank schon herumgesprochen, und viele Hundehalter haben für sich beschlossen, mit Ihrem vierbeinigen Freund gewaltfrei umzugehen. Und so lernen sie bei ihrem Hundetraininer bzw. aus den Medien den Trick, dass sie stehenbleiben sollen, wenn der Hund zieht. Und zwar so lange, bis er nicht mehr zieht, und dann erst gehen sie weiter.

Wenn man sich aber jetzt ein bißchen mit dem Lernvermögen eines Hundes auseinander setzt, dann hat sie ganze Sache einen Haken. Zunächst müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir vorhaben, damit den Hund ganz bewußt zu strafen. Es handelt sich um eine sogenannte positive Strafe, sprich: Dem Hund wird etwas Unangenehmes hinzugefügt. Dies ist zumindest unsere Absicht: Zur Strafe für sein Ziehen bleiben wir stehen.

Jetzt versetzen Sie sich aber mal in Ihren Hund hinein.
Zur Strafe für sein Ziehen bleiben wir stehen....
Die Schlußfolgerung daraus müsste da ja dann sein, dass der Hund Stehenbleiben als Strafe empfinden soll. Er müsste Stehenbleiben als Strafe empfinden, ergo durch das Stehenbleiben ein schlechtes Gewissen haben, ergo jedes Stehenbleiben als etwas Negatives empfinden, ergo bei jedem Stehenbleiben Ihrerseits wiederum von einem Fehlverhalten seinerseits ausgehen.

Können Sie mir noch folgen?
Nein?
Eben. Ihr Hund Ihnen spätestens jetzt auch nicht mehr.

Überlegen Sie doch mal, wie oft sie bei einem Spaziergang an der Leine stehenbleiben: An einer befahrenen Straße, die Sie überqueren wollen; wenn Ihr Handy klingelt; wenn Sie sich mit einem anderen Menschen unterhalten; wenn Sie sich nach einem Kothaufen bücken, um ihn aufzusammeln; wenn Sie etwas betrachten wollen und und und...
Dann müsste ja Ihrer Theorie nach Ihr Hund jedesmal denken, er hätte an der Leine gezogen. Jedes Stehenbleiben wäre dann ja eine Strafe für den Hund. Stehenbleiben wäre dann etwas Schlimmes für den Hund.

So denkt und so lernt kein Hund. Bitte bedenken Sie: Ein Hund hat den emotionalen IQ eines zweijährigen Kindes (das ist keine Erfindung von mir, sondern wissenschaftlich erwiesen). Er lebt im Vergleich zu uns Menschen im Hier und Jetzt. Er plant nicht, er lebt nicht vorausschauend, er denkt nicht an morgen, er lebt nicht in der Zukunft. Und er kann nicht um mehrere Ecken rückwärts denken. Das würde eine enorme Intelligenz voraussetzen. Um mehrere Ecken denken, können auch viele Menschen nicht. Dafür gibt es IQ Tests, die nicht ohne sind und genau dies beinhalten. Machen Sie mal einen.

Jetzt mal zur Praxis: Sie gehen mit Ihrem Hund an der Leine spazieren, und ich hoffe, Sie machen dies mit einem gutsitzenden Brustgeschirr mit Schulter- und Atemfreiheit (also kein K9 und kein Norwegergeschirr). Ihr Hund geht schneller als Sie und Sie bleiben auf Anraten Ihres Trainers stehen. Ihrem Hund bleibt nichts anders übrig als ebenfalls stehen zu bleiben. Das ist nichts Schlimmes für ihn, und so steht er eben. Damit hat kein Hund ein Problem sofern Sie kein Problem mit Stehenbleiben haben. Tja, da steht er, da stehen Sie, und er wird vermutlich näher zu Ihnen kommen, weil er Sie mag; und Sie gegebenfalls auch ansehen. Sie loben ihn und gehen weiter. Für den Hund ein schönes Erlebnis. Weiter geht's. Das Gleiche passiert immer und immer wieder. Für den Hund nach wie vor ok. Warum auch nicht. Er lernt daraus, dass Frauchen ab und zu eine Pause braucht, weil sie nicht so gut zu Fuß ist. Damit kann er leben, denn Hunde sind gewohnt, dass wir die merkwürdigsten Dinge machen. Vielleicht wird er aus Rücksicht auf Ihr neues körperliches Gebrechen insgesamt etwas ruhiger werden (Hunde sind unser Spiegel). Aber mit Sicheheit wird er nicht lernen, dass Frauchen eine Pause macht, um ihn für sein Leineziehen zu bestrafen. Stop and Go ist nervig, aber ein Hund kommt im Leben nicht darauf, dass das mit seinem Vorwärtsdrang zu tun hat, denn Frauchen lobt ihn ja fürs näher kommen und den Blickkontakt. Und dann geht sie halt weiter, weil sie halt weiter geht. Hunde nehmen sowas anstandslos hin.

In diesem Sinne - Es gibt genügend Möglichkeiten, dem Hund das Gehen an der lockeren Leine schmackhaft zu machen:
Ohne Strafe - ohne vermenschlichende Psychospielchen


77.
Auslastung

Ich lebe in einem kleinen Dorf mit vielen Bauernhöfen, und jeder hat einen Hund, der sich den ganzen Tag frei auf dem Hof aufhält und den ganzen Tag fast nichts anders macht als rumgammeln und schauen.

Ein Bauer hat einen Berner Sennenhund, der viel liegt und schaut. Der Höhenpunkt des Tages ist für ihn, wenn der Bauer mit seinem Frontlader zu seinem ein Kilometer entfernten Offenstall für Pferde fährt um dort auszumisten. Dann springt der Hund in die Schaufel, der Bauer fährt sie ganz hoch, und der Berner Sennenhund lacht übers ganze Gesicht von hoch oben herab. Wärend der Bauer dort mistet, trottet der Hund, der übrigens kerngesund ist, dort ein wenig rum, und dann geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück.

Ein anderer Hofhund ist ein unkastrierter Schweißhundrüde, der ebenfalls nur auf dem Hof abhängt. Wenn ein anderer Hund am Hof vorbeigeht, trottet er raus auf die Straße, sagt kurz "hallo", und wackelt dann wieder rein. Ab und zu geht sein Frauchen ein wenig mit ihm spazieren, während sie ihren Kinderwagen dabei schiebt.

Ein anderer, auch ein unkastrierter Setter, hält sich ebenfalls den ganzen Tag am Hof auf, auch ein ganz Netter. Gehen wir vorbei, schließt er sich uns kurz an, um sich draußen in ein paar Lehmpfützen zu wälzen. Der Sohn des Hauses geht ansonsten einmal am Tag eine halbe Stunde im Wald spazieren.

Warum ich das erzähle: Keiner unserer Hofhunde im Dorf macht einen unausgelasteten Eindruck. Ganz im Gegenteil: Es sind freundliche, ausgeglichene und sehr soziale Hunde. Ihre Auslastung besteht darin, in Ruhe Eindrücke wahrzunehmen, draußen zu sein, beim bunten Treiben auf dem Hof dabei zu sein und ansonsten abzuhängen.

Sollte uns das nicht zu denken geben?

Brauchen unsere Hunde wirklich so viel Action, so viel Auspowern, wie man uns glauben macht?

Wir sind es, die unsere Hund durch zu viel Auspowern genau in das Verlangen nach mehr hineintreiben. Je mehr wir sie gutgemeint auspowern, desto gestresster werden die Hunde sein.

Entschleunigen, wahrnehmen lassen, den Hund mal wieder Hund sein lassen, ihm in den Alltag miteinbeziehen, die Seele baumeln lassen, die Natur genießen, die Sinne einsetzen lassen - anstatt ihm ständig zu vermitteln mit uns auf der Flucht oder auf der Jagd zu sein.

76.
Negative Emotionen in positive Emotionen umwandeln

oder
Wie man wunderbar seinen Hund oder jedes andere Wesen umkonditionierten kann

Über diese Themen habe ich ja immer wieder geschrieben.
Hier mal ein anderes Beispiel:

Wie die meisten hier ja wissen, geh ich mit meinen Pferden nach Mit Pferden Sein von Sabine Birmann um. Ich gehe mit meinen Shettys komplett frei (also ohne Führstrick oder Ähnlichem) durch Wälder und Dörfer spazieren, sie gehen wie meine Hunde mit mir mit und lassen sich auch prima herrufen (auf You Tube gibt es ein paar Videos dazu). Meinen Hengst Brandy reite ich ohne Sattel und nur mit einem Stallhalfter. Und wer sich mit Pferden und vor allem mit Hengsten auskennt weiß, dass ich damit nicht den Hauch einer Einwirkung auf ihn habe.

In unserer Straße hält ein Bauer in einem großen Areal zwei Nandus, straußenähnliche Laufvögel. Diese beiden Burschen haben von einem Tag auf den anderen beschlossen, sobald wir auftauchen von 0 auf 100 mit Vollgas auf uns zuzurennen, sich drei mal so groß aufzuplustern und ganz fürchterliche Geräusche von sich zu geben. Mein Hengst ist beim ersten Mal so erschrocken, dass er fast umfiel. Neben uns ein elektrischer Weidezaun, also eine sehr ungünstige Situation. Es wurde jeden Tag schlimmer. Er erschrak jedes Mal mehr, wollte durchgehen, und die Nandus wurden immer fieser. Ich fragte den Bauern, warum die das machen und er sagte, dass ihnen das Spaß macht. Bei anderen Reitern machen sie das nicht. Na toll! So kam der Tag, an dem Brandy sich weigerte, auch nur einen Schritt in die Richtung zu machen. Ich stieg ab und wollte ihn führen. Ich ging extra souverän vor ihm, damit er sieht, dass ich keine Angst habe. Keine Chance. Ich muss aber da vorbei, sonst kann ich nie wieder ausreiten.
Und so gab ich ihm, sobald er fünf Meter vor dem Zaun schon die Bremse reinhaute von oben ein Leckerli und wartete. Ein Schritt weiter das Nächste. Direkt vor dem Gehege als er gerade losrennen wollte hielt ich ihn an und gab ihm wieder eines. Um die Sache kurz zu machen: Er geht jetzt jedes mal von alleine direkt ohne zu zögern auf die Viecher zu, hält dort an, dreht den Kopf zu mir hoch und verlangt sein Leckerli, obwohl die Vögel dabei toben vor Wut (und vermutlich auch vor Frust, weil wir nicht mehr erschrecken).

Ich und auch er selber haben ihn umkonditioniert. Ein Schreckauslöser, der ihn eigentlich zur Flucht treibt, um sein Leben zu retten, hat sich für ihn zu einem Auslöser für etwas Positives gewandelt.

Habe ich durch die Leckerli seine Angst verstärkt? Nein, natürlich nicht. Hab ich ihn belohnt für die Emotion Angst? NEIN. Ich habe ihm die Nandus im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft gemacht.



75.
Den Hund bei Angst trösten?

Diese Frage stelle ich immer am Ende meiner Vorträge. Die Hauptantwort ist dann immer: "Nein, denn damit bestärkt man die Angst!"
Wie soll das gehen? Wie kann man Angst durch Trost und Zuspruch, dem sogenanntem Social Support bestärken?

Angst ist ein Gefühl. Ein lebensnotwendiges Gefühl. Angst macht den Körper bereit zu Fliehen oder Anzugreifen. Alternativ dazu wäre das Einfrieren oder das Rumhibbeln noch möglich. Angst kann nicht willentlich ausgelöst werden. Es ist eine Emotion und kein Verhalten.

Angst kann nur durch noch mehr Angstauslöser verstärkt werden, aber mit Sicherheit nicht durch Trost, Zuspruch, Stärke des einzigen Sozialpartners, den so ein Hund hat. Seinem Menschen.

Warum tröstet oder beruhigt man einen ängstlichen Mitmenschen oder ein Kind, welches Angst hat? Weil es dieser Person hilft. Beistand ist wichtig. Wer ein Fünckchen Empathie hat, der kann Beistand bieten. Das macht man aus dem Bauch heraus. Soziales Verhalten. Trösten schafft gute Gefühle. Dem der getröstet wid und auch dem, der tröstet.

Stellen Sie sich eine Situation vor in der der Sie so richtig Angst haben. Im Wartezimmer eines Zahnarztes zum Beispiel. Sie wissen, dass Ihnen die nächsten 3 Stunden der Kiefer aufgemeißelt wird und das Ganze mit Schmerzen verbunden sein wird. Der einzige Mensch, dem Sie vertrauen, die einzige Bezugsperson die Sie haben ist bei Ihnen. Sie artikulieren Ihre Ängste, doch diese Person ignoriert Sie oder tut Ihnen sogar weh. Wie wäre das für Sie? Richtig, das verstärkt Ihre Angst. Wenn diese Person hingegen Ihre Hand hält, sie umarmt, Ihnen verspricht, dass es vielleicht gar nicht so schlimm sein wird, wie Sie glauben...es würde Ihnen gut tun. Mit Sicherheit.

Reiter wissen schon, warum man ein ängstliches Pferd beruhigt. Schon alleine aus Selbstschutz. Denn die Chance von einem scheuenden oder durchgehenden Pferd herunterzufallen, ist recht groß. "Hooooo! Ruhig!" sagt man und täschelt dem Tier den Hals. Wird das Pferd dadurch unruhiger? Wohl kaum.

Nun darf man also ängstliche Mitmenschen trösten und beruhigen, Kinder, Pferde, andere Tiere... nur bei Hunden soll es auf einmal falsch sein, und exakt das Gegenteil bewirken? Wie soll das möglich sein? Bei dem Wesen, dass uns Menschen so ähnlich ist?

Das Ganze mal in neurobiologisch:
Angst erzeugt das Streßhormon Cortisol, welches den Körper bereit zu Flucht oder Angriff macht. So, nun beginne ich, den Hund zu streicheln, ihm liebevoll zuzureden. Dadurch produziert der Körper das sogenannte Bindungs- und Kuschelhormon Oxytozin. Diese Hormon entsteht im Körper des Streichelnden und im Körper desjenigen der gestreichelt wird. 
Leute genießen es, stundenlang ein schnurrendes Kätzen auf ihrem Schoß zu streicheln. Und das Kätzchen auch. Beide produzieren Oxytozin. 
Es entsteht bei einer Mutter, die ihr Baby auf dem Arm hält. 
Es entsteht beim Geschlechtsverkehr. 
Es entsteht bei meinen vier Chuhuahuamädels, die bei meinen Freunden stundenlang auf dem Schoß sitzen und von ihnen gestreichelt werden. Bei denen natürlich auch. Deswegen machen sie es ja.

Je mehr ich einen ängstlichen Hund streichele, mich ihm zuwende, ihm liebevoll anspreche, desto mehr Oxytozin wird in seinem Körper gebildet. Und je mehr das Wohlfühlhormon Oxytozin gebildet wird, desto schneller wird das Streßhormon Cortisol von Körper abgebaut. Ein gutes Gefühl löscht ein schlechtes Gefühl. Immer.

Daher bitte: Trösten Sie ihren Hund, wenn er Angst hat, wenn es ihm schlecht geht. Sei es an Silvester, sei es bei Gewitter und bitte auch im Wartezimmer beim Tierarzt. SITZ!, PLATZ! oder Leinenrucks, wie ich es gerade da immer wieder sehe, helfen ihm in keinster Weise, und er wird in der Angst auch nicht SITZ! oder PLATZ! machen können. Denn sein Körper ist fluchtbereit.

74.
Mail einer Hundehalterin, die nie bei mir Unterricht hatte, aber anhand dieser Texte meine Philosophie erfasst und umgesetzt hat:

Sehr geehrte Frau Windisch,

ich möchte Ihnen gerne mit einem „Leserbrief“ meine absolute Begeisterung mitteilen!

Ganz im Sinne Ihrer Philosophie habe ich begonnen, diese – auch wenn wir uns noch nicht kennenlernen konnten – anhand Ihres Niedergeschriebenen einfach mal zu testen und anzuwenden.

Mir sind so viele Lichter aufgegangen, seit ich auf Sie und Ihr Konzept aufmerksam geworden bin. Ich hinterfrage tatsächlich, was das wahre Vermenschlichen ist? Ist es den Hund seinen hündischen Bedürfnissen nachgehen zu lassen? Ihn schnuffeln, juckeln, in Ruhe fressen und in Ruhe schlafen zu lassen? Vermenschlicht man ihn, nur weil man ihn nicht aus so einer Situation im wahrsten Sinne des Wortes „herausreißt“ und seine Allmacht als „Rudelführer“ demonstriert? Oder ist das wahre Vermenschlichen den Hund mit sitz, platz, aus, pfui, nein zu drillen? Mit menschlicher Sprache und Begriffen, die er nur anhand von Aktion und Reaktion kennen und verstehen lernt? Ich kann Ihnen sagen: Ich möchte das nicht mehr!

Ich habe immer gesagt: mein Hund ist ein gleichwertiges Familienmitglied, er lebt mit uns in einer liebevollen Gemeinschaft – aber kann ich wirklich sagen, dass es so war? Konnte ich das wirklich so leben?

In meiner Selbstreflektion erkenne ich, dass ich zu keinem Menschen in meinem engeren Umfeld im täglichen Miteinander sitz, platz, aus, geh, nein, gib, lass das sage bzw. ständig maßregele usw.. Dort akzeptiere ich jeden wie er ist.

Und ja, ich dachte auch immer, ich akzeptiere meinen Hund wie er ist, aber das tat ich nicht, und das tut mir rückblickend sehr leid für ihn und sehr leid für unsere schon gemeinsam verbrachten Tage. Ich liebe meinen Hund von ganzem Herzen, war niemals grob oder angsteinflößend, aber ich denke es gibt so viele kleine Differenzen zwischen uns, weil jeder sich ein Stück weit „verstellt“.

Seit ich begonnen habe, ihn nun wirklich zu akzeptieren wie er ist, dass er eben gerne mal „sagenhafte“ 40 Sekunden (welch ein Drama J) schnuffelt, seine 5 Minuten hat oder in die Leine beißt. Nichts von all dem ist von langer Dauer und er genießt es diese kleinen Bedürfnisse auszuleben.

Das in die Leine beißen hat mir eine Zeit lang wirklich den letzten Nerv geraubt. Heute lasse ich es bewusst zu (räusper* ich übe noch J) und dann zerrt er 2 Minuten daran rum und dann wird es sowieso uninteressant. Oder er trägt die Leine stolz wie Oskar nach Hause J Ich kann mir nicht erklären, wo da zuweilen mein Problem lag.

Meine Selbsterkenntnis: OHNE Druck und Befehle, Maßregelung, Auflagen und all dies, gibt es keinerlei Spannungen mehr in mir selbst und das überträgt sich auch auf Chico! Hat er etwas vom Boden aufgehoben, und ich war nicht schnell genug, dann habe ich mich furchtbar geärgert und bin nach Hause gestampft wie eine Zweijährige die ihren Lolli verloren hat J Oft sieht man ja schon von Weitem, dass da z.B. ein Hähnchengerippe liegt. Ganz in seinem Sinne, habe ich ihn gestern zum ersten Mal zu einem kostenlosen Buffet gelassen. Es tat nicht weh, es war nicht schlimm, es war einfach mein Hund, der einen Knochen gefunden hat und ihn zum ersten Mal behalten durfte.

Das traurige daran ist nicht, dass andere vielleicht denken, mein Hund ist nicht erzogen und hebt alles von der Straße auf, das traurige ist WIE mein Hund den Knochen gekaut hat. Er hatte wirklich damit gerechnet, dass es ruckartig weitergeht und er das Ding verliert. Allein, wenn ich seine Augen gesehen habe, dann weiß ich, dass ich etwas an mir und meinem Umgang in solchen Situationen ändern muss.

Dank Ihrer Philosophie, Frau Windisch, weiß ich nun, dass es auch anders geht, das es mit wirklichem Verständnis für das natürliche Wesen des Hundes geht, ohne dem Gedanken im Nacken, der Hund tanzt einem auf der Nase herum.

Es ist sicher am Anfang nicht leicht, die alten Gewohnheiten und das Erlernte von meiner Hundetrainerin ausschleichen zu lassen, aber ich tue es mit der Konsequenz mit der ich es auch gelernt habe.

Die Welt braucht definitiv mehr Hundetrainer wie Sie! Jedem dem ich davon erzähle, der rümpft erstmal die Nase und sagt, das geht nicht. Ein Hund BRAUCHT Regeln und eine klare Führung, der WILL eine Aufgabe, den kannst du nicht einfach machen lassen, wie er denkt.

Ich kann Ihnen sagen, ich habe vom einen auf den anderen Tag die Kommandos abgeschafft – und ich, die immer überzeugt davon war, dass ich nichts mehr BRAUCHE als diese – wie man es eben in den Hundeschulen lernt, wurde eines Besseren belehrt. Ich bin wirklich begeistert. Ich gestehe, ich hatte Bedenken, dass sich etwas ändert er Anfängt mich nicht mehr ernst zu nehmen – ganz im Gegenteil! Ich habe das Gefühl, er fühlt sich endlich verstanden.

Ich lasse meinen Hund auf den Gassirunden so lange schnuppern und erkunden wie er es braucht. Und auch hier ist das Resultat der Wahnsinn! Er ist dadurch so ausgeglichen, läuft sogar neben mir, anstatt immer vornewegzuziehen. Ich habe quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er zieht nicht mehr an der Leine und er ist total ausgeglichen und Entspannt, sogar bei Hundebegegnungen. Ich habe nun den Eindruck, dass Ziehen resultiert daraus, dass er durch das ständige weggezerre und weitergeschiebe einfach Angst hat etwas zu verpassen und daher so agiert hat.

Ich bin weniger auf Hektik auf unseren Runden, sondern genieße es, wenn er eine Eichel kaut, oder ein Taschentuch zerpflückt oder ganz gebannt ein Eichhörnchen beobachtet, dann setze ich mich daneben und wir schauen zusammen. Wir sind quasi beide binnen einer Woche so viel entspannter geworden. Hier ist mir eins ganz klar aufgefallen: ich dachte immer, wenn ich ihn jetzt hier den Tannzapfen kauen lasse, dann komme ich eine Stunde nicht vom Fleck. Was für ein Quatsch!!! 2 Minuten ist dies interessant und dann riecht es schon wieder ganz anders in irgendeiner Ecke. Also warum ihm dieses kurze Vergnügen nicht gönnen?

Die neugewonnene Gelassenheit ist für uns beide toll. Ich habe gemerkt, ich muss mir nicht jeden Tag nach unserer Runde noch ein Suchspiel einfallen lassen, weil ich denke, ihm könnte das Gassi nicht ausgereicht haben, denn er BRAUCHT ja noch etwas für den Kopf, damit er richtig schön ausgelastet ist und ihm nicht langweilig ist. Wir kommen heim, und dann legt er sich zu mir. Manchmal habe ich das tatsächlich als Langeweile interpretiert, aber nicht, weil es unbedingt mein Empfinden war, sondern weil man es an jeder Ecke liest und hört und man in diesem ganzen „Du musst, und dein Hund muss“-Wirrwarr einfach ertrinkt.



73.
Warum ich sogenanntes Fehlverhalten NIEMALS bestrafe, sondern ganz im Gegenteil...:

Zu mir kommen in der Regel Hundehalter mit "Problemhunden". Lassen wir dieses Wort einfach mal so stehen. Was auch immer einen Problemhund als solches definiert... für den Hundehalter ist es nun mal ein Problem, und das ist zu akzeptieren, das ist ernst zu nehmen.

Nehmen wir mal Probleme wie Wut oder Aggression. Mit diesen Problemen kommen die Hunde nicht auf die Welt, sondern sie sind in der Regel vom Menschen gemacht. Hunde sind Weltmeister im Konflikte vermeiden. Dafür hat die Natur ihnen eine Palette von sogenannten Calming Signals (auf Deutsch ein bißchen unglücklich als "Beschwichtigungssignale" übersetzt) mitgegeben. Wenn man sich ein bißchen mit den Calming Signals beschäftigt, wird man festestellen, dass die den sogenannten Verlegenheitsgesten von uns Menschen nicht unähnlich sind.

Da wir Menschen uns allerdings sehr schwer tun, die Körpersprache der Hunde zu verstehen und richtig zu interpretieren (im Gegenzug verlangen wir genau das aber ständig von unseren Hunden), kommt es ziemlich oft zu Mißverständnissen zwischen Mensch und Hund und aber auch zu Problemen zwischen zwei Hunden, für die wir verantwortlich sind, weil wenig Hundehalter wissen, dass das Wahren von Individualdistanzen oder das Bewachen von Ressourcen für Hunde wichtig und normal ist. Auch für uns ist das wichtig, und auch wir wollen diesbezüglich verstanden werden.

Nun hat es also der Mensch geschafft, und der Hund zeigt plötzlich aggressives Verhalten, welches sich immer mehr steigert. Ein Verhalten wird durch eine Emotion ausgelöst. Emotionen kann man nicht steuern, sie entstehen von innen. Und man kann Emotionen weder bestrafen noch belohnen, da sie nicht auf Knopfdruck abrufbar sind. Negative Emotionen zu haben ist nichts Schönes: Weder für den Menschen noch für ein Tier. Niemand genießt es voller Wut, voller Hass, voller Ekel, voller Trauer oder voller Angst zu sein. Und diese Emotionen kann ich nicht bestrafen. Weil sie einfach da sind.

Was passiert aber nun, wenn ich einem wütenden, tobenden, vor Wut schäumenden Hund ein Leckerli gebe? Oder liebevolle Worte? Oder Streicheleinheiten?
Bestätige ich damit nicht die negativen Emotionen? Nein, das ist neurobiologisch nicht möglich, denn ich kann Gefühle, die von innen kommen, nicht bestätigen. Weder Negative noch Positive. Ich kann negative Gefühle nur duch Negatives verstärken und positive Gefühle nur durch Positives verstärken.

Aber als verantwortungsvoller und liebevoller Hundehalter (und Homo Sapiens) kann ich negative Gefühle in positive Gefühle umwandeln. Beim Menschen übrigens ebenfalls:
Stellen Sie sich vor, Sie sind gestresst, nervlich am Limit, -zig Termine, bekommen noch eine falsche Stromabrechnung, eine Steuernachzahlung, Krach mit dem Chef und und und. Der Nächstbeste, den sie sehen bekommt alles geballt ab. Und plötzlich drückt ihnen diese Person oder sonstwer 1000 Euro in die Hand. Wären Sie dann noch wütender? Wohl kaum. Sie wären komplett aus Ihrem Wutfilm draußen. Positiv überrrascht. Glücklich. Schuldenfrei. Sorgenfrei. Tralalalala, die Welt ist schön. Und immer wenn es Ihnen so richtig dreckig geht, passiert wie durch ein Wunder etwas Großartiges. Das Leben ist auf einmal wieder schön. Sie wären immer entspannter. Aber eines würde mit Sicherheit nicht passieren: Sie würden diese negativen Emotionen mit Sicherheit nicht dadurch verstärkt wieder bekommen oder sich bestätigt fühlen. Sie könnten diese auch nicht auf Knopfdruck jederzeit zeigen, denn Sie sind kein ausgebildeter Schauspieler, und selbst wenn Sie einer wären, wäre es nur gespielt, aber niemals echt und wahrhaftig.

Daher: Werden Sie zur guten Fee für Ihren Hund:
Verwandeln Sie negative Emotionen in positive.
Versüßen Sie unangenehme Situationen und Augenblicke.
Denken Sie an die Snickers Werbung..."...wenn Du zur Diva wirst..."
Und nicht nur bei Ihrem Hund, sondern auch bei den Menschen, die Ihnen nahe stehen. Werden Sie ein guter Sozialpartner. Und bedenken Sie: Ihr Hund hat nur Sie - und er liebt sie.

72.
Ablegen

Ein Pferd legt sich hin, und alle sind verzückt.
Ein liegendes Kätzchen wirkt entspannend auf uns.
Liegenden Kleintiere wirken vertrauensvoll und unschuldig.
Alle legen sich hin, wenn sie sich sicher fühlen, müde sind und ruhen möchten. Auch wir. Wir legen uns hin, nicht wahr?

Aber bitte auf keinen Fall ein Hund!!! Der muss ABLIEGEN!
Einen Hund legt man ab. Wie einen alten Putzlumpen. Wie einen Gegenstand. Den legt man auch ab. Wenn man ihn nicht mehr braucht. Warum legt man andere Haustiere nicht ab? Warum gerade Hunde?

Wird nicht ständig darum gekämpft, dass Tiere vor dem Gesetz nicht als "Sache" behandelt werden? Warum werden Hunde aber vom Hundehalter als Sache behandelt?

Was unsere besten Freunde mit uns alles mitmachen müssen, ist schon immer wieder merkwürdig. Kann man sie nicht einfach Hund sein lassen und dennoch eine gechillte Zeit mit ihnen verbringen?

71.
Halsband vs. Brustgeschirr

Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, warum man ein lebendes, fühlendes Wesen mit einem Halsband und nicht an einem gutsitzenden Brustgeschirr sichert, und warum es immer noch Hundetrainer gibt, es es wirklich nicht schaffen, einen Hund ohne Druck, Streß und Schmerzen dazu zu bringen, gelassen an der Leine zu gehen. Das sollte doch eigentlich ihr Job sein. Und es ist möglich. Andere können es ja auch. Zumindest alle Hundetrainer die straffrei und ausschließlich mit positiver Verstärkung arbeiten. Und die arbeiten immer nur mit Brustgeschirr.
Und nein, es gibt keinen Hund, der nicht mal doch an der Leine zieht, und selbst wenn ER es angeblich nicht tut: Sie ziehen ständig am Hund rum, ohne es zu merken. Würden Sie und er niemals ziehen, dann bräuchten Sie keine Leine. Niemals. Es gibt keinen einzigen Grund, seinen vierbeinigen Freund am empfindlichsten Körperteil zu sichern. Wohlgemerkt zu sichern. Eine Leine ist eine Sicherung und kein Erziehungsmittel.
"Mein Hund braucht ja eigentlich keine Leine."
Warum haben Sie dann eine dabei? Warum greifen Sie genau dann, nämlich im Ernstfall, in das Halsband?
Meine wunderbare Schäferhündin Bianca braucht draußen auch keine Leine, und genau deswegen hat sie beim Rausgehen immer ein Brustgeschirr an, denn genau da kann ich im Notfall mal beherzt reingreifen.
Würden Sie das mit einem Kind machen, käme sofort das Jugendamt - aus gutem Grund.
Würden Sie das mit ihrem Partner machen, wäre das Erregung öffentlichen Ärgernisses.
Es gibt keinen Hund, der nie zieht, und es gibt keinen Menschen der nie zieht. Das wäre der anstrengendste Spaziergang ever, wenn Sie beide so aufeinander achten müssten, dass die Leine IMMER durchängt. Und weder Sie noch Ihr Hund hätte einen Nutzen aus diesem Spaziergang.
Und ja: Es gibt schlecht sitzende Brustgeschirre wie die Norweger- oder K9-Geschirre (Sattelgeschirre) , die immer die Bewegungsfreieheit der Vordergliedmaßen blockieren, bzw. die Wirbel blockieren und wie ein Halsband auf die Luftröhre drücken. Keiner zwingt Sie, solche Dinger zu kaufen. Sie würden auch keine schlechtsitzende Jeans für sich kaufen.
"Aber mein Hund mag kein Brustgeschirr!" Meine Hunde mögen auch keine tierärztliche Behandlung, und dennoch gehen wir zum Veterinär. Einige Hunde mögen das An- oder Ausziehen nicht, vor allem wenn das Geschirr zu eng sitzt. Daher bitte: Ein Brustgeschirr (Y-Schnitt) muss locker sitzen, wie ein luftiges T-Shirt bei Ihnen, machen Sie kein großes Brimborium beim Anziehen, einfach überstülpen, Party feiern, und raus geht's. Juhu!
Und wenn Sie mehrere Hunde haben und der Meinung sind, es wäre zu viel Arbeit, Ihnen ein Geschirr anzuziehen.... ich hatte immer vier bis 5 Hunde... das dauert keine 5 Minuten. Und wenn Sie die nicht mal haben, um den besten Freund des Menschen zu sichern...dann ziehen Sie doch einfach die paar Minuten vom Spaziergang ab.
Und übrigens: Die Hundemarke und Adressanhänger sind am Rückenteil eines Brustgeschirres besser aufgehoben, denn falls Ihr Hund mal entläuft ist es für die meisten Menschen eine große Herausforderung, einem fremden Hund am Hals rumzufummeln, um diese Marke zu finden. Viele Hunde beißen dann auch gerne, da ihnen eine solche Berührung von Fremden oftmals äußerst unangenehm ist.

In der Ludwig-Maximilian-Univeristät in München lernen die Tiermedizinstudenten im ersten Semester, wie schädlich ein Halsband ist.

Daher: Seien Sie fair, seien Sie achtsam zu Ihrem besten vierbeinigen Freund. 




70.
Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört.

69.
"...und ich glaube, ich verwöhne ihn zu sehr....",

sagen viele Kunden im Erstgespräch verlegen zu mir.
"Wie verwöhnen?", frage ich darauf hin und assoziiiere damit, dass Unmengen von Leckerchen in das Hundi reingestopft werden.
"Na ja...er darf auf die Couch und mit ins Bett", gestehen sie darauf hin und erwarten merkwürdigerweise ein Donnerwetter oder eine spöttische Bemerkung meinerseits.
"Ein Hund MUSS mit auf die Couch dürfen, und wenn es geht auch
mit ins Bett!" erwidere ich darauf hin. "Das stärkt die Bindung."
Warum soll ein geliebtes Familienmitglied nicht auf Couch und Bett dürfen, wenn es Ihnen ein Bedürfnis ist, die Liebe und die Wärme Ihres vierbeinigen Freundes auch nachts und beim Entspannen zu spüren?
Was sollte infolge dessen Schreckliches passieren? Der dritte Weltkrieg? Die Machtübernahme Ihres Hundes Ihnen gegenüber? Füttert er Sie dann in Zukunft? Streichelt ER dann SIE? Bringt er Sie dann zum Arzt, wenn Sie krank sind? Warum holt man sich dann eine so gefährliche Bestie dann freiwillig ins Haus? Woher die panische Angst, ein Wesen, welches Sie mehr liebt als ein Mensch Sie jemals auch nur annähernd lieben kann, mit Liebe und Nähe zu verwöhnen? Wie kann Liebe geben einen negativen Effekt haben?
Ist die Welt überzogen von Krieg, Hunger, Elend, Hass und Terror, weil die Menschen untereinander zuviel Liebe geben?


68.
"Der muss doch endlich kapiert haben, dass er das nicht darf!"


Nein, muss er nicht, und kann er nicht.

Unsere dem Hund auferlegten Gesetze, Regeln und Grenzen mögen für uns ganz praktisch sein. Aber die Erwartungshaltung, dass Fiffi Herrchens selbstgebasteltes herrisches Gesetzbuch incl. der 10 Gebote mit seinem IQ eines zweijährigen Kindes auswendig kann und logisch nachvollziehen kann, ist absurd. Ein Hund lebt in einer völlig anderen Welt mit völlig anderen Regeln und Gesetzen.
Das wäre eine üble Form der Vermenschlichung von einem Tier zu erwarten, diese unsere westliche Welt zu verstehen. Wir sind zwei unterscheidliche Spezies. Was uns verbindet ist die Liebe zueinander, wobei die Liebe seitens des Hundes zu uns wohl die unsrige zu ihm um einiges übersteigt.

Wenn wir aufhören zu erwarten, dass der Hund unsere Regeln, Grenzen und Gesetze sich gebetsmühlenartig eintrichtert, dann schaltet sich beim Nichtbefolgen unsere Wut, unsere Enttäuschung und unser Frust auf ihn komplett zurück.
Und so kann ich ihm situativ völlig ohne Streß zeigen, was ich gerne von ihm hätte. Und zwar freundlich, klar und repektvoll. Das was wir doch immer von unseren Hunden erwarten, stimmts?

Meine 5 Mädels kennen kein einziges Kommando. Ich habe sie noch nie geschimpft, gestraft, ja nicht mal die Stimme ihnen gegenüber erhoben. Genausowenig meine Pferde. Und dennoch wirken sie auf andere Menschen als freundliche und wohlerzogene Wesen.

Wenn ich sie fröhlich rufe, so wie ich einen geliebten Menschen rufe, dann kommen sie. Wenn ich leise und freundlich ihren Namen sage (darauf bekomme ich einen neugierigen, erwartungsvollen Blickkontakt, den ich sofort liebevoll verbal bestätige), dann brechen sie jede Situation ab. Für mich. Weil sie es so wollen und nicht weil sie es müssen.

In diesem Sinne - seien Sie freundlich und üben Sie sich in Selbstdisziplin, anstatt die Hunde zu disziplinieren.


67.
"Jetzt pack' ihn zur Strafe am Nacken

 und schüttle ihn so richtig durch! Die Hundemutter straft ihre Welpen auch so!"

Wen oder was packt ein Hund am Nacken und schüttelt ihn so richtig durch?

Richtig - seine Beute. Mit dem Ziel, ihr so schnell und effektiv wie möglich das Genick zu brechen.

Wenn Sie Ihren Hund zur Strafe am Nacken packen und/oder ihn dabei schütteln, dann ist es, wie wenn Sie ihrem Kind zur Strafe eine Pistole an die Schläfe halten.
Für den Hund ist klar, dass er jetzt sterben wird. Dass Sie gewillt sind ihn zu töten. Können Sie sich vorstellen, was das für Ihre weitere Beziehung bedeuten kann? Würden Sie jemals wieder einer Person trauen, die Sie umbringen wollte?

Und nein, Hundemütter schütteln ihre Welpen nicht. Sie nehmen wie alle Raubtiermütter den vorderen Bereich des Körpers in den Fang, um die Welpen von A nach B zu tragen. Keine Hundemutter würde den Tod ihrer Welpen in Kauf nehmen. Das wäre kontraproduktiv.

Bitte bedenken Sie, dass Sie der einzige Sozialpartner Ihres Hundes sind. Er liebt Sie bedingungslos und ist so abhängig von Ihnen wie ein Kind von seinen Eltern. Wenn Sie seine Ermordung simulieren, wird er nie wieder Vertrauen zu Ihnen haben.




66.
Hunde bellen. Das ist ihre Sprache

und bedeutet so gut wie alles.
Wie unser menschliches Geplapper.

Wenn eine Katze miauend heim kommt, finden wir es niedlich.
Wenn uns unser Pferd entgegend wiehert, sind wir verzückt.
Singen Vögel, sind wir glücklich.
Krötenquaken oder Grillenzirpen sagt uns: Es ist Sommer und Urlaubsstimmung macht sich breit.
Wenn Kühe muhen, merken wir, dass wir auf dem Land sind. Oft machen wir es scherzend nach.
Bellt hingegen unser Hund, werden wir wütend, und das arme Viech kriegt eins auf die Mütze.

Ist es nicht merkwürdig, dass das Gebell eines Hundes das einzige tierische Geräusch ist, auf welches wir mit Aggression reagieren?

Wenn ein Hund bellt, ist er in der Regel erregt. Das kann eine positive Erregung sein, aber auch eine negative Erregung.
Eine positive Erregung wäre beispielsweise, wenn er als Spielaufforderung bellt, bzw. während des Spieles. Oder er bellt, weil er raus muss oder weil er sich aufs Essen freut (da wird es mit unserer Toleranz schon kritisch - er hat sich nicht zu freuen).

Negative Erregung wäre, wenn er meldet. Das ist sein Job, den er seit 15.000 Jahren macht. Eine deutliche Ansage an uns: "He, da kommt wer! Mach das weg, Frauchen!" Oder bei Hundebegegnung. Auch da wird gebellt. "Geh weg!" heißt das, "bleib mir vom Leib!" Bei jeder Form von Streß, Wut, Angst, Unsicherheit. "Hilfe! Hört mich jemand?" rufen einsame Hunde aus Wohnungen oder Gärten, die stundenlang auf ihren Menschen warten müssen.

Wie würde es Ihnen gehen, wenn Ihr einziger Sozialpartner Sie dafür maßregeln würden, wenn Sie eine negative Erregung verbalisieren würden? Was erwarten Sie von Ihrem Sozialpartner in einer solchen Situation?
Richtig: Beistand. Verständnis. Hilfe.
Was sonst?
Und genauso geht es unseren Hunden. Sie haben nur uns. Nur wir können sie aus so einer Situation emotional herausholen. Aber bitte nicht mit Strafe und Maßregelung.
Sondern mit Verständnis, beruhigendem Zuspruch, Ruhe, Empathie und Sicherheit.
Natürlich ist das der unbequemere Weg, denn man muss Geduld und Einfühlungsvermögen haben. Etwas, was den Menschen in dieser schnelllebigen Zeit leider oft abhanden gekommen ist.

Daher: Ihr Hund ist Ihr bester Freund - Werden Sie der Seine!
In jeder Situation.
Durch Dick und Dünn.

65.
Beim Tierazt

Ohne SITZ! PLATZ! oder endlosen Leinenrucks. So sieht es bei uns aus, wenn wir uns im Wartezimmer eines Tierarztes oder einer Tierklinik befinden. Wie absurd wäre es ein Tier, welches zurecht aufgeregt ist oder aufgrund seiner Erfahrungen beim Tierarzt Angst hat, in eine Körperposition zu befehligen. Kein Hund erinnert sich an seine Dressurübungen, wenn er Angst hat. Sein Körper ist durchflutet vom Streßhormon Cortisol, welches ihn zur Flucht bereit macht. Daher ist es unsere Aufgabe als einziger Sozialpartner, unserem Hund in so einer Situation beizustehen, ihn zu beruhigen, bzw. zu trösten. Erinnern Sie sich bitte daran, wie es Ihnen bei einem Zahnarztbesuch im Wartezimmer geht, wenn Sie wissen, dass Ihnen eine schmerzhafte Behandlung bevorsteht. Wäre es nicht schrecklich, wenn Ihr Partner Sie dafür maßregeln würde?
Seien bzw. werden Sie empathisch - Ihr Hund hat nur Sie.

64.
Anders als wir

Das Thema Flüchtlinge ist seit Jahren in aller Munde. Menschen, die in größter Not sind, finden in Deutschland einen Ort der Zuflucht. Hier finden sie Schutz, hier droht ihnen kein Krieg, keine Folter, keine Verfolgung, keine Todesstrafe. Das Asylrecht ist in der Verfassung festgelegt. Diese Menschen aus fernen Ländern sind gewiss anders als wir, die wir in Deutschland leben. Es befremdet uns. Aber ist Deutschland, ist der Deutsche an sich ein Maßstab für Perfektion? Ein Mensch aus einem Kriegsgebiet ist auch ein Mensch und ist für seine Maßstäbe ein perfekter Mensch. Wir urteilen über diese Menschen und erwarten, dass sie genauso wie wir sind. Dass sie sich so kleiden wie wir, dass sie sich so verhalten wie wir, dass sie sprechen wie wir, dass sie die gleichen Moralvorstellungen haben wie wir, dass sie die gleiche Religion und Tradition pflegen wie wir. Sind wir das Mass aller Dinge? Warum? Sind Deutsche die Krone der Schöpfung? Der perfekte Homo Sapiens?

Und dann kommt ein Hund zu uns ins Haus. Ein Hund, den wir uns freiwillig holen. Ein Hund, den wir zu uns holen, weil wir Hunde lieben.
Aber auch seine Andersartigkeit dulden wir nicht. Wir wollen, dass sich dieser Hund verhält wie wir, denkt wie wir, die gleiche Sprache spricht wie wir, die gleichen Moralvorstellungen hat wie wir, die gleiche Hygienevorstellung hat wie wir, ein Rechts- und Unrechtsbewußtsein hat wie wir, die gleiche Erziehung erhält wie wir, die gleichen Wertvorstellungen hat wie wir und und und. Die Liste könnte endlos fortgeführt werden.

Ein Hund ist ein perfektes Wesen. Genauso wie ein Schnecke, ein Kamel, ein Löwe, eine Ameise. Nur wir erwarten scheinbar, dass sich unser Hund wie ein "guter Deutscher" verhält.

Ist das friedliche Zusammenleben zweier unterschiedlicher Spezies wirklich so schwierig?

63.
Vom Stachelwürger zum Brustgeschirr in einer Unterrichtseinheit

In einem meiner Hundehotels sah ich am Aufzug eine Dame mit einer Dogge mit Stachelwürger, an dem sie gestresst herumriß. Ich sprach sie freundlich an, um das Thema zu diesem Folterinstrument überzuleiten. Als sie erzählte, dass sie den 2 jährigen (unkastrierten) Rüden anders nicht halten könnte, bot ich ihr auf der Stelle eine Unterrichtsstunde an, in der sie danach mit dem Hund an der durchhängenden Leine am Brustgeschirr gehen könnte. Ohne zu überlegen sagte sie sofort zu.

So tauschten wir den Stachelwürger gegen ein gutsitzendes Brustgeschirr mit Kehlkopf- und Schulterfreiheit.
https://www.stake-out.de/…/fuehrgeschirr-classic-uni-ohne-b…
und einer 1-Meter-Leine mit Handschlaufe.

Die Hundehalterin bekam nun die Instruktion von mir, sich einfach entspannt hinzustellen und mal wirklich nichts zu tun. Einfach stehen und den Augenblick genießen. Wenn der Hund zieht, geerdet stehen bleiben und sich den Arm bis zum Anschlag rausziehen lassen - und da ist dann wirklich Ende Gelände. Das schafft auf Anhieb kein Hundehalter. Aber genau das erwartet jeder Hundehalter von seinem Hund. Dass er egal was passiert, ruhig und entspannt steht. Jetzt erst erkennen die meisten Hundehalter, dass das fast nicht machbar ist. Weil wir nicht bei uns bleiben können. Weil wir immer im Außen sind. Merkt der Hund, dass wir in so einer Situation NICHT ins Kämpfen kommen, nicht ins Maßregeln oder Korrigieren kommen, dann wird er in der Regel seinem Menschen einen Blickkontakt schenken, bzw. sich ihm annähern. In dem Fall drehte sich die Dogge, sobald die Leine straff war zu ihrem Menschen um und "wanzte" sich dicht an ihn heran. Körperkontakt suchen. Eine leise sanfte verbale Bestätigung, eine leichte sanfte Berührung half, diesen innigen Moment zu bewahren. Nach wenigen Minuten legte sich die 60 kg-Dogge entspannt hin. Natürlich. Das macht jeder Hund, wenn man wirklich mal nichts macht, was uns in der Regel nur zu Hause auf der Couch gelingt, da wir ansonsten im Kopf immer eines voraus sind. Weil wir nicht im Hier und Jetzt leben können. Müssen wir abends beim Fernsehen unseren Hund maßregeln, zur Ruhe bringen, ins PLATZ! befehligen? Wie leicht ist es, diesen Zustand des Seins, des Nichts Wollens einfach nach draußen zu transportieren.

Die Dogge hatte nun das erste mal von seinem Frauchen eine absolute Klarheit erfahren, die einfach nur gelassen und freundlich war und vor allem weit weg vom Wollen.

Und dies kann man 1:1 weiter in den Spaziergang an die Leine fortführen: Doggenfrauchen ging tiefenentspannt im Bummeltempo durch den Ort. Wollte der Doggenrüde schnüffeln, ging sie mit ihm zur Schnüffelstelle. Er gab ihr lediglich einen Impuls in die Hand, und sie begleitete ihn, ohne dass er sie ziehen musste, und sie ließ sich von ihm seine Interessen zeigen. Machen wir bei einem Spaziergang mit Kindern doch nicht anders, oder? Nur nach vorne blieben wir in unserem Bummeltempo, den wir auch bei einem Familien-Osterspaziergang machen würden. Der Effekt: Der Doggenteenager zog nicht mehr, da er die neutrale Erfahrung gemacht hat: Ziehen bringt nichts, denn wenn Frauchen steht, dann steht sie (hammer Erfahrung für einen Hund), und wenn sie geht, dann kann sie halt nicht so schnell. Und die zweite Erfahrung, die er gemacht hat war: "Frauchen ist klar, freundlich, gelassen, gütig, verständnisvoll - aber leider nicht so schnell. Macht aber nichts, ich bin draußen eh mit Schnüffeln beschäftigt - wie sind ja nicht auf der Flucht".

Und dann ging es ans Ableinen. "Und jetzt LAUF!" werden Hunde in der Regel angefeuert. Warum? Weil sie zu doof sind, zu laufen? Leine ich den Hund hingegen ab, und lasse ihn sanft entgleiten, dann wird er sich für uns entscheiden und nicht gleich weglaufen, sondern seinen Spaß und seine Unterhaltung im Freilauf dicht bei uns suchen und sich dementsprechend umso leichter herrufen lassen.

In diesem Sinne - seid nett zu Euren Hunden und beherrscht selber das, was Ihr von ihnen erwartet 😉


62.
Trost

Nach einem Wochenenendkurs  fuhr ich mit meinen Mädels wieder heim nach Oberbayern und machte zwischendurch eine kleine Pipipause für alle. Meine vierbeinige Freundin und Assistentin, die Schäferhündin Bianca galoppierte fröhlich über eine hoch gewachsene Wiese, übersah aber, dass diese zu Beginn einen kleinen Graben mit sich führte und stürzte in diesen hinein. Hinkend kam sie zu mir, setze sich mit der ärmsten Leidensmine neben mich und sah so arm und elend aus wie nie zuvor. Ihr rechtes Vorderbein hielt sie leidend nach oben und wirkte unendlich traurig. Ich bedauerte und tröstete sie, streichelte sie liebevoll über Kopf und Nacken, so wie jede Mutter es mit eine Kleinkind tun würde, welches gerade gestolpert ist. Unabhängig davon wie ernst oder nicht ernst die Folgen des Sturzes gewesen wären.

Hier ist ein Wesen, welches leidet. Was gibt es dabei zu überlegen? Es tat meiner Bianca in dem Moment einfach nur gut - egal ob es nur der Schreck oder wirklicher Schmerz ist. Mein Hund, dessen Sozialpartner ausschließlich ich bin, wendet sich in seiner Not an MICH.

Wie grausam wäre es, da nicht tröstend zur Seite zu stehen?
Wie um alles in der Welt sollte Trost Leid verstärken? Trösten ist ein Instinkt bei allen Wesen, die einen Hauch von Empathie besitzen und dient nur dazu, Leid zu mindern. Trost ist Empathie. Auch wenn Empathie leider den meisten Menschen - gerade im Zusammenhang mit Hunden - aberzogen wurde.

Fazit: Bianca hinkte nicht, war nicht verletzt, aber mein Mitgefühl hat sie gestärkt und ihr ein gutes Gefühl vermittelt. Ich war bei und mit ihr. In dem Moment als sie mich gebraucht hatte.


61.
Eine liegt - alle liegen.

Warum in vielen Wesen die Fähigkeit zum Nachahmen vorhanden ist.

Kennen Sie das: Sie sitzen im Büro und gähnen, und sofort gähnt mindestens einer Ihrer Kollegen mit. Ist er ausgerechnet in der gleichen Minute müde geworden?

Oder das: Sie sitzen im klassischen Konzert, und zwischen zwei Stücken fängt ein Zuschauer das Hüsteln an, und sofort hüstelt der halbe Zuschauerraum mit. Sind tatsächlich alle Zuschauer erkältet?

Oder das: Eine Kuh legt sich hin und fängt das Wiederkäuen an - alle Kühe legen sich hin und käuen wieder.

Unser Gemeinschaftssinn lässt uns und auch die Tiere diese Handlungen unbewußt nachmachen. Kinder ahmen ihre Eltern nach. Tierkinder imitieren die Handlungen ihrer Eltertiere. SO lernen sie. Lernen durch Nachahmen. Die leichteste Art zu lernen. Eine unbewußte Art zu lernen.
Falls Sie einen Dialekt beherrschen, werden Sie ihn unbewußt ausgeprägter sprechen, wenn Ihr Gegenüber ihn ebenfalls benutzt. Und weniger, wenn Ihr Gesprächspartner gepflegtes Hochdeutsch spricht.

Sozialverhalten. Den Gemeinschaftssinn fördern.

Nun sieht man auf dem Foto mich (oder zumindest meine Beine) in meiner Mittagspause (wenn ich mal eine habe) in meinem Mittagspausenzimmer in unserem Haus. Ich sitze auf meiner Couch, habe mein Essen neben mir, den Fernseher angeschaltet und schaue einen entspannenden Film. Und meine fünf Hunde liegen auf bzw. neben mir.

Habe ich sie aufgefordert hochzuspringen und ins PLATZ! und ins BLEIB! zu gehen? Wohl kaum. Denn abgesehen davon, dass keiner meiner fünf Hunde ein Kommando kennt (habe ich all die Jahre bei keinem meiner vielen Tiere gebraucht), würde wohl kaum ein Hundehalter beim täglichen Fernsehen auf der Couch seinem Hund das Kommando zu einer andressierten Körperposition geben. Zumal fast jeder Hund zu Hause irgendwo herumliegt und schläft. Denn Hunde brauchen 18 - 20 Stunden Schlaf, und den nutzen sie, wann immer es möglich ist. Also ist dieses Foto eigentlich nichts Besonderes.

Wenn ich aber dieses Gefühl dieser Situation innerlich abspeichere und nach außen transportiere, dann erlebe ich eine wunderbares Phänomen: Meine Hunde ahmen mich nach. Und zwar immer - egal wie stressig es gerade ist. Weil wir eine Gemeinschaft sind. Weil wir zusammen gehören.
Und deshalb sitzen oder liegen meine Hunde immer dann, wenn ich es schaffe, innlich loszulassen und zu entspannen. Jeder Hundehalter kann das lernen. Und genau deswegen brauche ich keine Kommandos, habe aber auf den Punkt entspannte Hunde. Weil sie mich nachahmen.

Und das ist ein wichtiges Prinzip meiner Kurse, meines Unterrichtes, dessen was ich lehre.



60.
Hunde sind unser Spiegel

Wenn Ihr Hund laut ist und schreit - schreien Sie nicht mit, sondern werden Sie umso leiser

Wenn Ihr Hund an der Leine reißt - reißen Sie nicht zurück, sondern bleiben Sie weich und bei sich

Wenn Ihr Hund aggressiv ist - begeben Sie sich nicht mit auf sein Niveau, sondern werden Sie weicher, liebevoller und umso freundlicher

Wenn Ihr Hund ängstlich oder unsicher ist - lassen Sie ihn nicht im Stich, sondern stehen Sie ihm in seiner Not bei - er hat nur Sie

Wenn Ihr Hund weint, jault oder winselt - unterstellen Sie ihm nicht, er sei ein Schauspieler, sondern trösten Sie ihn

Wenn Ihr Hund droht - drohen Sie nicht zurück, sondern ändern Sie die Situation. Für ihn.

Seien Sie klug, Seien Sie weise. Wollen Sie wirklich die Probleme Ihres Hund spiegeln und ihn somit darin bestätigen? Oder wollen Sie wie ein kluger und weiser Sozialpartner handeln und ein großartiges Vorbild sein, an dem sich Ihr vierbeiniger bester Freund orientieren kann? Er hat nur Sie.



59.
Sind Sie perfekt?

Nein, mutmaßlich nicht. Das ist niemand von uns, auch unsere Hunde nicht.
Aber haben Sie schon mal etwas Dummes, etwas Unvernünftiges, etwas Falsches gemacht, am Ende gar gegen das Gesetz verstoßen? Haben Sie dafür Ärger bekommen?

Bestimmt.

Ist es nicht wunderbar, wenn in solchen Situationen der eigene (Ehe-)Partner oder beste Freund hinter einem steht, einem beisteht? Oder Sie im schlimmsten Fall sogar einen  Anwalt benötigt haben, der Ihnen half, Ihnen beistand, auf Ihrer Seite war?

Lieber Leser, bitte stehen Sie sich immer auf die Seite Ihres Hundes. Er ist Ihr Freund und nicht Ihr Gegner. Seien Sie MIT ihn und nicht GEGEN ihn. Er hat niemanden sonst auf der Welt, nur Sie. Er ist zu 100% von Ihnen abhängig. Statt ihn für ein von uns deklariertes "Fehlverhalten" zu strafen oder zu rügen, zeigen Sie ihm doch lieber, welches Alternativverhalten Sie von ihm möchten.

Seien Sie sein Anwalt, seien Sie immer auf seiner Seite. Er hat nur Sie.
 

58.
Das Abbruchsignal

Heute las ich mal wieder, wie wichtig es doch ist, dass man seinem Hund ein Abbruchsignal antrainiert, und dass dies leider tausende von Wiederholungen und Übungseinheiten bedarf, bis dieses sitzt. Und mal wieder wie wichtig Regeln und Grenzen sind.

Belegt man den Namen seines Hunde IMMER positiv und hört endlich mit dem ständigen Genörgle und den vielen Maßregelungen auf, dann ist es das Leichteste der Welt, jede Situation sofort abzubrechen, indem man leise und sehr freundlich den Namen seines Hundes nennt, bzw ihn auf die Entfernung fröhlich ruft und sofort verbal freundlich bestätigt. Das muss ich nicht antrainieren oder tausendmal üben, sondern einfach machen - das ist eine Frage der Selbstdisziplinierung. DAS ist Kommunikation. Das ist Hundeflüstern.



57.
Noch eine kurze Erklärung zum Thema Strafen:

Postitive Strafe - Es wird dem Hund etwas Unangenehmes zugefügt

Negative Strafe - Es wird dem Hund etwas Angenehmes entzogen

Ein harmonisches Zusammenleben mit dem besten Freund des Menschen ist ohne positive und ohne negative Strafe möglich. Das Zauberwort heißt Kommunikation, Empathie, kynologisches Wissen und Fachwissen über das Lernverhalten von Säugetieren.

Auch mit einem Problemhund ist dies möglich, und ja, man kann einen Problemhund auch ohne Strafe therapieren. Dies setzt voraus, dass man sich mit dem Wesen Hund, Biologie und Verhalteskunde auf wissenschaftlicher Basis auseinandergesetzt hat.

Hier noch mal für alle selbsternannten Chefs, Leitwölfe, Rudelführer und Alphas:
Es gibt in Wolfsrudeln weder eine Rangordnung noch Hierarchien. Ein Wolfsrudel besteht aus Papa, Mama und den Kindern.
Und das Gleiche gilt für Hunde, die keine Rudeltiere sind sondern hochsoziale Alleingänger. Es gibt keine dominanten Hunde, aber es gibt Hunde, die ihre Ressourcen vehementer als andere verteidigen, bzw die einen größeren Individualbereich haben oder Hunde, die durch harte Behandlung seitens des Menschen zu aggressiven Verhaltesweisen neigen.

Dies ist nicht meine Erfindung und hat auch nichts mit persönlicher Meinung zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend kynologisches Wissen und biologisch seit den 90er Jahren erwiesen. Bei Bedarf und wirklichem Interesse kann ich gerne fachliche Literaturtipps geben.

Die Erde ist eine Kugel und keine Scheibe.


56.
Wie bastle ich mir einen Problemhund?
Leichte Anleitung für Jedermann in wenigen Schritten

Man nehme sich einen ganz normale Hund, statte ihn mit Halsband und Leine aus und unternehme den einen oder anderen Spaziergang. Bei jedem normalen hündischen Verhalten, wie dem Hinziehen zu einem anderen Hund, dem Beschnüffeln von Urin oder Kot, dem übermäßigen Begrüßen von Menschen, dem Bellen bei Unsicherheit oder einfach nur dem Vorwärtsdrang quittiere man dies bitte mit einem mehr oder minder kräftigen Leinenruck und einer aggressiven Ansage.
Wie? Das klappt noch nicht?

Dann nehmen Sie bitte ein Würgehalsband oder meine ganz neue brandheiße Empfehlung: Ein sogenanntes Zuziehgeschirr.

Dies zieht sich schmerzhaft unter den Ellenbogen (Achselhöhlen) mit einer dünnen Schnur zusammen und verursacht unsägliche Schmerzen.


Da die Viecher scheinbar zu dumm sind, unter Schmerz, Leid, Sauerstoffabschluß und Streß zu kapieren, dass sie ständig Fehler machen, und dann noch zu blöd sind, unsere Gedanken zu lesen und statt dessen das richtige Verhalten anzubieten, um diesen Schmerzen zu entgehen, basteln Sie sich somit einen wunderbaren Problemhund, der noch mehr an der Leine zieht, noch mehr in jeder Situation bellt und ganz schnell super aggressiv auf alles reagieren wird, und für sich den Rückschluß zieht, dass allein der Anblick von Menschen und Hunden mit Schmerz und Streß verbunden ist. Die Reaktion von Schmerz und Streß ist in der Regel Aggression.

Ruckzuck - fertig. War doch gar nicht so schwer, oder?

Ach ja, falls Sie eines Tages keine Lust mehr auf Problemhunde haben, haben sie A die Möglichkeit mit viel Liebe, und Geduld das Ganze wieder rückwärts aufzulösen oder B dem Hund noch mehr Schmerz und Leid zuzufügen, bis er gebrochen ist. Einfach mal SIXX, RTL oder WDR einschalten, da gibt es genaue Anleitungen für Letzteres

 Eine sehr gute Osteopathin hat zu diesem Anti-Zieh-Geschirr gesagt:
"Es entstehen Schulterprobleme weil der Gurt auf das Schulterblatt bzw. das Gelenk drückt.
Wirbelsäulenprobleme wegen falschem Zug, gerade am Übergang Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule.
Es entstehen Probleme am Vorderlauf, weil die Schulter fest wird."

In diesem Sinne - seid nett zu den Wesen, die Euch lieben







55.
Fallbeispiel:

1 1/2 jähriger Schäferhundrüde, unkastriert.

Das Thema war, dass er draußen an der Leine zog und manchmal zu anderen Hunden hinwollte. Eine absolute Lapalie im Vergleich zu dem, was ich sonst erlebe. Wo ist da bitte auch nur annähernd das Problem?

HALLO???

Einen eineinhalbjährigen, unkastrierten Schäferhundrüden, der draußen nicht an der Leine zieht und nicht zu anderen Hunden hinwill, würde ich sofort zum Tierarzt schicken. Dieses Verhalten ist normal! Der Hund ist mitten in der Pubertät, der will alles sehen, erleben, fühlen, schmecken, riechen, erfassen, was es auf der Welt gibt. Und glücklich, fröhlich und voller Energie sein. Und das alles am liebsten gleichzeitig. Hunde sind keine seelenlosen Schlaftabletten. Wer bitte redet einem Hundehalter ein, dass das ein Problem ist? Dieses Wesen lebt! Gottseidank!
Sind Eltern besorgt, weil ihr 15jähriger Sohnemann die BRAVO liest und in die Disco will?

Ich betrat die Naturheilpraxis der Hundehalterin, besagter Rüde lag währenddessen tiefenentspannt unter deren Schreibtisch und hob gerade mal den Kopf.
"Ist das immer so, wenn hier jemand Fremdes reinkommt?" fragte ich. "Ja", lautete die Antwort, "er ist immer hier bei mir, wenn ich arbeitete." Enorm! Ein pubertierender Schnösel, der seinen Mensch und ruhige Eindrücke als Alltag erleben darf. Was kann es für einen Hund Schöneres geben?

Und nun erfuhr ich von der Dame, dass ich ihre letzte Hoffnung bin. Sie hatte einen angeblich gewaltfrei arbeitenden Hundetrainer da, der ihren Hund draußen mit einer Kette auf den Kopf bewarf, wenn er zog, und ihn mit dem Knie und der Fußspitze kickte. Da konnte es in der Gegend, aus der sie kam nur einen geben, und ich lag richtig mit meiner Annahme. Ob besagter Trainer die Sachkundeprüfung nach §11 vor dem zuständigen Vereninäramt abgelegt bzw. bestanden hat, lasse ich gerade überprüfen. Sie sagte, dass es bei dem Trainer toll funktioniert hat, als dieser da war, bei ihr jedoch nicht. Und was dazu kam war, dass der Hund danach total verstört und verängstigt war.

Kein Wunder, denn strafe ich einen Hund durch Erschrecken und Schmerzen, wird natürlich das Vertrauensverhältnis massiv zerstört. Stellen Sie sich mal vor, der Mensch, den Sie am meisten lieben, misshandelt Sie. Kommt bei Paaren manchmal vor. Ein Mann, der seine Frau schlägt, wird ihr Vertrauen natürlich verlieren, aber dennoch verlassen diese Frauen ihre Männer häufig nicht. Für viele unverständlich. Bei Hunden ist es nicht anders. Er wird seinen Menschen immer noch lieben, das steckt in ihm drinnen, aber vertrauen wird er ihm nie mehr, weil er weiß, wozu dieses unberechenbare Wesen fähig sein kann. Die Angst und Unsicherheit bleibt.

Ein weiterer Trainer empfohl ihr ein Geschirr, bei dem eine dünne Schnur unter den "Achseln" (also den Ellenbogen) läuft und am Rücken zusammengeführt wird. Bei Zug auf der Leine schneidet die Schnur äußerst schmerzhaft in das Fleisch ein, (siehe Foto unten). Eigentlich schon tierschutzwidrig.

Als wir nach dem Vorgespräch losgehen wollten, erschrak ich: Der Hund stand da wie ein Dromedar, sprich, er hatte einen Buckel. Ein Schäferhund mit Buckel! Durch dieses Geschirr hat sich der Hund eine so schlimme Schonhaltung angewöhnt, um dem Schmerz zu entgehen, dass seine ganze Körperhaltung völlig krumm und schief war. Die Schulterfreiheit war begrenzt, er macht nur noch kurze Trippelschritte.
Wir tauschten sofort dieses Folterinstrument gegen ein gutsitzendes, weiches Y-Brustgeschirr. Dazu die 1-Meter-Leine. Und dann ging es endgültig raus.

Wie immer ließ ich erst den Hund im Stehen die absolut neutrale Erfahrung machen, dass die Leine zu Ende ist, wenn sie zu Ende ist. Diese Erfahrung ist für den Hund völlig normal und unspektakulär, absolut nicht frustrierend, und er kommt ziemlich rasch auf die Erkenntnis, dass die Leine wirklich zu Ende ist, wenn sie zu Ende ist. Der Hund muss dazu nichts lernen. Nur der Mensch, denn der schafft es seltenst, dies durchzuziehen ohne ins Kämpfen zu kommen.

Die gleiche Erfahrung macht der Hund dann beim Gehen: Die Leine ist zu Ende, und es geht leider dennoch nicht schneller, auch wenn er zieht wie der Teufel. Der Mensch kann mit seinen zwei Beinen nie so schnell sein wie ein Hund. Eine neutrale Erfahrung, aus der fast alle Hunde rasch den Rückschluss ziehen, dass an der Leine ziehen nichts bringt. Es ändert sich nichts, alles andere wäre Energieverschwendung. So leicht ist das. So eir die Erkenntnis, dass das Haus eine Tür hat und der Garten einen Zaun. Alles Dinge, die man dem Hund nicht aktiv beibringen muss. Für die Hundehalter jedoch ein unglaublicher Akt der Selbstdisziplinierung. Einfach nur entspannt gehen. Die Hundehalter müssen lernen, nicht der Hund. Der braucht nur Rückschlüsse ziehen, mehr nicht. Und das Wichtigste bei allem: Der Hund soll und darf schnüffeln, soviel und vor allem solange er will. Es ist sein Spaziergang und nicht unser Sportprogramm. Jedes Schnüffeln, Markieren und Scharren wird verbal belohnt und gewürdigt.
Und so bekommt man einen Hund wunderbar leinenführig ohne Streß.

54.
Fallbeispiel:

1-jährige aggressive Boxerhündin

Die Halterin kam völlig gestresst und eine Stunde zu spät zu unserem Termin im Hundehotel. Die einjährige Hündin am Halsband, und die Halterin zog und zerrte, kommandierte, schimpfte, maßregelte, ließ dem Hund die Leine lang, zog aber sobald die Hündin die lange Leine natürlich ausnutze, diese wieder zurück, rief dauernd SITZ! SITZ! SITZ!, es war Chaos pur. Es waren natürlich noch andere Hunde in der Hotellobby, und schnell war das Durcheinander perfekt.

Fast zu streng sagte ich ihr, sie solle sich setzen, die Leine kurz halten und den Hund einfach in Ruhe lassen. Nach wenigen Minuten beruhigte sich das aufgebrachte Hundemädchen und legte sich hin. Eine ganz normale Folge, wenn der Mensch den Fokus weg vom angeblichen "Fehlverhalten" nimmt, selber ruhig wird und diese ganzen unnützen Befehle und Grundkommandos weg läßt, die man in jeder Hundeschule als erstes lernt, und die jedem ach so wichtig und unerlässlich im Zusammenleben mit einem Hund erscheinen. Währenddessen erklärte ich ihr, wie ein Halsband bei leichtestem Zug jegliches "Fehlverhalten" immens verstärkt, da unter Atemnot und Minderdurchblutung des Hirnes niemand - weder Mensch noch Hund - logisch denken und entspannen kann. So tauschten wir das Halsband gegen ein Brustgeschirr mit Schulterfreiheit und eine 1 Meter-Leine und gingen raus.

Wie immer begann ich mit dem Entspannen des Hundehalters, und die Hündin wurde immer ruhiger, setzte sich hin und legte sich dann hin und konnte in Ruhe alle Reize, die sich ihr in dieser neuen Umgebung nach der stressigen Fahrt boten verarbeiten. Wer einen entspannten Sozialpartner hat, der kann selber entspannen. Hunde lernen am leichtesten durch Nachahmen, und dies ist eine Art des Lernens, die wir nicht aktiv fördern müssen. Es sind keine Übungs- oder Trainingseinheiten nötig, keine endlosen Wiederholungen oder Ähnliches. Wir Menschen müssen lernen, für unsere Hunde ein Vorbild zu sein. Wer straft, schreit, maßregelt, ständig verbietet und kommandiert ist in den Augen des Hundes kein würdiger Sozialpartner und erst reicht kein Vorbild, sondern einfach ein Rowdy.

Die kleine Hündin wurde vor der ersten Läufigkeit bereits kastriert und konnte den Schritt ins Erwachsensein leider nie vollziehen. Sie hatte nie eine schlimme Begegnung mit anderen Hunden, doch ich erlebte sie bei der ersten Hundebegegnung als aggressive Furie. Meine liebe vierbeinige Assistentin Bianca hielt gleich Sicherheitsabstand. Sie weiß immer was zu tun ist. Das Verhalten der Boxerhündin konnte einem wirklich Angst machen. Sehr ungewöhnlich, so ein Verhalten bei einem so jungen Hund.

Die Hundehalterin brachte jetzt durch meine Anleitung beim Stehen sowie beim Gehen eine schöne Ruhe in die ganze Situation, wurde freundlicher, klarer, entschleunigter und souveräner, und die Hündin spiegelte das ganz schnell. Wieder kein aktives Trainieren, Beibringen, Dressieren und Üben nötig. Das hätte nichts mit Mit Hunden Sein zu tun, sondern wäre einfach nur Hundetraining, also Dressur. Der Name der Hündin wurde von jetzt an positiv belegt, die Ansprachen motivierend, zärtlich, freundlich, liebevoll. Auch bei Hundebegegnungen wurde es schon ein wenig besser.

Jetzt kam Trick 17: Der Schleckerroller von Trixie. Sieht aus wie ein Deoroller, ist aber mit einer leberwurstartigen, stark duftenden Flüssigkeit gefüllt. Kam ein anderer Hund, gab es ein, zwei Schleckerchen mit dem Roller, und so hat sich die Hündin selber ratzfatz umkonditioniert. Hundebegegnungen waren jetzt auf einmal toll, Frauchen von Interesse, denn ein positives Erlebnis überdeckte die Wut, den Hass, die Aggression. Und löschte sie.

Frauchen war plötzlich großartig, sie war es ab jetzt wert, dass man sie ansah, wenn der Name so unglaublich freundlich und fröhlich genannt wurde, denn Frauchen hatte sich mit dem heutigen Tag um 180 Grad verändert. Frauchen hatte etwas gelernt - nicht der Hund. Der hat in diesen 2 Stunden seine Rückschlüsse für sich und sein Leben mit seinem Menschen gezogen. Und die kann jetzt allein durchs freundliche und fröhliche Nennen des Namens ihres Hundes jede Situation abbrechen.

So einfach und nachhaltig ist das. Das ist Mit Hunden Sein.


53.
Die Lust am Strafen

NEIN! AUS! PFUI! KSCHT! ist noch die harmloseste Variante.
Schimpfen, Erschrecken, Gegenstände hinterher werfen, Klapse, Schläge, Tritte, Ignorieren, Leinenrucks, das Halsband in die geschlossene Faust nehmen und drehen, anschreien, auf den Rücken legen, Nackengriff, Nackenschütteln, Würgen, und und und .... jetzt ist schon mein Latein am Ende, weil ich über solche Dinge gar nicht nachdenken mag und kann. Alles was aktiv und mit einer Berechnung von uns aus dazu beiträgt und dem Hund unangenehm ist, ist rein wissenschaftlich als Strafe zu beurteilen.

Strafe soll ein Verhalten des Hundes abbrechen bzw. den Hund dazu bringen, dieses Verhalten nicht mehr zu zeigen und über seine Fehler nachzudenken. Er soll sofort erfahren, dass dies ein Fehlverhalten ist, und dass dieses in Zukunft immer auf diese Weise sanktioniert wird. Das funktioniert aber nicht, wenn man sich mit dem Lernverhalten von Hunden (Säugetieren) auseinandersetzt. Außer man straft so hart, dass das Tier gebrochen ist und nie wieder irgendein Verhalten aus Eigeninitiative zeigen wird. So werden beispielsweise Zirkustiere oder Reitelefanten gebrochen.

Ein Fehlverhalten? Hunde, also Tiere kennen in ihrer Welt kein Fehlverhalten, denn das was sie tun, ist in ihrer Tierwelt die beste und sinnvollste Variante für diesen Moment im Hier und Jetzt. Für sie logisch und sinnvoll - für uns ein Fehlverhalten. Leider sind die meisten von uns die absoluten Legastheniker, was das Lesen der Hundesprache und das Verstehen des Hundeverhaltens und das Lernverhalten des Hundes betrifft. Vorne bellt es und hinten wedelt es. Das ist meist alles was ein Hundehalter von seinem Hund in Sachen Verhaltenskunde weiß. Es gehört viel Zeit und Willen dazu, sich in Kynologie fortzubilden.

Strafe ich meinen Hund - egal wie - ist der erste Effekt zunächst, dass der Hund erschrickt und über unser für ihn nicht vorhersehbares Verhalten veränstigt ist. Sind Sie schon mal über eine Reaktion Ihres (Ehe-)Partners oder besten Freundes erschrocken oder gar verängstigt gewesen? "Das hätte ich nie von ihm gedacht", sagen Sie danach zu einer anderen Person Ihres Vertrauens. Lernt man unter Angst, Streß, Druck, Strafe, Schmerzen? Was lernt man dabei vor allem über die Person, die dies verursacht? Was für Rückschlüsse zieht man für sich über das zukünftige Beisammensein?

Kennen Sie die Geschichten von Frauen, die von ihren Männern mißhandelt werden? Aus Sicht des Mannes ist sein Verhalten richtig. "Die hat es doch nicht anders verdient!"
Wird die Frau sich aufgrund der Bedrohungen dem Mann gegenüber ehrfürchtiger benehmen? Sie wird es vielleicht versuchen, aber sie wird mutmaßlich unbewußt immer wieder Fehler machen - Fehler in den Augen des Mannes - und wieder bestraft werden. Im Grunde ist es völlig egal was sie tut, es wird immer falsch sein. Wie wird ihre Einstellung zu dem Mann sein, den sie mal geliebt hat und wahrscheinlich immer noch liebt, warum auch immer? Hat sie Courage, dann geht sie zur Polizei oder ins Frauenhaus. Wir beglückwünschen sie zu dieser Entscheidung und stehen auf ihrer Seite. Wie ist es bei unseren Hunden?

Was geht in strafenden Hundehaltern vor? Wut? Angst? Unsicherheit? Scham vor anderen Hundehaltern als unfähig abgestempelt zu werden?
Oder ist es das prickelnde Gefühl Macht über etwas zu haben? Macht über ein Wesen, welches schwächer ist als wir? Löst es ein Glücksgefühl aus? Was für Hormone werden wohl im Körper eines strafenden Menschen freigesetzt, so dass dieser Drang zu strafen so dominant ist?

Liebe Leser, ich kann Ihnen aus langjähriger Erfahnung mit Problemhunden aller, wirklich aller Art nur immer wieder sagen:
Es geht wunderbar und nachhaltiger ohne NEIN! AUS! PFUI! KSCHT! und natürlich auch ohne allem, was dies noch übertrifft.
Säugetiere lernen am leichtesten, wenn man ihnen zeigt, welches Verhalten erwünscht ist und nicht indem man unerwünschtes Verhalten bestraft.
Und zwar so, dass Sie sich zusammen mit ihrem Hund dennoch in dieser Gesellschaft zeigen können ohne negativ aufzufallen, sondern im Gegenteil: Sogar besonders positiv aufzufallen.



Foto: Aylen Brauer
Fotomodell: Duke

52.
Bedingunglose Liebe

Hat Sie schon einmal ein Mensch bedingungslos geliebt?
Wirklich bedingungslos? Sie tagein tagaus geliebt - so wie Sie sind?
Egal ob Sie arm oder reich, dick oder dünn, beruflich erfolgreich oder letzte Versager sind, cholerisch oder die Güte in Person sind, wunderschön oder häßlich wie die Nacht sind, politisch ultrarechts oder ultralinks sind, gertenschlank oder massiv übergewichtig sind, kerngesund oder totkrank sind, hochintelligent oder dumm wie Brot sind, freigeistig oder stockkonservativ sind, steinreich oder bettelarm sind, übergroß oder zwergenwüchsig sind? Sind Sie von diesem Menschen wirklich jeden Tag gleich bedingungslos geliebt worden? Auch wenn Sie sich im Laufe der Jahre verändert haben, was ja natürlicherweise nicht ausbleibt? Ist die Liebe unverändert gleich geblieben?
Nein? - Kein Wunder, denn kein Mensch wird fähig sein so eine Liebe zu geben.
Und dennoch, es gibt jemanden in ihrem Leben, der Sie genau so bedingungslos liebt:
Ihr Hund
Genau dieses Wesen liebt Sie mehr als alles andere auf der Welt. Nur weil Sie mit ihm zusammenleben, weil Sie sein Mensch sind. Und er Ihr Hund.
So, nun werden Sie also von Ihrem Hund mehr geliebt als von Ihrem (Ehe-)Partner, mehr geliebt als von Ihrem besten Freund, mehr geliebt als von Ihren Eltern.
Wäre nicht die erste logische Frage: Wie kann ich diese Liebe zurückgeben? Wie kann ich das alles nur annähernd adäquat wieder gut machen? Wie kann ich mich revanchieren? Eine logische Frage für den Homo Sapiens - den weisen Menschen, nicht wahr?
Statt dessen denkt der weise Mensch darüber nach, wie er dieses Wesen, welches Liebe in Reinform verkörpert:
Drillt, straft, gängelt, zu einem unnatürlichen Wesen formt, schikaniert, unterbuttert, Schmerzen zufügt, demütigt, bedroht, ihm alles verbietet, was ihn ausmacht, seine Seele bricht, ihn behandelt wie den letzten Dreck, wie einen Sklaven, wie einen Kriminellen, wie einen Sträfling, sich über ihn erhebt. Wie man seine bedingungslose Liebe mit Füßen tritt.

Der weise Mensch?

Würde er auch einen anderen Menschen so behandeln, der ihn liebt?

Foto: Katharina Hans

51.
Aggressive Hunde

In den letzen drei Tagen hatte ich drei verschiedene Hunde mit der gleichen Vorgeschichte und exakt den gleichen Themen. Sprich Probleme mit allem was ihnen draußen unter die Augen kommt, sei es Mensch oder Hund in jeglicher Art und Weise oder Sonstiges. Alles gepaart mit Aggression. Und da jeder Hund ein Individuum ist und jeder Mensch ein Individuum ist und alle zusammen noch individueller sind, hatte ich bei allen Dreien eine komplett andere Herangehensweise.

Aber eines handhabte ich bei allen gleich: Es war zu 100% gewaltfrei, und zwar in der Art und Weise, dass die Hundehalter jederzeit mit ihren Hunden hätten tauschen können. Wahrscheinlich in den Situationen sogar lieber ihr eigener Hund gewesen wären. Alle Hunde wurden in den 2 - 3 Stunden in einem 100% angenehmen Zustand gehalten. Sie haben nichts beigebracht bekommen, nichts aktiv lernen müssen, nichts üben müssen, keinen Frust erlitten, sondern nur ihre Rückschlüsse über ihren Menschen gezogen.

Drei mal Problem gelöst.

Das ist der Grund warum ich kein viertes Buch schreiben werde. Ich kann keine Gebrauchsanweisungen veröffentlichen, ich kann nur Ideen vermitteln. Mit Hunden Sein ist keine Methode. Was ich im ersten Buch geschrieben habe, handhabe ich so gut wie gar nicht mehr. Vieles von Buch 2 ist nicht mehr gültig, weil ich schon wieder viel bessere Herangehensweisen entwickelt habe, die ich aber auch in Buch 3 schon nicht mehr beschrieben habe, weil mir bis dahin noch bessere Ideen kamen.

Meine täglichen Lehrer sind meine Hunde, die Hunde meiner Kunden und oft auch meine Kunden selber. Jeder bringt unbewußt eine kleine Idee mit, die in mir einen Impuls, einen Gedankenblitz auslösen und mir schon wieder eine neue Idee kommt.

Das ist mit Hunden Sein. Und daher hat es absolut nichts mit Hundeerziehung zu tun.

In diesem Sinne - jeder Tag ist spannend - alle Hunde sind toll und unsere Freunde und nicht unsere Schüler

50.
Fallbeispiel:

9-jährige Hütehündin mit Problemen bei Hundebegegnungen:

Besagte Hündin (die aus der Tötung aus Spanien kommt) gerät beim Anblick eines anderen Hundes völlig aus der Fassung und zeigt deutliche Streßreaktion: lautes hysterisches Bellen, Leineziehen, weit aufgerissene Augen, unkontrollierte Bewegungen. Bei plötzlichen lauten Geräuschen geschieht so ziemlich das Gleiche. Ihre Halterin ist eine unglaubich liebe und ruhige Frau, die bis dato gottseidank auch nur mit positiver Verstärkung und mit viel Liebe und Ruhe mit ihr umgegangen ist. Kleine Erfolge zeigten sich im Laufe der Jahre.

Wenn man so einen Hund mal einfach neutral betrachtet, wird einem natürlich klar, dass der Hund unsicher und sehr leicht erregbar ist und daher auch sehr leicht zu stressen ist. Dies muss man bitte erst mal hinnehmen. Es gibt genügend Menschen, denen es nicht anders geht. Jeder Hund ist anders, jeder Mensch ist anders, und dies ist weder zu werten noch zu verurteilen. Hier haben wir es mit Gefühlen und Emotionen zu tun und nicht mit Fehlverhalten. Das sollte bitte jedem klar sein. Das Verhalten eines Wesens ist das Resultat seiner Erlebnisse und Erfahrungen im Laufe seines Lebens. Die Frage sollte niemals sein: "Wie gewöhnen wir ihm das ab?" sondern: "Wie können wir ihm helfen?".

Wichtig ist, wenn ein Hund Streßmerkmale zeigt, wirklich sofort zu handeln und nicht zu warten, bis irgendeine höhere Macht von Oben was tut und einschreitet. Als 1. Hilfe empfehle ich immer, sich sofort dem Hund zuzuwenden, auf Augenhöhe zu gehen und den Hund sanft zu berühren (Oxytozinproduktion wird angeregt) und mit ihm liebevoll zu reden. Noch mal: Hier handelt es sich nicht um ein von der Ratio gesteuertes Verhalten seitens des Hundes, sondern um ein Stressmerkmal. Stress kann man durch liebevolle Zuwendung weder belohnen noch bestrafen. Geht nicht. Bei niemanden. Dass der Hund immer ein gutsitzendes Brustgeschirr mit Schulterfreiheit tragen sollte, sollte selbstverständlich sein. Atemnot verstärkt jegliches "Fehlverhalten" (ich hasse diesen Begriff, weil es unter Tieren kein Fehlverhalten gibt). Begebe ich mich nun runter zum Hund, ist es wichtig, ihn am Geschirr zu halten, bzw. die Leine kurz zu halten, denn je größer die Bewegungsfreiheit in so einem Moment ist, desto gestresster wird der Hund. Probieren Sie es aus.

Eine weitere Möglichkeit wäre - sofern nach hinten genügend Platz ist - den Hund aus dem Geschehen rauszuholen, in dem ich mit ausgestreckten Arm und Handfläche nach oben rückwärts von der Gefahr weggehe. Dadurch habe ich den Vorteil, dass ich vom Hund sofort Blickkontakt und seine volle Aufmerksamkeit bekomme. Ich hole ihm quasi aus dem "Horrofilm" raus.

Dritte Möglichkeit ist das Bogengehen, also bei einer normalen Hundebegegnung dem entgegenkommenden Hund auszuweichen und selber ganz gelassen zu bleiben. Die Leine dabei verkürzen, so dass der Hund dicht beim Halter weg von der Gefahrenseite geführt wird. Dabei muss der Halter extrem tiefenentspannt und ganz souverän bleiben.

Wir hatte damit ein paar Erfolge, aber ich war noch nicht ganz zufrieden. 9 Jahre Panik sind nicht so leicht zu therapieren.

Schlechte Gefühle, Ängste, Unsicherheite, Wut und Panik kann ich prima mit guten Gefühlen zuerst überdecken, später sogar komplett löschen. Und habe ich das Glück, einen Hund zu haben, der in so einer Situation noch Futter nimmt, mache ich mir das natürlich zunutze. Die Halterin der Hündin gab auf Anraten vieler positiv arbeitender Trainer dem Hund dann ein Leckerchen, wenn er "schön brav" war, also nach der Hundebegegnung. Befassen wir uns aber mit Hundeverhalten und der Denk- und Lernfähigkeit eines Hundes, ist es für einen Hund nicht nachvollziehbar, für eine NICHT vollzogene Handlung belohnt zu werden, da "brav sein" kein Kunststück und keine Dressur ist, sondern ein Zustand der Entspannung und Gelassenheit ist. Also ein Gefühl. Gefühle kann man nicht belohnen. Bei niemandem. Denn niemand, außer einem Top-Schauspieler, kann Gefühle vorspielen, bzw. auf Kommando vorführen.

Bei "Mit Hunden Sein" wird den Hunden nichts beigebracht, weder Verhalten noch irgendwelche Kunststücke noch sonst etwas. Mit Hunden Sein ist eine Freundschaftsarbeit. Und nur wir sind es, die arbeiten müssen, nicht der Hund. Der liebt uns sowieso heiß und innig. Die schönsten beigebrachten Dinge sind im Zustand einer stressigen Situation nur schwer bis gar nicht abrufbar. Ist bei uns genauso. Sagen Sie mal unter Streß, Angst und Panik Mathe- oder Physikformeln auf.

So, nun gehe ich so an die Sache ran, indem der Hund genau dann Leckerchen bekommt, wenn er in die Angst, in die Panik, in den Streß kommt. Ich bringe ihm im Zustand eines schlechten Gefühls in den Zustand eines guten Gefühls.

Stellen Sie sich vor, dass jedes mal, wenn sie mega-gestresst sind, plötzlich etwas Wunderbares passiert. Denken Sie dann wirklich immer noch an den gerade durchlebten stressigen, negativen Zustand? Positive Gefühle überdecken immer negative Gefühle. Das ist so, da gibt es nichts dran zu rütteln.

Fazit: Hundchen hat sich selber umkonditioniert: Hunde treffen ist angenehm und positiv, Frauchen ist supi, hat jede Situation im Griff und bleibt souverän und stets freundlich, fröhlich und unbeschwert.

Nach zwei Stunden strahlten Hund und Frauchen um die Wette :-)


49.
Hundetrainer

"Guten Tag, meine Name ist Eva Windisch, ich komme aus Oberbayern, bin 56 Jahre alt und bin Hundetrainerin."
So beginne ich meine Vorträge.
Hundetrainer kann sich jeder nennen. Es ist kein geschützter Beruf. Jeder Hundefrisör, der festestellt, dass er gut Hunde festhalten kann, kann sich von heute auf morgen zum Hundetrainer ernennen.
So habe auch ich mich vor 15 Jahren selber zur Hundetrainerin ernannt. Es gibt keine offizielle, also staatliche Ausbildung. Immerhin haben wir in Deutschland seit 2014  die Pflicht, vor dem Veterinäramt eine Sachkundeprüfung abzulegen, in der wir unter anderem zeigen müssen, dass unsere Arbeit nicht tierschutzwidrig ist. Leider zeigen viele Hundetrainer bei der praktischen Prüfung das, was die Prüfer sehen wollen und machen dann nach ihrer oft straforientierten Art und Weise munter weiter.

Sie kennen das: 100 Hundetrainer - 100 Meinungen. Sind Meinungen Wahrheiten oder einfach nur Geschmäcker?
Meinungen sind Schall und Rauch. Meinungen sind nichts wert - absolut nichts. Heutzutage hat jeder zu jedem Thema eine Meinung. Ist diese deswegen eine Wahrheit? Sind Meinungen, die mehrheitlich sind eine Wahrheit? Sind wir Hundetrainer Hoheiten, weil wir Meinungen haben und diese munter kund tun und in der Welt verbreiten? Weil wir damit verunsicherten Hundehaltern ein Glaubensgerüst bereiten? Wir haben teilweise den Status eines Halbgottes habe ich das Gefühl.

Ich als ebenfalls selbsternannte Hundetrainerin habe es mit lebenden, fühlenden Wesen zu tun und sehe es als meine Pflicht an, mich weiterzubilden, mich zu informieren, Wahrheiten herauszufinden, auch wenn es manchmal mühsam ist.
Ich will lernen und herausfinden, wie dieses Wesen Hund denkt, lernt, fühlt, tickt, lebt, interagiert, kommuniziert, wie es uns sieht und wahrnimmt, wie es seine Welt sieht und wahrnimmt, was es ist, was es ausmacht. Und dazu bilde ich micht nicht durch TV-Hundetrainer-Sendungen fort oder indem ich anderen Hundetrainern über die Schulter schaue, denn auch diese haben sich alle selber zum Hundetrainer ernannt - genau wie ich.

Fortbilung macht da Sinn, wo Fachleute am Werke sind und waren, sprich Biologen, Kynologen, Wissenschaftler, die eben möglichst keine Hundetrainer sind, sondern sich der Verhaltensforschung verschrien haben. Und zwar nicht nur bei den eigenen Hunden oder denen vom Nachbarn im Dorf.
Das sind Instanzen, die mir Wissen vermitteln können, welches ich mit guten Gewissen weitergeben kann und auf welches ich mit gutem Gewissen meine Arbeit aufbauen kann. Weiterbildung ist dank des Internets wesentlich einfacher geworden als früher. Man kann sich gezielt Literatur von Kynologen besorgen, deren Blogs und Seiten lesen. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Das sind Menschen, die Wahrheiten herausgefunden haben. Auch die können sich mal irren und korrigieren sich, wenn sie falsch lagen. Aber sie tun es gottseidank. Da sollte einem kein Zacken aus der Krone fallen.

Ein paar Tipps von den Aktuellsten: John Bradshaw, James O'Heare, Günther Bloch, Thomas Riepe, David Mech (Liste kann gerne ergänzt werden).

Meine Bitte an Sie: Glauben Sie nicht alles, was Ihr Hundetrainer Ihnen sagt. Wenn es gegen Ihr Herz, gegen Ihr Bauchgefühl, gegen ihr Empathieverständnis und gegen Ihren logischen Menschenverstand ist, dann fragen sie nach, haken Sie nach. Löchern sie ihn so lange, bis die Antwort für Sie wirklich nachvollziehbar und vor allem FÜR und nicht GEGEN den besten Freund des Menschen ist. Und bedenken Sie immer: Möchten Sie anstelle Ihres Hundes sein? Immer?"



48.
Radfahren mit Hund?

Ab 25° C Außentemperatur trifft man immer wieder auf ein erstaunliches Naturphänomen: Die Radfahrer mit Hund. Das ganze Jahr über verstecken sie sich, aber exakt ab Hochsommerbeginn kriechen sie aus ihren Löchern. Luftig bekleidete Menschen, die sich genießerisch beim Radeln den frischen Fahrtwind um die Nase wehen lassen. Denn beim zu Fuß gehen kommt man bei den Temperaturen einfach zu leicht ins Schwitzen. Das Ganze mit einem in den Regel angeleinten, im Galopp nebenher hechelnden Hund, dem die Zunge bis zum Asphalt raushängt. Bevorzugt am Halsband.

Was geht in diesen Menschen vor? Haben ihrer Ansicht nach Hunde ein anderes Temperaturempfinden? Sind das die Menschen, die ihren Hund auch im Sommer im Auto auf dem Parkplatz braten lassen? Ist das in ihren Augen Auslastung, das berühmte Auspowern um jeden Preis? Erspart das lästiges den-Hund-noch-schnell-Bewegen? Die zeitliche Länge der "Gassi-Runde" durch entsprechendes Tempo einfach verkürzen?

Grundsätzlich powert man bitte einen Hund schon mal nicht aus. Einen Hund lastet man aus. Nur weil wir 10 Stunden täglich im Büro sitzen, was wider der menschlichen Natur ist, und wir dies durch feierabendliches Streßjoggen oder auf-dem-Laufband-rennen kompensieren, müssen wir diese Burn-Out-Vorbereitung doch nicht auf unseren Hund übertragen.

Ein Hund braucht 18-20 Stunden Schlaf am Tag. Möglichst nicht in Einsamkeit, denn dies ist kein erholsamer Schlaf. Und was tun dann Hunde in Freiheit, also Straßenhunde, verwilderte Hunde? Sie ziehen gemächlich von Müllhalde zu Müllhalde und rennen nicht im Hetzgalopp durch die Wälder. Und erst recht nicht bei Hitze sondern dann, wenn es abgekühlt ist. Man sieht überhaupt selten Tiere freiwillig länger als ein paar Minuten rennen, seien es wilde Tiere oder domestizierte Tiere.

Wenn Sie das Bedürfnis haben, ihren Hund bei hochsommerlichen Temperaturen "auspowern" zu müssen, dann rennen Sie bitte selber erst mal eine halbe Stunde durch die pralle Sonne. Aber mit warmer Jacke, ja?

"Ausgepowert" muss kein Hund werden. Auslasten hat nie etwas mit km/h zu tun, sondern mit Erleben, Sinne in Ruhe einsetzen, Gemeinschaft, Natur fühlen, Hund sein und Seele baumeln lassen zu tun. Alles andere ist kontraproduktiv und bewirkt durch die Produktion des Hormons Adrenalin, dass der Hund immer mehr und mehr braucht und immer hibbeliger anstatt ruhiger und ausgeglichener wird.



47.
Sind unsere Hunde zu dumm, sich zu beschäftigen?

In einem der Hundehotels in Österreich in denen ich  früherunterrichte, steht ein Hundespielplatz der Seinesgleichen sucht. Ein Hundespielplatz wohlgemerkt - kein Agilityplatz, kein Sportplatz. Dieser Hundespielplatz ist wirklich für Hunde konzipiert. Er ähnelt einem Abenteuerspielplatz für Kinder. Er ist aus Naturholz, hat die verschiedensten Stationen und ist wirklich unglaublich kreativ entwickelt worden. Als ich das erste mal mit meinen fünf Mädels drauf war, flippten sie vor Begeisterung aus, und probierten alles aus - ohne mein Zutun. Und meine Mädels sind jetzt nicht so die Typen, die zwingend Action oder Abenteuer suchen. Ich bummelte einfach über diesen Platz und die Mädels nutzen alle Stationen. Da haben sich die Hotelbetreiber wirklich etwas dabei gedacht. Ich war begeistert!

Beobachtet man jetzt mal, wie dieser Platz genutzt wird, stimmt einen das fast ein bißchen traurig. Hundehalter betreten den Platz, gehen gezielt auf ein Objekt ihrer Begierde zu, befehlen den Hunden diese oder jene Station zu nutzen, an jeder Station müssen die Hunde auf Geheiß ihrer Menschen diverse Körperpositionen einnehmen und schlicht und einfach mal wieder wie Soldaten funktionieren.

Man stelle sich das gleiche Szenario nun auf einem Kinderspielplatz oder auf einem Rummelplatz vor: Müssen Eltern ihre Kinder animieren, einen Spielplatz zu nutzen, einen Rummelplatz zu nutzen? Müssen sie sie animieren, ein Karussell, eine Rutsche oder ein Baumhaus zu nutzen? Dienen solche Plätze nicht eher dazu die Kreativität und die Phantasie der Kinder zu fördern?

Unsere Hunde sind durchaus fähig, uns ihre Welt zu zeigen, uns ihre Vorstellung von Spaß haben zu zeigen. In ihrer Hundewelt haben sie ihre eigenen Ideen, Phantasien und Bedürfnisse.

Hören wir doch einfach mal hin, hören wir ihnen zu. Ihre Welt ist oft spannender als wir denken. Es sind perfekte Wesen.



45.
Wie straft man einen Hund?

Liebe Hundehalter, auf diese Frage gibt es nur eine einzige Antwort, und die lautet: "Gar nicht!"

Was bewirkt eine Strafe? Letztendlich nur, dass unser Hund Angst vor uns hat. Ist das ein erstrebenswerter Zustand, dass das Wesen welches 10 - 15 Jahre mit uns zusammenlebt, welches uns mehr liebt, als uns je ein Mensch lieben wird, dass dieses Wesen vor uns Angst hat? Wollen oder brauchen wir wirklich für unser Wohlgefühl das Wissen, dass unser geliebtes Haustier vor uns Angst hat?

Überdenken wir bitte noch mal, dass Strafe - um wirklich wirksam zu sein - so hart und so auf den Punkt aufgeführt werden muss - dass der Hund dieses im Augenblick unerwünschte Verhalten unterläßt. Und dann? Wird er es dann für immer sein lassen? Hat er seine Lektion gelernt? Nein, denn ein Hund lebt im Hier und Jetzt. Es ist ein Tier mit dem IQ eines zweijährigen Kindes und hat kein Rechts- und Unrechtsbewußtsein, keine Vorstellung von Moral und Tugenden, kein Schuldgefühl, keine Ahnung von Gesetzen und menschlichen Werten.
Es ist ein Tier mit einem Tiergehirn, einer Tiervorstellung von seiner Tierwelt, seinen Tierregeln und seinen Tiergesetzen, seinem Tierinstinkt - und einem großen Herz voller Liebe zu uns Menschen. Davon werden unsere Hunde primär getrieben.
Und unser Dank dafür ist, dass wir uns die perfidesten Strafen ausdenken, um diesem Wesen voller Liebe Schmerz, Leid und Kummer zu bereiten? Und dabei noch ein Wohlgefühl, ein Lustgefühl empfinden. Und dafür denken wir uns unzählige nie ausgehende Ausreden und Argumente aus, um unser Handeln zu rechtfertigen.

Halten wir uns nicht für die Krone der Schöpfung und rühmen wir uns nicht unseres hohen IQs? Warum setzen wir diesen dann bitte nicht ein, um mit dem besten Freund des Menschen in Freundschaft und Harmonie zusammenzuleben?

Wo bleibt unser Wissen, wenn es darum geht, einem schwächeren Wesen bei einem "angeblichen" Fehlverhalten eine bessere Alternative zu zeigen?

Hunde lieben uns, SIE wollen in Freundschaft und Harmonie mit uns Leben, das ist die Folge von 15.000 Jahre Domestizierung. Sie handeln nicht in böser Absicht uns gegenüber. Wozu auch? Es sind nur Tiere, eine andere Spezies mit einer anderen Sprache, mit einer anderen Denke als wir. Es ist mit unserem hohen IQ ganz einfach, sich auf so ein einfaches Wesen einzulassen, seine Sprache, seine Denke, seine Welt, sein Leben, seine Instinkte kennen und lesen zu lernen. Für uns ist es einfacher, das Wesen Hund zu studieren als für einen Hund den Menschen so perfekt zu verstehen als wir es ständig von ihm erwarten.

Machen wir es ihm doch leicht. Wir haben das Wissen. Wir haben den Geist. Wir haben den Verstand.


44.
Positive Strafe - Negative Strafe



Noch eine kurze Erklärung zum Thema Strafen:

Postitive Strafe - Es wird dem Hund etwas Unangenehmes zugefügt

Negative Strafe - Es wird dem Hund etwas Angenehmes entzogen

Ein harmonisches Zusammenleben mit dem besten Freund des Menschen ist ohne positive und ohne negative Strafe möglich. Das Zauberwort heißt Kommunikation, Empathie, kynologisches Wissen.

Auch mit einem Problemhund ist dies möglich, und ja, man kann einen Problemhund auch ohne Strafe therapieren. Dies setzt voraus, dass man sich mit dem Wesen Hund, Biologie und Verhalteskunde auf wissenschaftlicher Basis auseinandergesetzt hat.

Hier noch mal für alle selbsternannten Chefs, Leitwölfe, Rudelführer und Alphas:
Es gibt in Wolfsrudeln weder eine Rangordnung noch Hierarchien.
Und das Gleiche gilt für Hunde. Es gibt keine dominanten Hunde, höchstens Hunde, die ihre Ressourcen vehementer als andere verteidigen, bzw die einen größeren Individualbereich haben oder Hunde, die durch harte Behandlung seitens des Menschen zu prolligen Verhaltesweisen neigen.

Dies ist nicht meine Erfindung, sondern schlicht und ergreifend kynologisches Wissen und biologisch seit den 70er Jahren erwiesen. Bei Bedarf und wirklichem Interesse kann ich gerne fachliche Literaturtipps geben. Auch dies zu dementieren ändert an dieser Tatsache nichts.

Die Erde ist eine Kugel und keine Scheibe.



43.
Schlechte Laune

Die meisten Hundehalter, die man draußen trifft, sind schlecht gelaunt. Schade, zumal der Hund doch der beste Freund des Menschen ist. Und die Tatsache, über viele viele Jahre hinweg einen besten Freund zu haben, sollte doch eigentlich unsere Mundwinkel nach oben zaubern. Wären wir unseren zweibeinigen Freunden gegenüber ständig ebenso schlecht gelaunt, wären wir mutmaßlich ziemlich alleine auf dieser Welt.
Nehmen Sie Ihren Hund als das was er für Sie ist: Ihr bester Freund, Ihr Seelentröster, Ihr Gefährte, Ihr Kumpel, Ihr Medium, die Natur zu genießen.
Und seien Sie Ihrem Hund das Gleiche. Wenn er mal nicht mehr ist, werden Sie sich daran erinnern, was er mal für Sie war.


42.
Wissenschaft vs. Meinungen

 Kein Tier ist so gründlich durch und durch erforscht worden, von Biologen, Kynologen und Wissenschaftlern durchleuchtet worden, wie unser seit ca. 15.000 Jahren domestizierter Haushund Canis Lupus Familiaris. Kein Buch mit 7 Siegeln, sondern ein ganz leicht zu lesendes Wesen, welches es uns in der Kommunikation und in der Interaktion mehr als einfach macht.

Wenn man bereit ist, das Märchen vom Rudelführer, vom Alphawolf, vom Leithund, vom Leitwolf und Chef auszublenden und einfach mal ein Fachbuch zur Hand zu nehmen würde um sich ein wenig schlau zu machen, wüsste es mittlerweile jeder - nämlich dass ein Hund das ist für was er allgemein steht: Der beste Freund des Menschen. Nicht sein Feind, nicht sein Gegner, nicht sein Schüler und nicht sein Sklave.

Für so viele Bereiche und Themen kaufen wir uns heutzutage Literatur, Fachbücher, Sachbücher. So vielen Dingen wollen wir auf den Grund gehen, so viele Dinge wollen wir herauskriegen. Nur beim Thema Hund decken wir uns lieber mit Büchern ein, die uns die tollsten Kunststückchen, Dressurübungen und Tricks für unsere Hunde vorschlagen und uns über Grundgehorsam, Erziehung und Fehlverhalten belehren wollen, anstatt einfach mal herauszukriegen, mit was für einem wunderbaren, hochsozialen Wesen wir denn da einen nicht unerhebllichen Abschnitt unseres Lebens teilen.



41.
"Hunde sind untereinander ja auch nicht gerade zimperlich..."

So wird Gewalt am Hund gerne gerechtfertigt.
Schauen wir uns das Ganze mal genauer an. Wann haben zwei Hunde Probleme miteinander und gehen demzufolge nicht gerade zimperlich miteinander um?

1. Individualdistanz

Ein Hund zeigt dem Kollegen auf, dass er ihm zu nahe ist. Verständlich, wir mögen es auch nicht, wenn uns fremde Menschen zu nahe kommen. Selbst bei vertrauten Menschen ist ein gewisser Abstand machmal angenehmer. Die berühmte Armlänge fühlt sich für Viele am Besten an.

So, ist nun wirklich unser Problem mit unserem Hund, dass er uns zu nahe kommt? Mit Sicherheit nicht. Unser Problem ist doch eher, dass er nicht nahe genug kommt, stimmt's?

2. Ressourcen. Sprich Futter, Spielzeug, Partner

Hunde verteidigen ihre Ressourcen. Wir im Übrigen auch. Jeder.
Ressourcen sind wichtig, vor allem Futter. Das ist überlebenswichtig. Was also tun, wenn ich an das Futter oder eine andere Ressource meines Hunde will? Na klar, ich biete ein adäquates Tauschobjekt. Macht für beide Seiten Sinn und gibt ein gutes Gefühl. Muss ich das Futter meines Hund wegnehmen, seine Beute, seine Fundstücke, sein wasweißichwas, dann biete ich ihm als Entschädigung zum Beispiel ein Stückchen Käse. Hund denkt: "Prima Sache! Wenn mir was von meinem Menschen weggenommen wird, bekomme ich eine Entschädigung, also hab ich in Zukunft kein Problem mehr damit."

Was bleibt nun noch übrig an "nicht gerade zimperlich untereinander"?

Niemals wird sich das "nicht gerade zimperlich" auf Ungehorsam beziehen. Ungehorsam gibt es in der Tierwelt nicht.

Bitte bedenken Sie immer wieder: Wir leben mit einem Wesen zusammen, welches uns mehr liebt als uns je ein Mensch auch nur annähernd lieben wird, und welches eine völlig andere Sprache spricht als wir. Sollte es wirklich unser Ansinnen sein, zu überlegen, wie wir dieses Wesen strafen oder ihm ein unangenehmes Gefühl verschaffen können?

40.
Das was ich in meinem Unterricht lehre heißt nicht:

Hunde auslasten, Hunde auspowern, Hunde trainieren, Hunde erziehen, Hunden Tricks beibringen, Hunde vorführen, mit Hunden angeben, Hunden Fehlverhalten abgewöhnen, Hunde als Sportpartner hernehmen, Hunde beschäftigen, Hunden etwas beibringen, mit Hunden üben, Hunde abrichten, Hunde dressieren, Hunde schulen, Hunde ausbilden, Hunde benutzbar machen, Hunde umformen, Hunde clickern, Hunde vorzeigbar machen, Hunde arbeiten lassen, Hunde zum Gehorsam bringen, Hunde normen, Hunde umformen, Hunde strafen, Hunde maßregeln, Hunde schimpfen, Hunden ein Rudelführer sein....
Nein, es heißt einfach nur Mit Hunden Sein. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin mit meinen Hunden so wie ich mit meinem Partner bin, mit meinen Freunden bin, mit meinen anderen Tieren bin.
Im Prinzip eine völlig einfache und logische Sache. Und doch für viele so schwer.


39.
Andere Länder - andere Sitten


Diesen Text schrieb meine beste Freundin, und ich finde, er paßt hier auf diese Seite:
Hallo liebe Leute, ich hatte ja vor ein paar Wochen mal um Ratschläge gebeten, weil ich nach Shanghai reisen sollte und etwas Angst davor hatte, dort schreckliche Tiermärkte oder sonstiges Elend zu sehen. Nun wollte ich mich kurz rückmelden. Ich bin jetzt seit einer Woche hier und es ist einfach nur wunderschön. Alle sind entspannt, keine Hektik, alle sind nett zueinander.(außer beim Drängeln an der Sbahn, das ist ungewohnt herb, aber ohne jede Aggresion) Kinder streiten nicht miteinander, sondern spielen friedlich, im chaotischen aber dank zahlreicher Elektrorollern ruhigem Straßenverkehr fällt kein böses Wort, wo in Deutschland sich schon jeder zu Tode gehupt oder geschrien hätte, kein Kind wird angeschrien oder hart zurechtgewiesen.
Auch der Umgang mit Tieren ist extrem sanft und lieb, soweit ich es gesehen habe. Kois im Teich und Strassenkatzen werden behutsam gestreichelt und gefüttert, kein Kind haut da ( wie bei uns manchmal) zum Spaß drauf, und zu den Hunden sind alle sanft und freundlich. Alle Hunde gehen am Geschirr oder ganz frei, würgehalsbänder oder sonstige Erziehungsmaßnahmen habe ich noch überhaupt nicht gesehen. Da wird nie ein Hund mit Befehlen "Sitz, Platz, aus!" traktiert, zum Befehlsempfänger degradiert oder gar a la César Milan gewürgt oder eingeschüchtert. Die wirklich unschönen Szenen mit Hunden habe ich bisher leider vor allem in Deutschland gesehen. Hier laufen die Hunde einfach entspannt neben ihren Menschen her, und wirklich niemand stört sich an Ihnen oder maßregelt sie. Mag sein, dass meine eine Woche Shanghai jetzt nicht repräsentativ ist, und natürlich werden hier sicher auch, wie überall, schlimme Sachen mit Tieren angestellt. Aber ich finde es schon beachtlich, welche Hetze da in Deutschland stattfindet, von wegen die Chinesen haben eine andere, einfach harte Einstellung zu Tieren, auf die ich auch rein gefallen bin. Ich finde es eine sehr schöne und auch beruhigende Erkenntnis, dass diese Hetze falsch ist. Und da hatte @Martin Vierthaler doch recht, man muss sich die Dinge manchmal doch selber anschauen, statt vor lauter Angst vor dem Elend der Welt einfach gar nichts mehr sehen zu wollen. Ich zumindest habe hier in Shanghai eine ganz unerwartete, große Schönheit, Ruhe und Harmonie im Zusammensein erlebt, von der ich versuchen werde, mir eine Scheibe abzuschneiden. Anbei noch ein Foto von einem
Hund in einem Restaurant, nicht auf dem Boden, sondern ordentlich auf einem eigenen Stuhl, mit seinem Getränk vor der Hundenase. Was gäbe das für ein Geschrei in München!

38.
Unsere Spiegel


Wie können wir von unserem Hund Ruhe und Entspannung verlangen, wenn wir selber nie in die Ruhe kommen? Körperlich wie geistig.

Wie können wir von unserem Hund Unbeweglichkeit verlangen, wenn wir selber ständig ohne es zu bemerken herumzappeln?

Wie können wir von unserem Hund Disziplin verlangen, wenn wir selber undiszipliniert sind?

Wie können wir von unserem Hund Freundlichkeit verlangen, wenn wir ihm gegenüber unfreundlich sind?

Wie können wir von unserem Hund menschliche postitive Eigenschaften verlangen, wenn wir ihn ständig unmenschlich behandeln?

Wie können wir von unserem Hund stetige gute Laune verlangen, wenn wir uns ihm gegenüber übellaunig präsentieren?

Wie können wir von unserem Hund erwarten, dass er uns versteht, wir uns aber nie die Mühe machen, ihn zu verstehen?

Wie können wir von unserem Hund Beständigkeit und Berechenbarkeit verlangen, wenn wir selber unbeständig und unberechenbar sind?

Wie können wir von unserem Hund Achtsamkeit verlangen, wenn wir selber ihm gegenüber unachtsam sind?


Unser Hund ist unser Spiegel. Es liegt an uns, ihm ein gutes Vorbild zu sein, ihm zu zeigen, was wir von ihm wünschen, indem wir ihm zeigen, dass wir es selber längst können. Muss ich einem Wesen welches mich liebt meine Erwartungshaltungen andressieren, um mit ihm eine gute Zeit zu haben?


37.
Ruhe geben

Szene in einem meiner Hundehotels in denen ich arbeite, gestern beim Abendessen: Das übliche SITZ!PLATZ!SITZ!PLATZ! in der Endlosschleife, um die aufgeregten und gestressten Hunde im Hotelrestaurant in eine vermeindliche Ruhe zu bringen.

Es kann nicht funktionieren!

Ich kann einem aufgeregten Wesen keine Ruhe geben, indem ich Körperpositionen von ihm verlange. Ginge bei Ihnen auch nicht.

Ein kleiner Basenji schrie wie am Spieß vor Streß, eine Rasse, die eigentlich eher schweigsam sind. Positiver Streß, denn er war ob der vielen Hunde sehr aufgeregt und wollte zu allen hin. Obwohl seine Menschen wirklich lieb zu ihm waren, konnten sie auch nur auf Ihr Kommandorepertoire zurückgreifen.

Nach meinem Vortrag nach dem Abendessen riet ich ihnen fürs Frühstück die Leine sanft zu verkürzen (so dass er dicht bei seinem Menschen ist) und sich aufs Essen zu konzentrieren. Das geht bei unserem Hund niemals!" riefen sie.

Da sitzen sie nun am Morgen beim Frühstück - mit einem zufrieden schlafenden Hund.

Es kann so einfach sein.


36.
Hilfe, mein Hund bellt! - Völlig normales Hundeverhalten: Das ist seine Sprache.

Hilfe, mein Hund schnüffelt und markiert! - Völlig normales Hundeverhalten: Das ist seine Kommunikation, sein Facebook.

Hilfe, mein Hund schlingt! - Völlig normales Hundeverhalten: Hunde schlucken im Ganzen und müssen nicht das Essen zermahlen.

Hilfe, mein Hund will draußen immer vorne gehen! - Völlig normales Hundeverhalten: Der Hund hat draußen mit Ihnen Spaß und will was erleben.

Hilfe, mein Hund knurrt, wenn ich ihm sein Futter wegnehme - Völlig normales Hundeverhalten. Das Verteidigen von Ressourcen ist letztendlich überlebenswichtig.

Hilfe, mein Hund frißt Fäkalien! - Völlig normales Hundeverhalten: Eine Folge der Entwicklung vom Fleischfresser Wolf zum Allesfresser Hund. Daher die Bezeichnung Köter. Köter kommt von Kotfresser.

Hilfe, mein Hund rammelt! - Völlig normales Hundeverhalten: Das dient zum Einen dem Streßabbau, aber vor allem macht es Spaß. Uns übrigens auch.

Hilfe, mein Hund wälzt sich in übelriechenden Dingen - Völlig normales Hundeverhalten: Das ist sein Parfum.

Hilfe, mein Hund klaut Essen, wenn ich den Raum verlasse! - Völlig normales Hundeverhalten: Unbewachte Ressourcen gelten für Hunde in ihrer Welt als freigegeben.

Es sind in der Regel die hundetypischsten Verhaltesweisen, die uns an unserem Hund abstoßen, die uns nicht gefallen, die wir an unserem Hund nicht mögen, nicht wollen, nicht akzeptieren, nicht tolerieren.

Warum dann ausgerechnet ein Hund? Wäre nicht ein anderes Haustier geeigneter?


35.
Behandeln Sie Ihren Hund so, dass Sie jederzeit mit ihm tauschen würden und nicht erst im nächsten Leben.


 
34.
Hausaufgabe

Wie oft am Tag schimpfen, strafen, ermahnen und maßregeln Sie Ihren Hund? Machen Sie sich doch mal eine Strichliste, bzw. versuchen Sie erst mal die Sensibilität dafür zu bekommen.
In meinen Kursen weise ich meine Teilnehmer immer wieder darauf hin, und erst dann merken sie, dass dies beim Zusammensein und vor allem beim Spaziergang mit dem Hund teilweise unbewußt im Minutentakt erfolgt. Sind wir uns und unserer Wahrnehmung gegenüber schon so abgestumpft? Dass dieses Dauergenögle schon die normale Kommunikation mit unserem besten Freund darstellt? Mit dem Wesen, welches uns mehr liebt als es je ein Mensch in unserem Leben tun wird?

Möchten Sie mit Ihrem Hund Rollen tauschen? Einen Tag lang Ihr Hund unter Ihrer Obhut sein? Haben Sie es in Ihrem Leben vielleicht schon selber erfahren wie es ist, ständig gemaßregelt zu werden, erfahren, dass alles was Sie machen scheinbar falsch ist? Als Kind? Oder in der Arbeit?
Wie ging es Ihnen dabei?

Und jetzt überlegen Sie sich, was Sie statt dessen machen könnten, z.B. ein freundlicher, lustig-animierender Rückruf gefolgt von einer kleinen Extra-Party für Ihren Hund, während er zu ihnen rennt. Oder die Animation zusammen mit ihm ganz schnell weg vom Objekt der Begierde zu rennen, also ein kleines Wettrennen. Oder durch das freundliche Nennen seines Namens die Aufmerksamkeit auf ein Leckerli oder ein tolles Spielzeug zu lenken.

Es ist so einfach.



33.
Weil ich immer wieder darauf angesprochen werde, denn alle meine fünf Mädels haben einen dieser extrem günstigen Adressanhänger:
Wenn Ihnen mal ein Hunde wegläuft, weil er erschrickt, jagen geht oder aus einem anderen Grund. Verlassen Sie sich nicht auf die Tassomarke. Leute, die nichts mit Tieren zu tun haben, werden weder wissen, was Tasso ist, noch Interesse daran haben, einen fremden Hund anzufassen, um ihn nach seiner Identität zu untersuchen. Diese Adressanhänger, auf denen ich meine Handynummer mit Ländervorwahl beidseitig eingravieren lasse und am Rückenring des Geschirres befestige (einer von -zig Gründen, ausschließlich ein Brustgeschirr zu verwenden), ist die beste Garantie, sofort vom Finder einen Anruf zu bekommen. Er muss dazu den Hund nicht berühren, sondern kann es bequem ablesen und sofort ins Handy eintippen. Kein Umweg über Tasso, Tierarzt oder Tierheim mehr nötig. Ich denke, dass die rote Herzform auch noch mehr dazu beiträgt nach außen zu signalisieren, dass hier jemand seinen Hund wirklich liebt und ihn sehr vermisst.
http://www.ebay.de/…/2-Stuck-Hundemarken-Herz…/322385851390…


32.
Tiere rufen?

Haben Sie schon mal beobachtet, wie Reiter ihre Pferde rufen, wenn sie sie von der Weide holen? Wie Leute ihre Katze rufen? Wie Bauern ihre Hühner locken? Wie Leute Tiere anlocken? Wie sie einen fremden Hund ansprechen, wenn sie möchten, dass er zu ihnen kommt?

Ist es nicht verkehrte Welt, dass man ausgerechet seinen eigenen Hund, ein vierbeiniges Familienmitglied, den besten Freund des Menschen wie einen Soldaten, wie einen Sklaven, wie einen Gefangenen, wie einen Feind ruft?

Wie möchten Sie, dass Ihr bester Freund, Ihr Sozalpartner Sie ruft, wenn er was von Ihnen möchte? Ist Ihnen schon aufgefallen, dass wenn die Stimme fröhlich war, Sie sofort reagierten, Ihr Blick sofort erwartungsvoll in die Richtung des Rufenden ging? War die Stimme jedoch barsch, ärgerlich oder genervt, wussten Sie doch gleich, dass als Nächstes etwas Unangenehmes folgte, nicht wahr?

"Der soll gefälligst hören!" Ach tatsächlich?
Dann hören Sie sich doch das nächste mal selber zu beim Herbeirufen Ihres Hundes. Würden Sie kommen?

Seien Sie achtsam, seien Sie selbstkritisch. Man bekommt nichts geschenkt im Leben.

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31.
Warum so schlecht gelaunt?

Wenn ich so durch die Lande ziehe, fällt mir immer wieder auf, dass die Hauptkommunikation zwischen Mensch und Hund aus einem äußerst barschen Ton, Kommandos oder Maßregelungen besteht. Und dazu kommt, dass die Hundehalter, wenn sie mit ihrem "besten Freund des Menschen" zusammen sind, meist einen ziemlich übellaunigen (in Bayern würde man sagen: grantigen) Gesichtsausdruck haben.
Seltenst hört man freundliche, warme oder liebevolle Töne, bzw. Lob.

Gingen diese Menschen so mit ihrem Partner oder ihrem besten Freund um, hätten sie mit Sicherheit in kürzester Zeit niemanden mehr.

Der Hund als Ventil für Alltagsfrust? Für das Verlangen von Perfektion und Diszipin von einem Tier mit einem Gemüt und der Abhängigkeit eines zweijährigen Kleinkindes?

Reflektieren Sie doch mal bitte, wie oft Sie innerhalb eines Tages Ihren Hund schimpfen, wie oft Sie strafen, wie oft Sie Ihre Wut und Ihren Frust am angeblichen Ungehorsam Ihres Hundes auslassen.

Wie würde Ihr Leben aussehen, wenn die Menschen die Sie lieben Ihnen rund um die Uhr sagen würden, wass Sie alles falsch machen und Ihnen nie helfen würden, Dinge zu verstehen, Ihnen nie einen richtigen Weg für Problemlösungen aufzeigen würden?

30.
Praxisbeispiel:

Hund mit Autoaggression (Selbstverstümmelung)

Eine Kundin mit zwei kleinen Hunden, die im Hundesportverein Agilitiy, Cavletti und Obedience ausbildet und leidenschaftliche Turnierteilnehmerin ist, machte bei mir einen Einzeltermin, da ihr 2-Jähriger Yorky-Pudel-Mix (aus dem Auslandstierschutz mit schlimmer Vergangenheit) Probleme bei Hundebegegnungen hat und sich in der Box im Auto wie wild im Kreis dreht. Des Weiteren ist er im Freilauf nicht abrufbar. So geht er seit einem dreiviertel Jahr, also seit er bei ihr ist, an der Leine, an der er ziemlich zieht.

Also viele Baustellen auf einmal.

Als ich der Kundin vor unserem Termin im Hundehotel im Hotelflur mit meiner lieben Bianca kurz über den Weg lief, hingen die beiden zarten Hunde an ihren Halksbändern fast wie an einem Galgen auf den Hinterpfoten an der Leine, die die Halterin hektisch nach oben zog. Die beiden Hunde kläfften wie verrückt und waren von ihr nicht zu beruhigen. Wie denn auch? Sie sehen einen Hund, haben damit ein Problem (Unsicherheit) und drohen in dem Moment zu ersticken, weil ihre Luftröhre mechanisch nach innen gedrückt wird. Zudem werden die Karotiden (Halsschlagadern) kompressiert, also das Gehirn minder durchblutet. In so einer Situation kann kein Lebewesen ruhig bleiben, da es davon ausgeht, dass es gleich stirbt. Ginge uns nicht anders.

Bei unserem Termin startete ich wie immer gleich, also mit dem lockeren Stehen und Entspannen des Halters, was so gut wie kein Hundehalter auf Anhieb beherrscht. (Vom Hund erwartet man das ja bizarrerweise).  Das Halsband wurde gegen ein gutsitzendes Brustgeschirr mit Atemfreiheit eingetauscht, so dass der Hund, auch wenn er zieht (oder der Halter zieht, was genauso oft vorkommt), frei atmen kann.

Die Ruhe der Kundin (die sehr zur Verspannung neigte) ging schnell auf den kleinen Hund über, und das erste Mal konnte er beängstigenden Dinge in Ruhe ansehen und ohne Hektik verarbeiten. Nichts wurde korrigiert oder reglementiert. So schenkte er seinem Menschen einen Blickkontakt nach dem anderen, der dies mit einem leisen, freundlichen Feedback erwiderte. Kommunikation zwischen zwei Spezies.

Der Hund stellte fest, dass die Leine nach einem Meter plus der Armlänge des Menschen zu Ende ist, was eine neutrale Erfahrung ist. Er wurde nicht zurückgerissen, sondern er durfte ziehen.  Wir sind so weg von unserem Körpergefühl und unserer Wahrnehmung, kommen unbewußt immer wieder ins Kämpfen, verlangen aber Gehorsam und Perfektion von unserem Hund, anstatt einfach innerlich loszulassen.
Das Gehen an der Leine klappte wunderbar und entspannt, und auch die Hundebegegnungen wurde dank der erlernten Ruhe der Hundehalterin immer unspektakulärer. Für Hund und Mensch. Denn wer einen Partner an seiner Seite hat, der schützen kann und Sicherheit vermitteln kann, dem gibt man sich hin, dem vertraut man.

Mit dieser Vorarbeit gingen wir an das Hauptproblem: Die Transportbox im Auto. Auf der Rampe lief das Hundchen immer erwartungsvoll rein, und in dem Moment wo die Tür zu ist, ging es los. Und ich konnte mich davon überzeugen. Er begann wie wild zu knurren und schreckliche Geräusche von sich zu geben, während er sich gleichzeitig immer und immer wieder in seine Schwanzwurzel biß, während er sich manisch blitzschnell im Kreis drehte. Was muss das Tier erlebt haben, dass es zu so einer massiven Neurose kam? Also Hund raus aus dem Auto, und wieder kamen wir in die Ruhe. Dann ließen wir ihn erneut auf die Rampe, und ab da wurden alle Handgriffe in Zeitlupe erledigt. Die Boxentür blieb erst mal offen, und die Hundehalterin stellte sich einfach vor den Kofferraum und machte nichts, außer sich zu entspannen und den Fokus weg vom Hund zu richten. Und was passierte in kürzester Zeit? Der Kleine legte sich hin. Wir schlossen die Tür - er blieb liegen. Wir brachten den zweiten Hund dazu, und er blieb liegen und entspannte sich. Genauso wie sein Frauchen.

Um das Ganze jetzt mal zu Ende zu bringen: Freilauf war dann auch kein Problem mehr, das Herrufen auch nicht, da der kleine Kerl gar nicht mehr aufhören konnnte, sein Frauchen anzuschmachten.

Mein Job war getan - der von der Hundehalterin fängt jetzt erst an. Und das wird lebenslänglich gehen. Ruhe, nichts wollen, entspannen, keinen Streß, innerlich gelassen bleiben. Und bitte keinen Hundesport, der letztendlich nur Streß und Hektik bewirkt.


29.
Praxisbeispiel:

Schäfermischlingshündin, 3 Jahre, wurde vor ca. einem Jahr immer aggressiver bei Hundebegegnungen. Es gab auch schon einige Beißvorfälle. In der Nachbarschaft war sie berüchtigt, jeder hatte Angst vor ihr. Auch die Hundehalterin war schon geächtet.

Mutmaßlich war der Auslöser eine Mobbingerfahrung in der Hundeschule. Wir wissen die Gründe nicht und werden sie nie erfahren. Wir können nicht in die Köpfe unserer Hunde hineinschauen. Jeder Hund ist anders - jeder Mensch ist anders. Was den einen kalt läßt, ist für den anderen der Supergau schlechthin.

In solchen Fällen beginne ich immer mit dem Erarbeiten der Ruhe und der Freundlichkeit (immer mit Brustgeschirr) seitens des Hundehalters. Denn solche Hunde erleben in der Regel immer wieder das Selbe: Hund wird wütend - Mensch wird wütend.

Kann die Wut eines Individuums durch die Wut des Gegenübers vermindert werden? Definitiv nicht! Versetzen Sie sich einmal in so eine Situation hinein. Waren Sie schon mal richtig sauer? Aber so richtig? Mit Rumschreien und allem Drum und Dran? Hätte Ihr Partner Sie dafür angeschrieen, wäre es dann besser geworden oder wären Sie noch wütender geworden? Auf den privaten Fernsehsendern haben Sie das sicher schon oft gesehen, wenn Sie diese nachmittags eingeschaltet haben. Wie kommt so etwas rüber?
Richtig: Ziemlich assozial, nicht wahr? Einer mehr als der andere, im Prinzip alle beide. Unangenehme Situation. Da möchte niemand gerne einer der beiden Agierenden sein oder live dabei sein.

Waren Sie schon mal so richtig stocksauer, und ein guter, kluger und weiser Freund war bei Ihnen und hat sie beruhigt, Ihnen Mut zugesprochen, ja gar Ihnen eine andere, vernünftigere Sichtweise aufgezeigt? Den Arm um Sie gelegt, und gesagt: "Komm, so schlimm ist es doch auch nicht! Lass uns das gemeinsam angehen. Ich helfe Dir!" Das fühlt sich gut an. Man fühlt sich ernst genommen, man bekommt ruhigen Zuspruch und der andere zeigt einem eine Alternative, eine Möglichkeit, den Auslöser der Wut noch mal zu überdenken.

Den Wind aus den Segeln nehmen nennt man das. Das ist etwas Positives. Für den der es tut und für den, der es erlebt. Man kommt ins Reflektieren.

Da wir uns mit einem Hund nicht wie mit einem Menschen ruhig unterhalten können, also den Inhalt unserer Worte wirken lassen können, liegt es an uns - die wir klüger und vernünftiger sind - dem Hund dies in seiner Sprache zu vermitteln. Der Körpersprache und der inneren Haltung. Ruhe, Entspannung, Gelassenheit, Souveränität, Freundlichkeit. So nimmt man einem Wesen den Wind aus den Segeln. Ich bereite einem Wesen ein positives und angenehmes Gefühl und überdecke damit eine negatives Gefühl. Niemand wird er ein negatives Gefühl einem Positiven vorziehen. Und ein positives Gefühl kann kein negatives Gefühl verstärken, aber es kann es löschen. Gefühle sind nicht steuerbar, weder an- noch aberziehbar.

Und daher ist das ein wunderbarer Ansatz, einen vor Wut schäumenden Hund zurück in die Gelassenheit zu bringen. Das dauert natürlich und geht nicht von heute auf morgen. Beim Menschen auch nicht.

Zurück zur besagten Hündin. Ihr Wut saß so tief, so dass die Veränderung, die wir erreicht haben relativ gering war. Aber es gab eine Veränderung: Sie war zumindest wieder ansprechbar in so einer Situation. Und jetzt setzten wir eines drauf. Wann immer die Hündin das Fixieren andere Hunde anfing, bzw. wann immer die Leine sich schon zu straffen begann oder sie schon wütete, holten wir sie aus ihrem Film raus, und sie bekam Leckerchen.

"Wir haben aber gehört, dass wir dem Hund damit zeigen, dass wir es gut finden, wenn er wütend ist und bellt!" riefen die Hundehalter entsetzt.

Nein, das ist nicht möglich! Ein positives Körpergefühl, ein positives Erlebnis kann aus biologischen und neurochemischen Gründen kein Negatives verstärken. Weder beim Hund noch beim Menschen. Gefühle kann man nicht an- oder aberziehen. Diese entstehen unweigerlich aus einer Situation heraus. Sie sind definitiv NICHT steuerbar.

Und so bewirkten wir einen entscheidenden Effekt.
Die Hündin zog für sich den Rückschluss: "Hunde treffen ist lecker!" Und: "Frauchen ist eine ganz coole Socke!"
Zwei Volltreffer!

Und so muss ich dem Hund nichts beibringen, sondern ihm einfach nur in negativen Situationen eine gute Zeit vermitteln, ihm zeigen, dass ich bei ihm bin und mich völlig anders verhalte als er:
Als ein gutes Vorbild.

Wir konnten der Hündin dann sogar Freilauf verschaffen, was vorher undenkbar war. Sie wäre sofort auf jeden Hund zugeschossen und hätte gebissen! Und jetzt war der Freilauf ein riesen Spaß, und wenn Frauchen fröhlich und unbeschwert rief, war alles super!

28.
"Aber man sagt doch, der Hund soll.....",
 
"aber es heißt doch, der Hund darf dieses und jenes nicht...", "ich habe gehört, dass man das so handhaben soll..." , "aber in der Hundeschule hat man gesagt, dass ich das nicht machen darf...".

Wer zum Teufel ist "man"? Eine höhere Instanz? Jemand der den Stein der Weisen entdeckt hat? Eine Gottheit? Die Masse? Die Allgemeinheit? Ein Allwissender?

Liebe Hundehalter, bitte seien Sie klug, und hinterfragen Sie grundsätzlich alles, was Ihnen gesagt oder geraten wird. Und vor allem, wenn es gegen Ihr Bauchgefühl ist. Wenn jemand mit "man" kommt, dann haken Sie nach. Wer ist "man"? Stellen Sie so viele Fragen, bis die Antwort für Sie wirklich schlüssig ist, bis Sie einen logisch nachzuvollziehenden Sinn ergibt. Bis die Antwort in Einklang mit Ihrem Bauchgefühl, Ihrem gesunden Menschenverstand, Ihrer Empathie und Ihrer Logik zu bringen ist. Informieren Sie sich, und blicken Sie mit wachen Augen um sich.
Lernen Sie Sie Fühlen, Spüren, Wahrnehmen.
Immer!



27.
Warum man zwei angeleinte Hunde nicht zusammen lassen sollte.

Warum man zwei angeleinte Hunde nicht zusammen lassen sollte - live erlebt:

Zwei Hunde (ein Schäferhund und ein Boxer) mit Halsband und Leine treffen auf der Straße aufeinander. Das sollte bitte niemals automatisch ein Freibrief sein, dass jeder Hund jeden zwingend begrüßen muss. Ich falle hier auch nicht jedem Mann um den Hals.

Schwanzwedelnd beschnüffeln die beiden einander begeistert, und innerhalb von Sekunden kippt plötzlich die Situation. Der Boxer verbeißt sich im Gesicht des Schäferhundes und läßt nicht mehr los. Die Geräusche, die von den Hunden kommen klingen richtig gruselig. Der Halter des einen fängt an mit seinem Apportel auf den Kopf seines Hundes einzuschlagen, was diesen selbstverständlich dazu bringt, noch fester zuzubeißen. Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Schmerzen erzeugen Wut.
Ich nähere mich mit meiner Schäferhündin Bianca ruhig dem Szenario und rufe dem Mann zu, dass er die Hinterbeine nehmen soll und seinen Hund in den Handstand bringen soll. Zack, war die Sache erledigt.

So, aber warum soll man zwei einander unbekannte Hunde ab der Leine nicht zusammen lassen?
Beide wissen, dass sie im Falle eines Falles nicht fliehen können. Und bevor der eine anfängt sich plötzlich als Angreifer zu entpuppen und man dann die "Arschkarte" gezogen hat, dreht man lieber den Spieß um und greift sicherheitshalber selber als erster an.
Wie im Wilden Westen, wo zwei Cowboys einander gegenüber stehen und es darum geht, wer zuerst den Colt zieht.
Und so entstehen ratzfatz selbst unter den nettesten Hunden richtig ernste Beißereien.
Freilebenden Hunde gehen sich aus dem Weg, eben um solche Konflikte zu vermeiden.
Bitte nehmen Sie bei Hundebegegnungen an der Leine Ihren Hund kurz und nach außen auf die reizarme Seite und gehen Sie einfach weiter oder gehen Sie, wenn es die Örtlichkeit erlaubt einen Bogen.

Sollten Sie wirklich das Gefühl haben, dass beide extrem freundlich gestimmt sind und unbedingt dem anderen Hund "Hallo" sagen müssen, dann achten Sie bitte darauf, dass die Leinen beider Hunde locker sind, so dass beide das Gefühl haben, diesen Kontakt selbstbestimmt vollziehen zu können.

Und wenn Sie keinen Kontakt möchten, aber Ihr Gegenüber, dann sollte ein "Vorsicht! Meiner hat Flöhe!" reichen und spart umfangreiche Erklärungen.



26.
Disziplin

Ich kennen keinen einzigen Menschen, der 24 Stunden am Tag diszipliniert ist, der zu 100% berechenbar ist, der alles was man ihm befiehlt aufs Perfekteste und ohne zu hinterfragen ausführt, der keinerlei Emotionen zeigt, der weder Zeitung liest, noch Facebook benutzt, der keinerlei Interesse an anderen Menschen zeigt, der selbst im eigenen Heim perfekte Tischmanieren hat, der sich nie streitet, der nie wütend ist, der nie NEIN sagt, der nie aus der Haut fährt, der nie unaufmerksam ist, der die besten Manieren zeigt, selbst in Ausnahmesituationen.

Merkwürdigerweise sind genau die Menschen, die all dies von ihrem Hund erwarten genau das Gegenteil von oben Genanntem.


25.
Vermenschlichen

Wie kommt man dazu von "vermenschlichen" zu reden bei einem Tier, welches wie ein Mensch fühlt, denkt, Schmerz und Freude empfindet, lebt, leidet und liebt? Nur weil ich dieses Wesen genauso behandle wie einen Menschen, den ich liebe?
Wir sind alle nur Säugetiere, lediglich die Bibel hat dafür gesorgt, dass wir auf die Idee kamen, uns über die Tiere erheben.


24.
Hundebegegnung


Was lernt ein Hund, der an der Leine ein Problem bei Hundebegegnungen hat und dafür von seinem Menschen gemaßregelt/gestraft/angeschrien wird?

Dass Hundebegegnungen noch schrecklicher sind, als er bislang annahm. Und so werden die Hundebegegnungen für den Hund immer schlimmer werden, und der Mensch wird in Folge dessen immer mehr maßregeln/strafen/schreien.

Ist dem Hund damit geholfen?


23.
Hund - Deutsch      Deutsch - Hund



Es ist schon länger wissenschaftlich erwiesen, dass unsere Hunde ganze Sätze verstehen. Die Authentizität und Betonung trägt ihr Übriges dazu bei. Und ich spreche hier nicht von dem üblichen militärischen Befehlen. Das predige ich seit vielen Jahren und habe in Buch 3 dazu auch einige Erfahrungswerte dazu gepostet, die mich selber jedesmal aufs Neue verblüfften. Hunde studieren uns, unsere Körpersprache, unsere Sprache und unsere individuelle Ausdrucksweise so genau. Immerhin leben sie ja 24/7 mit uns zusammen. Würden wir uns nur annähernd die Mühe machen, unsere Hunde genauso zu lesen, gäbe es keine Missverständnisse mehr zwischen uns. Leider neigen wir dazu, uns unseren Hunden im gesprochenen Wort und gleichzeitig in der Körpersprache so dermaßen konträr zu präsentieren, dass der Hund zurecht verwirrt ist. Der Hund hat einen IQ eines 2-jährigen Kindes und darauf müssen wir uns jeden Tag aufs Neue einstellen. Und unser Hund liebt uns auch wie es unser 2-jähriges Kind tun würde - echt, unverfälscht, ohne Hintergedanken und ohne Bedingungen.

22.
Social Support


Wenn ich einem Hund, der Angst oder ein Problem hat, keine Hilfe bin, also ihm keinen Trost und keine Unterstützung anbiete, wird er sich in Zukunft auch im Freilauf im Falle einer kritischen Situation NIEMALS an mich wenden, sondern sein eigenes Ding durchziehen. Und wir sind dann außen vor.


21.
Ich brauche keinen wohlerzogenen Hund und keine Befehle ausführende, willenlose Kommandomaschine.

Ich brauche einen vierbeinigen Freund, der mit mir durch Dick und Dünn geht und mit dem ich durch Dick und Dünn gehen darf.

20.
Verständnis


Wir legen soviel Energie, Emotionen, Ehrgeiz, Trainingseinheiten, Erziehung, Wut, Unmut und Frust an den Tag, damit unser Hund uns versteht.
Anstatt dass wir uns einfach mal die Mühe machen, unseren Hund, seine Welt, sein Verhalten, seine Empfindungen, sein Leben, seine Sorgen, seine Ängste, seine Denke und sein Hund sein zu verstehen.


19.
Liebe

Es ist für mich das Unverständlichste überhaupt:
Da hat man ein Tier - wohl gemerkt: Ein TIER in seinem Haus, das einen liebt...bedingungslos. Und man überlegt, wie man es erzieht, trainiert, bestraft, zum Gehorsam zwingt oder bringt und sich mit ihm profiliert.
Wie wäre es statt dessen mit Dankbarkeit, Demut und der Idee, diese bedingungslose Liebe zurück zu geben?


18.
Brustgeschirr

Ich habe neulich mal schnell im Vorbeigehen ein Ehepaar mit einer massiven englischen Bulldogge, die massiv an der Leine zog, vom Halsband zum Camiro Standart Brustgeschirr und einer ein-Meter-Leine überredet. Widerwillig ließen sie sich darauf ein.
Eine Stunde später traf ich sie draußen. "Ein Unterschied wie Tag und Nacht! Wir sind restlos überzeugt!" strahlten sie. An der durchhängenden Leine ging der kräftige Jungrüde mit ihnen mit.
So einfach kann es sein.


17.
Emotionen

Unsere Hunde nehmen unsere momentane Stimmung und Verfassung besser wahr als unsere Mitmenschen. Und sie spiegeln uns, unsere Stimmungen und Emotionen eins zu eins wieder.


16.
"Wenn er mich jetzt so kratzt, soll ich ihn ignorieren, hat man mir in der Hundeschule gesagt."
"Nein, wenn er Dich kratzt, heißt das, dass er gestreichelt werden möchte - und dann streichle ihn bitte auch."
Das nennt man taktile Kommunikation, also Kommunikation über Berührung. Sei es ein liebevolles Anstupsen mit dem Näschen, das unter die Hand kriechen oder eben das Pföteln. Und das ist eine Aufforderung zum Schmusen. Warum sollte man ausgerechnet beim Hund auf so etwas mit Ignoranz reagieren? Bei einem Kind tut man es doch auch nicht, wenn es sich nach Liebe sehnt. Bei einer Katze auch nicht.
Warum muss eigentlich immer unser Hund unsere Machtgedanken ausbaden? Warum ausgerechnet das Wesen, welches uns mehr liebt als es je ein Mensch in unserem Leben tun wird? Warum haben wir so eine panische Angst vor unserem Hund? Hängen uns Grimms Märchen aus unserer Kindheit vom bösen Wolf wirklich immer noch so nach?
Liebe Hundehalter, wenn Euer vierbeiniger Freund sich nach Euren Berührungen sehnt, dann erfüllt ihm doch diesen kleinen Wunsch.
Ich habe noch keinen Hund erlebt, der angeblich Chef wurde, weil er liebevoll gestreichelt oder gekrault wurde. Wie soll das verhaltesbiologisch bei einem so hochsozialem Wesen zu erklären sein?


15.
Gegenleistung?

In einem der Hundehotels in denen ich arbeite kam eine Servicekraft auf uns zu, um meine Hunde zu streicheln. "Darf ich ihnen was geben?" - "Gerne, da freuen sie sich." - "Müssen sie vorher SITZ! machen?" - "Um Gottes Willen, nein!" entfuhr es mir. "Das wollen die Meisten", erklärte sie mir entschuldigend.
Und nicht alles ist es bei all den Menschen (inclusive Tierärzten), die meinen Hunden ein Leckerchen geben wollen. Meine Hunde werden erst mal mit einem SITZ! angeblafft. Gottseidank haben sie keine Ahnung, was das bedeutet.
Erstaunlich, oder? Da will man s/einem Hund eine Freude machen und schafft es nicht, dies zu tun, ohne eine Bedingung dran zu knüpfen?
Schenke ich einem Kind eine Schokolade, komme ich doch auch nicht auf die Idee, dass es diese erst bekommt, wenn es ein Gedicht aufsagt.
Mache ich einem Freund ein Geschenk, verlange ich dann kurz vor der Übergabe eine Gegenleistung?
Sollte Schenken nicht einfach Freude machen? Dem Schenkenden und dem Beschenkten?


14.
Was ist Vermenschlichen?

Die Fähigkeit zur Empathie? Die Fähigkeit ein Tier zu lieben? Die Fähigkeit, ein Tier zu verstehen, es so anzunehmen, wie es ist? Mit seinen Ecken und Kanten? Die Fähigkeit, Individualität zu erkennen? Die Fähigkeit, sich mit diesem Tier zu arrangieren? Die Fähigkeit zu erkennen, dass es sich um ein Tier handelt, welches die gleichen Empfindungen und Gefühle wie ein Mensch hat? Es zu streicheln, zu herzen, zu liebkosen, hochzuheben, zu loben, zu trösten, zu bedauern, sich bei ihm zu bedanken?

Warum ist Vermenschlichen heutzutage ein Schimpfwort wie bizarrerweise "Gutmensch"? Warum ist Härte ein scheinbar erstrebenswerter Charakterzug?

Wir Menschen sind auch nur Tiere. Die Bibel hat uns vorgegeben, uns über Tiere zu erheben, sie uns untertan zu machen. Und bekämpfen wir deshalb unsere Hunde wie wenn sie unsere Feinde wären?

Uns Menschen unterscheidet von Tieren, dass wir in der Zukunft und in der Vergangenheit leben können. Dass wir um -zig Ecken denken und interpretieren können. Dass wir in einem System leben und uns diesem System beugen müssen, um zu überleben. Dass uns gelehrt wird, dass dieses System uns in Hierarchien unterteilt. Dass wir mit Ellenbogenmentalität dauerhaft gegeneinander kämpfen müssen. Dass wir in eine Konkurrenzgesellschaft reingeboren wurden. Dass wir "gutes Benehmen" haben.
Dass wir den Knigge kennen. Dies alles ist Hunden fremd.

Unsere Hunde sind anders. 15.000 Jahre Domestizierung haben es möglich gemacht, dass Hunde uns dringender brauchen als einen Artgenossen. Dass sie uns mehr lieben als es je ein Mensch in unserem Leben tun wird. Dass sie immer an unserer Seite sein wollen. Dass sie alles gut finden, was wir machen, unter der Voraussetzung, dass wir es für sie nachvollziehbar rüberbringen.

Eine wirkliche Interpretation vom "Vermenschlichen" wäre, dem Hund all dies zu unterstellen, was uns Menschen vom Hund unterscheidet: Das Streben nach Macht, Schuldbewußtsein, gutes Benehmen, Berechnung, Hinterhalt, Sturheit, Zickigkeit, Ellenbogenmentalität, das Unterscheiden von Gut und Böse, Manieren.

Bis einigen Jahrzehnten sprach man Tieren die Fähigkeit ab, Schmerzen zu empfinden.
Heute weiß man es besser. Seit ein paar Jahren Jahren weiß man, dass Hühner Empathie empfinden.

Kommen wir ins Sein, nehmen wir ein Tier einfach als Solches an, tauchen wir in seine Tierwelt ein, lernen wir, es zu verstehen in seiner Tierwelt, dann haben wir eine Chance, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, mit ihm zu kommunizieren - als Freund und nicht als Feind.

13.
Eine Hundehalterin schrieb auf meiner Seite
, dass sie ihren Hund zur Strafe auf den Boden drückt und so lange festhält bis er ruhig ist. Ich fragte sie, wie sie sich fühlen würde, wenn sie von jemandem auf den Boden gedrückt wird und so lange festgehalten wird, bis sie sich nicht mehr wehrt. "Ich wüßte, dass ich etwas falsch gemacht habe." war wirklich ihre Antwort. Man stelle sich diese Situation einmal 1:1 vor:
Eine Person, die man abgöttisch liebt, stürzt sich plötzlich auf einen und drückt einen zu Boden bis man aufgibt, weil man körperlich nicht mehr in der Lage ist, sich zu wehren. Wie würde die zukünftige Beziehung zu dieser Person aussehen? Würde man ihr noch vertrauen? Oder hätte man in Zukunft immer dieses Misstrauen, dass dieser Vorfall sich wiederholen würde? Würde man eventuell sogar zur Polizei gehen? Wäre das der eigene Partner, würde man sich mutmaßlich von ihm trennen. Käme man wirklich auf den Gedanken, dass man etwas falsch gemacht hat, vor allem, wenn der Partner eine andere Sprache sprechen würde?
Besagte Hundehalterin ging also davon aus, dass in so einem Moment ihr Gedanke sei, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Mit Sicherheit wäre das nicht der Fall, aber ich möchte ihr auch nicht wünschen in so eine Situation zu geraten.
So einen Gedanken haben Hunde nicht, das wäre sehr vermenschlichend gedacht. Hunde haben kein Bewußtsein über richtig und falsch. Sie leben im Hier und Jetzt. Sie haben nicht die Denke: "Oh, mein geliebtes Frauchen macht mir gerade richtig Angst und tut mir weh, bestimmt habe ich etwas falsch gemacht. Hmmmm, mal in Ruhe nachdenken, was das wohl sein könnte." Das wäre zuviel verlangt für ein Tier mit einem IQ eines zweijährigen Kindes.
Bitte seien Sie ein gutes Vorbild für Ihren Hund, wenn er in Ihren Augen einen "Fehler" gemacht hat. Zeigen Sie ihm im Vorfeld, wie Sie in dieser oder jenen Situation handeln. Er hat nur Sie als Vorbild und kann nur Ihr Verhalten zum Abschauen nehmen. Hunde lernen am Leichtesten durchs Nachahmen. Bieten Sie ihm ein Alternativverhalten an, das versteht er.
Strafe ist niemals lehrreich, sondern macht einfach nur Angst.


12.
Angst

Nochmal für alle zum MItschreiben:
Angst kann man nicht durch Zuwendung, Liebe, Leckerlis, zärtlicher Berührung und gutem Zureden verstärken.
Bei keinem Lebewesen, und auch beim Hund nicht.

11.
Geschirre im Vergleich

Auf dem linken Foto sieht man sehr schön, wie kontraproduktiv ein Norwegergeschirr sein kann. Entweder es liegt auf dem Kehlkopf und behindert die freie Atmung, was beim Hund massiven Streß hervorruft (Atmen ist lebensnotwendig). Oder es wirkt wie auf dem linken Bild wie eine Fesselung. Da die Schubkraft beim Hund aus der Vorhand kommt, könnte man den Sitz dieses Geschirres vergleichen, wie wenn wir uns die Oberschenkel zusammenbinden und losmaschieren würden. Die Folge beim Hund sind Verklebungen der Schultermuskulatur, die sich dann über den ganzen Bewegungsapparat weiterziehen.
Daher bitte immer ein Y-Brustgeschirr verwenden, welches sich erst tief unten am Brustbein zu teilen beginnt wie auf dem rechten Bild.
Ein Hund muss sich mit einem Geschirr so frei bewegen und fühlen können als wenn er frei wäre.


10.
Auslastung

Ein sonniger, warmer Wintermorgen. Ich gehe mit meinen 5 Hunden (die Pfötchenbande und meine treue Schäferhündin Bianca) über die Wiesen hinter unserem Haus Richtung Wald. Voller Freude rennen alle fünf erst mal los, aber schnell trennen sich ihre Wege. Lucy entdeckt einen spannenden Geruch irgendwo auf der Wiese und geht zielstrebig darauf zu. Die blinde Kitty entdeckt ein Häufchen Fuchskot und nimmt ein ausgiebiges Schönheitsbad. Jessy zupft ein paar Grashälmchen, und die kleine freche Lilly trabt keck und emsig voraus. Bianca springt überglücklich um mich rum und lacht übers ganze Gesicht. Ich bummle langsam voraus, damit alle fünf Hunde Zeit haben, ihrer Beschäftigung nachzugehen, was natürlich unterschiedlich lang dauert. Es ist ihr Spaziergang. Und der dauert so lange, wie ich Zeit habe. Nicht wie weit wir in dieser Zeit kommen ist entscheidend, sondern was die Hunde in genau dieser Zeit machen. Das ist alles was zählt. Es ist ihre Zeit und ihr Spaziergang. Langsam finden alle wieder zusammen. An einer Ecke schnüffeln alle interessiert, mutmaßlich hat der Nachbarshund dort markiert. "Ich war hier", lautet seine Botschaft. Das anlysieren sie mit ihren Riechzellen perfekt. Emsig markieren meine Chihuahuamädels drüber. "Wir auch, und wir gehören zusammen", lautet ihre Antwort. Bianca interessiert das nicht sonderlich. Andere Hunde bzw. deren Hinterlassenschaften sind ihr nicht wichtig.

Die kleine blinde Kitty trödelt mal wieder auf ihrer ewigen Suche nach markanten Gerüchen mit denen sie sich weiter pafümieren könnte.
Ich bleibe stehen, warte und atme tief ein. Die Luft riecht jeden Tag anders. Ich sehe mich um. Das Panorama sieht jeden Tag anders aus, je nach Wetterlage, je nach Jahreszeit. Aber jeden Tag aufs Neue und besonders. Ich muss mal meine Idee verwirklichen und jeden Tag ein Foto von der Alpenkette am Horizont machen, denn sie sieht wirklich jeden Tag anders aus. Auch die Luft riecht jeden Tag anders, aber das kann ich ja leider nicht festhalten. Aber dafür täglich live erleben. Wie meine Hunde.

Da bekommt Jessy ihre "5 Minuten". Aus dem Nichts rennt sie los und zieht in großem Kreisen so schnell sie kann um mich rum. Ihr Gesichtchen strahlt. Nach vier Runden kommt sie zu mir und ist zufrieden. Mit sich und der Welt. Sie schmeißt sich auf den Rücken und läßt sich das Bäuchlein streicheln. Dann gehen wir weiter.

Bianca ist voller Energie. Sie beißt in den Brustteil ihres Geschirres und beutelt es, so wie ein Raubtier seine Beute totschütteln würde, um ihr das Genick zu brechen. Dabei galoppiert sie langsam. Sie sieht aus wie ein Lippizaner aus der spanischen Hofreitschule. Sie schaut mich an, wirft sich auf den Rücken und blinzelt in die Sonne, läßt das Geschirrteil aus dem Maul fallen und verharrt. Ich soll sie streicheln. So gehe ich zu ihr in die Hocke, streichle liebevoll ihr Gesicht, ihren Kopf, ihren Bauch. Sie bewegt sich keinen Millimeter und genießt. Die vier andern Mädels bleiben in unserer Nähe und gehen ihren eigenen Beschäftigungen nach. Nur die kleine Lilly rückt näher zu Biancas Kopf, berührt deren Nase kurz mit ihrer und sucht dann meinen Blickkontakt. "Ich hätte auch nichts gegen eine kurze Streicheleinheit", sagt sie mir damit. Daher kraule ich sie auch. Meine Beine schlafen langsam ein, so stehe ich wieder auf und gehe weiter. Schlagartig ist Bianca wieder auf den Beinen und strahlt mich glücklich an. Immer wieder bekommt sie einen kleinen "Rennflash", sprintet ein paar Meter voraus und schmeißt sich auf den Rücken, um sich dann genußvoll im kühlen Gras zu wälzen.

Jetzt hat sie an einer Stelle einen Geruch entdeckt, der sie scheinbar sehr interessiert. Eine Wildspur? Eine Katze? Ich bummle gemütlich weiter, so dass alle die Möglichkeit haben, wieder zu mir zu kommen, wenn sie mit ihren Tätigkeiten fertig sind. Wir haben nicht vor eine bestimmte Kilometeranzahl pro Spaziergang zurückzulegen. Wir sind einfach nur zusammen, draußen an der frischen Luft und sammeln und erleben Eindrücke.

Ein paar Krähen lassen sich in einiger Entfernung nieder. Begeistert kläffend sprintet die kleine freche Lilly los, was die anderen als Aufforderung sehen, genauso enthusiastisch mitzurennen. Die Krähen nehmen das äußerst gelassen und erheben sich erst in letzter Sekunde träge ein paar Meter, was meine Hunde mehr oder minder enttäuscht zur Kenntnis nehmen. Im Prinzip haben sie es ja geahnt, aber den Spaß war es wert.

Oh, hier diese Wiese wurde wohl unlängst mit Stallmist gedüngt. Da gibt es viel zu tun für meine vierbeinigen Freundinnen. Geruch, Geschmack und Konsistenz müssen aufs Genauste geprüft werden. Das kann dauern, also verringere ich mein Bummeltempo noch mehr. Um meine Figur zu halten, dafür sind meine Hundespaziergänge nicht gedacht. Das mache ich dann abends beim Joggen. Alleine. Das ist dann meine Zeit. Jetzt ist aber Hundezeit - ihr Spaziergang, ihre Auslastung, die Zeit, in der sie ihre Sinne nach ihrem Gutdünken einsetzen können.

Es dauert ein wenig, dann finden sich alle nach und nach wieder bei mir ein. Wir nähern uns dem Wald, aber Lucy läuft mir eine Spur zu zielstrebig in Richtung eines Gebüsches. Jetzt ist einer der seltenen Momente, wo ich sie wirklich gezielt rufen muss, denn das kommt mir spanisch vor. Als sie ihren Namen so fröhlich von mir hört, hält sie inne und entschließt sich für meine Richtung. Ich lobe sie ausgiebig und bedanke mich bei ihr. Aha, ein paar Tempotaschentücher liegen da im Gebüsch. Den Rest an Erklärung spare ich mir an dieser Stelle, um Sie, lieber Leser, zu verschonen. Der unwiderstehlichen Duft, der davon ausgeht, hat nun auch die Nase meiner übrigen Chihuahuas erreicht. Auch sie biegen eindeutig in die Richtung ab. Immer der Nase nach. Etwas "panischer" rufe ich auch sie, aber immer bemüht, das Ganze lustig und gut gelaunt zu gestalten. 15.000 Jahre Domestizierung haben es nun mal möglich gemacht, dass Hunde Fäkalien als Nahrung annehmen und auch annehmen können. Dadurch, dass wir Menschen uns so mannigfaltig ernähren führt es nun mal dazu, dass unsere Fäkalien für Hunde besonders gut duften und leider auch schmecken. Ist so. Hunde fressen alles und können auch fast alles verwerten.

Alle entscheiden sich für meine Richung, und auch sie bekommen von mir einen ausgiebigen Text, wie toll sie sind und wie großartig ich sie finde. Das sagt ich ihnen im Prinzip ständig. Ich liebe sie so sehr, und es ist mir einfach ein Bedürfnis, es ihnen zu sagen. Geht mir mit meinem Mann übriges genauso ;-) Der freut sich dann auch :-)

Nun sind wir im Wald. Da gibt es für die Kleinen nicht viel Spannendes, da es hier keine Gerüche von Kollegen gibt und wenig Anreize. So spazieren sie im Autopilotmodus im Gänsemarsch hinter mir her. Ganz anders Bianca. Ihr Jagdtrieb erwacht, und ich muss gut aufpassen, wenn sie was in die Nase bekommt oder etwas erspäht. Sobald ich Gefahr wittere, nenne ich freundlich ihren Namen, sie dreht sich neugierig zu mir um, ist dadurch abgelenkt, bekommt ein Lob von mir, und wir gehen weiter.

Oh, höre ich da einen Motor? Richtig, ein Traktor bahnt sich den Weg durch die schmalen Waldwege, das wird eng werden. Ich renne ein paar Meter los, weil ich weiß, dass dort eine kleine Schneise ist, in die wir uns reinflüchten können. Meine fünf vierbeinigen Freundinnen sausen ohne zu hinterfragen mit, denn wenn Frauchen so zielstrebig lossaust, dann hat das definitiv einen triftigen Grund. Die wird schon wissen was sie tut, also nichts wie hinterher! Rückwärts gehe ich in die Schneise, meine Hunde reihen sich im Halbkreis um mich herum und schauen mir erwartungsvoll in die Augen, Ich atme ganz entspannt aus, bewege mich aber keinen Millimeter, und die fünf machen es mir nach. Ich nicke dem Waldarbeiter in seinem Gefährt freundich zu, er lächelt. Sicher ein ungewöhnlicher Anblick für ihn. Als er weg ist, krame ich aus meiner Gürteltasche fünf Leckerlis raus und gebe sie den Mädels. Gut gemacht, Ihr Lieben! Danke, dass ich mich immer wieder auf Euch verlassen kann!

Ein Jogger kommt uns entgegen. Für die kleine freche Lilly ein Riesenspaß. Jogger und Fahrradfahrer jagen ist für sie das Höchste! Sie kläfft sich schon mal warm. Ich gehe rückwärts an den Wegrand und flüstere: "Mädels?" in genau der Tonlage, die leicht fragend ist. Fünf Augenpaare blicken erwartungsvoll zu mir, und wieder reihen sie sich um mich. "Feiiin!" flüstere ich ausatmend, und bis ich meine fünf Leckerlis umständlich rausgekramt habe, ist der Jogger über alle Berge und somit uninteressant geworden.

Wir gehen den Rundweg zurück zu unserem Haus, und es gibt ununterbrochen unglaublich viel zu sehen, zu riechen, zu fühlen, zu schmecken, zu hören, wahrzunehmen.

Immer wieder legt Bianca ihren Kopf schief und schaut mit gespitzen Ohren auf den Boden. Mit ihrem guten Gehör nimmt sie jede Maus wahr, die da unter dem Gras spaziert. Ein Sprung....schade, nichts war's. Das gleiche Szenario wiederholte sich noch mehrmals... und jetzt hat sie eine erwischt! "Toll, Bianca!" rufe ich ihr zu. Genüßlich schnurpselt sie an ihrer Beute herum und trabt dann glücklich zu mir, der Mauseschwanz hängt noch aus ihrem Maul.

An einer Bank setze ich mich nieder. Weil es so schön ist. Lucy springt hoch, sie will auf meinen Schoß, Bianca buddelt sich schnell hinter der Bank eine kleine Kuhle, in die sich sich reinkuschelt, um sich die Sonne auf ihren Pelz strahlen zu lassen, die blinde Kitty setzt sich an eine warme Stelle, Jessy stromert rum, Lilly schimpft in eine Richtung, um sicher zu gehen, dass kein Bösewicht sich uns nähert. Man weiß ja nie, denkt sie. Prophylaktisch den Säbelzahntiger vertreiben.

Wir gehen weiter, und Bianca nimmt sich einen Tannenzapfen, rennt los, wirft ihn hoch, fängt ihn wieder auf, rennt weiter, läßt ihn wieder fallen, rennt zurück, holt ihn wieder, rennt wieder los, und das Ganze wiederholt sich drei mal. Dann ist er schon uninteressant geworden.

Hui, jetzt hat Lilly ein gebrauchtes Papiertaschentuch gefunden. Wie Bianca mit dem Tannenzapfen schnappt sie es sich, rennt los, läßt es fallen, reißt einen Fetzen davon ab, rennt weiter, läßt diesen wieder fallen und so weiter, bis von dem Fundstück nichts mehr übrig bleibt. Eklig, aber so sind Hunde nun mal.

Wir machen uns langsam auf den Heimweg. Zu Hause bekommt jede eine Karotte, und alle fallen müde aber glücklich in ihre Bettchen und machen ausgiebig Siesta.

Wir waren eineinhalb Stunden im Oma-Bummeltempo unterwegs. Ich habe keine Bällchen geworfen, keine Stöckchen geworfen, kein Spielzeug gehabt, keine Leckerlis ins Gras zum Suchen geworfen, habe meine Hunde über keine Baumstämme springen oder balancieren lassen, sie zu nichts animiert. Keine Kommandos verwendet (sie können und kennen auch kein einziges), keine Gehorsamsübungen machen lassen (können und kennen sie auch nicht), keine Kunststücken machen lassen (kennen und können sie auch nicht), nichts trainiert (was denn auch?), sie nicht "arbeiten" lassen (in der Tierwelt gibt es kein Geld).

Wir waren einfach nur draußen. Und glücklich. Wie jeden Tag.



9.
Verziehen?

"Ich habe Angst, dass ich ihn verziehe", höre ich oft von um Rat fragende frischgebackene Welpenbesitzer. Wie sie sich das "Verziehen" vorstellen frage ich sie dann. Indem sie dem Baby zuviel Liebe, zu viel Schutz, zuviel Körperkontakt, zuviel Streicheleinheiten, zuviel Hege und Pflege angedeihen lassen? Was sollte denn die Folge davon sein? Etwa ein aggressiver, bissiger Hund?

Wie ist es dann bei einem Menschenbaby? Hat man da auch Angst, ihm zuviel Liebe angedeihen zu lassen? Werden aus geliebten und behüteten Menschenbabys und Kleinkindern später Mörder, Verbrecher, Asoziale, Kriminelle?

Ist die Welt so wie sie ist, weil zuviel Liebe unterwegs ist?

Bitte hören Sie im Zweifelsfall immer auf Ihr Bauchgefühl. Das ist klüger als all die gutgemeinten Ratschläge anderer Hundebesitzer.




8.
Angst, Aggression, Wut

Alles drei negative Emotionen. Emotionen, egal ob negativ oder positiv, sind nicht steuerbar - weder beim Mensch noch beim Hund. Emotionen sind kein Verhalten, sie werden durch Gefühle unbewußt ausgelöst. Auch Glück und Liebe sind Gefühle, beide auch nicht steuerbar. Emotionen kann man nicht lehren, nicht dressieren, nicht konditionieren, nicht belohnen und erst recht nicht bestrafen. Weil sie kein Verhalten sind und eben somit nicht bewußt einsetzbar sind.

Dass man Angst durch Zuwendung nicht verstärken kann, ist hoffentlich mittlerweile zu jedem Hundehalter durchgedrungen. Angst kann man nur durch noch mehr angstauslösende Reize verstärken. Beim Menschen ebenso wie beim Hund.

Aber auch Wut und Aggression kann man nicht durch Zuwendung verstärken. Mit der Wut und der Aggression vom Gegenüber bzw. vom Ansprechpartner wird diese Emotionen jedoch verstärkt bis die ganze Situation eskaliert. Schaltet man tagsüber die privaten Fernsehsender an, sieht man das sehr schön: Menschen, die sich ständig gegenseitig anschreien. Kein schöner und sinnvoller Zeitvertreib und letztendlich das Gegenteil von Vertrauen und Hingabe.

Zuwendung, egal in welcher Form, sei es durch liebevolle, warme oder beruhigende Worte, ein Lächeln, eine Berührung, sanftes Streicheln löst im Hund ein wohliges Gefühl aus. Glückshormone breiten sich im Körper aus. Und diese können vieles, aber mit Sicherheit keine unangenehmen Gefühle verstärken oder bestätigen. Sondern sie überdecken die negativen Gefühle und Emotionen. Und genau deswegen arbeite ich gerade mit sehr aggressiven Hunde viel durch Berührung, Streicheln und liebevollen, warmherzigen Worten. Ich nehme ihnen quasi den Wind aus den Segeln und lenke ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich - bzw. auf ihren Menschen - ihrem großen Vorbild und einzigem Sozialpartner.

Das brauche ich nicht trainieren, nicht konditionieren, nicht üben, nicht dressieren sondern einfach machen. Tut Hund und Mensch gleichermaßen gut.



7.
Rufen

Wie reagieren Sie, wenn Ihr Partner/in oder Ihr/e Freund/in freundlich Ihren Namen nennt/ruft? Richtig, vermutlich werden Sie ihren Blick in die Richtung der Person wenden und mit einer Mischung aus positiver Erwartung und Neugierde Ihre volle Aufmerksamkeit dorthin richten.

Belege ich den Namen meines Hundes stets positiv und präsentiere ich mich ihm als durchwegs freundlicher Sozialpartner, bereite ich ihm meinen "Dunstkreis" als durchwegs angenehm, dann ist es absolut kein Problem, das freundliche Nennen des Namens als Abbruchsignal für alles zu verwenden, was ich im Moment nicht möchte. Eine nette kleine verbale Bestätigung für seine Aufmerksamkeit unterstreicht das Ganze. Und somit sieht mich mein Hund nicht als Spaßbremse, sondern ich kann zeigen, dass ich immer die bessere Alternative für alles bin. Der erfolgreiche Rückruf ist dann die logische Konzequenz. Dies alles muss ich nicht trainieren, nicht üben, nicht clickern, sondern einfach machen. Immer. Und somit ist übellauniges PFUI! NEIN! AUS! und das Hinterherwerfen von Gegenständen absolut überflüssig.



6.
Angst

Silvester - und das alljährliche Gekrache und Geballere beginnt wieder. Zum Leidwesen fast aller Tiere. Und wir Hundehalter bekommen es natürlich bei unseren vierbeinigen Mitbewohnern besonders mit. Viele unserer Hunde haben Angst - Todesangst. Angst ist lebensnotwendig, denn sie bereitet den Körper darauf vor zu fliehen. Oder zu kämpfen. Oftmals aber nur zu erstarren oder Übesprungshandlungen zu begehen. Angst hat einen Grund, und Angst zu haben ist das Natürlichste der Welt.

Wie sollen wir nun mit der Angst unserer Hunde umgehen?
"Auf keinen Fall trösten - das verstärkt seine Angst!" ist ein Spruch, den mit Sicherheit jeder schon mal gehört hat. Entgegen dem eigenen Bauchgefühl hat man dann schön artig den eigenen Hund und dessen Befindlichkeiten ignoriert. Und sich dabei gut gefühlt? Mit Sicherheit nicht.

Mal von vorne: Da haben wir uns einen vierbeinigen Mitbewohner ins Haus geholt mit dem Anliegen, eine Freund zu haben. Durch Dick und Dünn. Dieser Vierbeiner ist dem Menschen so ähnlich wie kein anderes Haustier. 14.000 Jahre Domestizierung haben ihr Übriges dazu beigetragen. Unser Hund liest uns so gut wie kaum ein Mensch, spürt unsere Befindlichkeiten und liebt uns abgöttisch. Und er ist komplett von uns abhängig wie ein Kind. Er hat niemanden außer uns. Wir teilen Freud und Leid mit ihm, Kummer und Sorgen. Und ausgerechnet, wenn es ihm mal schlecht geht, sollen wir das ignorieren? Andere Tiere dann auch? Kinder auch? Mitmenschen auch?

Sorry, liebe Hundehalter, aber wie bitte verkaufen wir uns denn vor unserem Hund, wenn wir seine Befindlichkeiten einfach ignorieren? Als blind, taub und stumm. Als jemanden, der zu blöd ist, wirkliche Gefahren zu erkennen. Schließt man sich so jemandem voller Vertrauen an? So jemand führt einen geradewegs ins Verderben.

Wie würde es Ihnen gehen, wenn Sie Angst haben, und Ihr Sozialpartner ignoriert dies bzw. Euch? Wäre das eine Person Ihres Vertrauens, jemand, zu dem Sie aufschauen würden?

Stellen Sie sich bitte mal eine Situation vor, bei der Sie wirklich Angst haben. Zum Beispiel ein Zahnarztbesuch, bei dem Ihnen eine langwierige, schmerzhafte Behandlung bevorsteht. Oder Sie müssten eine wacklige Hängebrücke überqueren. Oder eine fette Spinne im Haus, die gerade die Wand hochhuscht. Mit Sicherheit hat jeder vor uns etwas, vor dem er Angst hat. Und dann Ihr Partner, der Ihre Angst ignoriert und den Auslöser der Angst ignoriert. Sammelt er in dem Moment Pluspunkte bei Ihnen? Mit Sicherheit nicht. Wäre es nicht viel schöner und hilfreicher, wenn er Sie in den Arm nehmen würde, Sie seine Sicherheit und seine Stärke, seinen Trost und seinen Zuspruch spüren dürften. Eine starke Schulter, an die Sie sich anlehnen dürften?

Nun mal das Ganze in biochemisch:
Angst erzeugt Stress. Dabei wird im Körper das Stresshormon Cortisol produziert, welches wie oben erwähnt, bereit macht zur Flucht oder zum Kampf.
Berühre ich nun aber meinen Hund, streichle ich ihn sanft und liebevoll, nehme ich ihn in den Arm (sofern es möglich ist), bereite ihm ein durchwegs gutes Gefühl, spreche ich sanft und verständnisvoll mit ihm, tröste ich ihn, indem ich ihm meine Stärke gebe, dann wird in seinem Körper (und auch in unserem) das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytozin produziert. Je höher nun dieser Oxytozinspiegel steigt, desto schneller wird das Cortisol abgebaut.

Wohlgefühl da - Angst weg - Bindung verstärkt - Vertrauen größer als zuvor. So einfach ist das. Und das gilt nicht nur für Silvesterangst.

Hätten wir doch gleich auf unser Bauchgefühl gehört, nicht wahr?



5.
Ich habe meine 5 Hunde noch nie gestraft, noch nie gemaßregelt, noch nie geschimpft, noch nie ihnen gegenüber die Stimme erhoben. Meine Hunde haben von mir in all den Jahren nur reine Liebe und unendliche Fürsorge erfahren.
Ich habe mich ihnen gegenüber als so perfekt wie möglich verkauft. Ich arbeite tagtäglich an mir, um für sie so zu bleiben. Und das ist eine wunderbare Arbeit, denn sie ist nicht nur für meine Tiere, sondern auch für mich gut.
Ich lobe und bestätige sie verbal ständig, ich hebe sie psychisch, ich motiviere sie in ihrem Sein.
Das ist der Grund, warum sie so sind wie sie sind. Das ist der Grund, warum sie immer gerne in meiner Nähe sind - auch im Gelände. Das ist der Grund, warum sie so sonnig sind, warum sie so glücklich sind, warum sie so kreativ sind. Warum sie so unterschiedlich, so individuell und doch so ähnlich sind.
Warum wir zusammen so unendlich eins sind.
Und wer uns kennt, kann das sicherlich bestätigen.




4.
Jede Form von Strafe (und dazu gehört auch schon das Erheben der Stimme) bewirkt nur, dass der Hund in dem Moment Angst vor uns hat.

Ein Hund hat nicht unsere Vorstellungen von Gut und Böse, von Recht und Unrecht, von Eigentum und Grenzen, von Moral, Anstand, Sitte und Benimm. Das sind menschliche Werte.

Also was tun, wenn der Hund ein unerwünschtes Verhalten an den Tag legt? Ganz klar: Ich zeige ihm ein Alternativverhalten. Geht wunderbar leicht und logisch.


3.
Respekt

Ein Kursteilnehmer erzählte stolz, dass er im Vergleich zu seiner Frau extrem streng ist und nur über Kommandos mit seinem Hund spricht, damit dieser Respekt vor ihm hat.

Respekt?

Leider verwechseln viele den Terminus Respekt mit Angst.

Respekt erlange ich, indem ich den anderen beeindrucke durch meine Fähigkeiten, durch mein Wissen, durch meine positiven Eigenschaften, aber mit Sicherheit nicht dadurch, dass ich rumschreie, strafe und rumpöble.

So erreiche ich lediglich, dass man Angst vor mir hat. Und hat man vor jemandem Angst, vertraut man ihm keine Sekunde mehr.

Will man wirklich, dass der eigene Hund vor einem Angst hat? DAS Wesen, welches einen mehr liebt, als es jemals ein Mensch tun wird, soll sich vor mir fürchten?


2.
Wollen ohne zu wollen oder das absichtslose Handeln.

Das ist eine Kunst, und auch das lehre ich in meinen Kursen. Und dazu das Loslassen.

Komme ich ins Wollen, werde ich hart, verliere ich die Fähigkeit zu fühlen, zu spüren, wahrzunehmen. Dann habe ich einfach nur ein Ziel vor Augen, und ist dies der Fall, bin ich schon von Ehrgeiz getrieben. Ehrgeiz läßt uns hart werden. Mit Hunden Sein ist das Gegenteil von Härte, Ehrgeiz und Verbissenheit. Lerne ich das Loslassen, geschehen oft richtige kleine Wunder.

Vor ein paar Jahren war ich mit meiner Schäferhündin Bianca und einer meiner vier Chihuahuamädels in der Tierklinik. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen ging ich mit beiden vom Parkplatz zur Anmeldung. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen setzten sie sich neben mich hin. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen ging ich ins überfüllte Wartezimmer, meine Hunde mit mir. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen legten sich beide zu meinen Füßen entspannt hin und schliefen. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen ging ich, als wir aufgerufen wurden durch den langen Gang ins Sprechzimmer. Beide kamen im Gänsemarsch entspannt mit. Ich widerstand der Versuchung, mich umzudrehen. Nach der Behandlung gingen wir ebenso ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen zurück zur Anmeldung, um zu zahlen. Wieder setzten sich beide entspannt neben mich hin. Und ebenso gingen wir aus der Tür zurück zum Parkplatz zum Auto. Ohne Leine, ohne Worte und ohne Zeichen.

Jetzt könnte ich natürlich sagen, dass ich hier die große Angebershow vor allen abziehen wollte, um Werbung für mich und meine Arbeit zu machen. Um mich darzustellen, um bewundert zu werden.

Aber wir haben einfach nur übers Sein kommuniziert, es hat einfach nur für diesen Moment so sein sollen. Ich habe losgelassen. Nie habe ich auf so etwas hingearbeitet. Wäre ich bewußt ins Vorführen gekommen, hätten mir meine Hunde gezeigt, was für ein erbärmliches und armseeliges Würstchen ich bin. Denn dann wäre ich hart, verbissen, eitel, hochmütig und ehrgeizig geworden.



1.
Entspannter Gruppenspaziergang
innerhalb eines Kurses. Diese Spaziergänge dienen dazu, Mensch und Hund zu entspannen, runterzubringen, locker zu machen. Ein Hundespaziergang sollte ein Seele baumeln lassen sein. Wir kommunizieren mit unseren Hunden und genießen die Natur mit all unseren Sinnen. Ohne Hektik, ohne Streß, ohne Kommandos. DAS ist Auslastung!
Das was als Auslasten den Hundehaltern verkauft wird, nennt sich dann Auspowern und ist für die Hunde einfach nur Streß. Streß lastet weder Mensch noch Hund aus. Streß streßt! Ich habe noch nie einen unausgelasteten Hund gesehen, wohl aber genügend gestresste (ausgepowerte) Hunde, die aufgrund ihrer gutgemeinten Auslastung ständig unter Strom stehen. Am schlimmsten sind die Auspoweropfer Nummer 1: Die Hunde, die Hundesport machen und die Bällchen-/Stöckchenwerffraktion. Hochgepushte und dauergestresste Hunde. Genau das Gegenteil von ausgelastet.
Das Leben könnte so schön sein.

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